Typ-1-Diabetes: Neue Erkenntnisse zur Entwicklung der Autoimmunkrankheit bei Kindern

Studie gibt erstmals Aufschluss über die Dynamik von Blutzuckerwerten und Autoimmunität im frühen Kindesalter: Wann und warum manifestiert sich ein Typ-1-Diabetes bei Kindern? Erstmals haben Forschende die Blutzuckerwerte und parallel dazu die Inselautoantikörper bei Kindern mit erhöhtem genetischem Risiko für Typ-1-Diabetes in den ersten Lebensjahren in einer Langzeitstudie untersucht.

Ergebnisse der Studie wurden nun im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht. Die Studie liefert ein besseres Verständnis der Dynamik der Blutzuckerregulation im frühen Kindesalter und neue Erkenntnisse über die Entstehung der Autoimmunität bei Typ-1-Diabetes.

Im Rahmen der Globalen Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) wird die klinische Primärpräventionsstudie POInt (Primary Oral Insulin Trial) multizentrisch in fünf Ländern und an sieben Standorten durchgeführt. POInt hat zum Ziel, die Entstehung der Inselautoantikörper zu verhindern und so der Entstehung eines Typ-1-Diabetes vorzubeugen. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse durch eine fehlerhafte Reaktion des Immunsystems zerstört werden. Bisher ging man davon aus, dass dieser Prozess zunächst unerkannt im Hintergrund verläuft und erhöhte Blutzuckerwerte ein Ergebnis der Autoimmunität gegen die Betazellen sind. Jedoch wurde noch nie untersucht, wann die Betazellen zum ersten Mal betroffen sind. Die POInt Studie untersuchte darum über einen längeren Zeitraum mehr als 1.000 Kinder ab ihrem vierten Lebensmonat mit einem um 10% erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes. Das ermöglichte den Forschenden, den Zusammenhang zwischen Blutzuckerwerten und erster Entwicklung von Inselautoantikörpern zu analysieren.

„Unsere Forschungsergebnisse verändern das Verständnis der Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Wir zeigen, dass Stoffwechselveränderungen früher im Krankheitsprozess auftreten, als bisher angenommen“, erklärt Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Helmholtz Munich Instituts für Diabetesforschung (IDF). Gemeinsam mit einem internationalen Team untersuchte sie in der POInT Studie die prä- und postprandialen Blutzuckerwerte – also vor und nach dem Essen – sowie die Inselautoantikörper der Kinder.

Ergebnisse liefern neue Impulse für die Forschung

Die Auswertung der Experten und Expertinnen zeigte, dass die Blutzuckerkonzentrationen kurz nach der Geburt entgegen bisheriger Annahmen keinen stabilen Zustand erreichen. Stattdessen fallen sie im ersten Lebensjahr ab und steigen im Alter von ungefähr 1,5 Jahren wieder an. „Die dynamischen Veränderungen der Blutzuckerwerte während der ersten Lebensjahre sind verblüffend. Vermutlich werden hier frühe Veränderungen der Bauchspeicheldrüseninseln widergespiegelt. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass wir die Beziehung zwischen Zuckerstoffwechsel und Bauchspeicheldrüse während der ersten Lebensphase intensiver untersuchen müssen“, erklärt Katharina Warncke, Oberärztin der Kinderendokrinologie/Diabetologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin und Wissenschaftlerin am IDF. Eine weitere spannende Beobachtung: Im Vergleich zu Kindern ohne Autoimmunreaktion wiesen Kinder, die eine Autoimmunität entwickelt haben, bereits zwei Monate vor der Bildung der Autoantikörper erhöhte Blutzuckerwerte auf. Dieser Unterschied blieb im weiteren Verlauf bestehen. Zudem waren auch die Blutzuckerwerte vor dem Essen nach dem ersten Auftreten von Autoantikörpern erhöht.

Rätsel um das Ereignis, das die Autoimmunreaktion begünstigt

Die Forschenden konnten feststellen, dass der Blutzuckerstoffwechsel sehr früh im Leben dynamisch verläuft und den Häufigkeitsgipfel der Inselautoantikörperentstehung spiegelt – dies deutet auf eine Phase von Aktivität und Anfälligkeit der Inselzellen hin. „Die starke Veränderung der postprandialen Blutzuckerwerte kurz vor dem ersten Nachweis von Autoantikörpern lässt ein Ereignis vermuten, das die Funktion der Betazellen beeinträchtigt. Dieses Ereignis geht der Autoimmunreaktion voraus und trägt zu ihrer Entwicklung bei. Da sich die Betazellfunktion nach der ersten Antikörperbildung weiter verschlechtert, scheint es sich um eine dauerhafte Schädigung der Inselzellen zu handeln, die die Blutzuckerregulation destabilisiert “, erklärt Warncke.

“Das beobachtete Verhältnis zwischen Blutzuckerwerten und erstmaliger Autoimmunreaktion ist faszinierend. Jetzt wissen wir, dass der Krankheitsmechanismus vermutlich direkt an den Inseln des Pankreas ausgelöst wird. Damit können wir die Ursache der chronischen Erkrankung gezielter erforschen,” sagt Ezio Bonifacio, Professor am Zentrum für Regenerative Therapien der Technischen Universität Dresden.
Die Wissenschaftler:innen fanden also heraus, dass sich Stoffwechselveränderungen viel früher im Krankheitsverlauf zeigen, als bislang angenommen: Sie können der Autoimmunität vorausgehen oder parallel dazu stattfinden. Die Autoren und Autorinnen vermuten, dass der plötzliche Anstieg der Blutzuckerwerte nach dem Essen und kurz vor der Entwicklung von Antikörpern mit einer veränderten Funktion der Inselzellen zusammenhängt.

Das Ziel: weniger Neuerkrankungen

„Veränderungen der Blutglukose könnten somit künftig als Indikator für eine Fehlfunktion der Inselzellen und den möglichen Beginn von Autoimmunität gegen die Beta-Zellen dienen“, fasst Ziegler zusammen. Dafür bedarf es aber einer weiteren, intensiven Erforschung des Glukosestoffwechsels und weiterer Biomarker in der frühen Kindheit. Ziel aller Bemühungen der Wissenschaftler:innen ist es, die Zahl der Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes zu verringern. Aktuell sind vier von 1.000 Kindern in den westlichen Industrienationen von der chronischen Krankheit betroffen.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 30.12.2022

Eltern: Nähe zu Jugendlichen begünstigt späteren guten Kontakt zum erwachsenen Kind

Eltern, die sich bemühen, Zeit mit ihren Teenagern zu verbringen – während sie ihnen Zuneigung und Verständnis entgegenbringen –, bleiben mit größerer Wahrscheinlichkeit in Kontakt mit ihnen, wenn diese erwachsen werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine amerikanische Studie.

„Die Daten sprechen eine klare Sprache: Man erntet, was man sät“, fasste Hauptautor Professor Gregory Fosco von der Pennsylvania State University zusammen. „Eltern, die ihren Teenager weiterhin loben und unterstützen, haben eine engere Beziehung zu ihrem erwachsenen Kind“, fügte Fosco hinzu. „Und Eltern, die konsequent, klar und freundlich mit ihren Regeln gegenüber ihren Teenagern umgehen, legen den Grundstein für weniger Konflikte mit ihrem erwachsenen Kind.“

Das Ergebnis stammt aus einer mehrjährigen Umfrage, die die Ansichten von rund 1.600 Kindern im ländlichen oder halb ländlichen Iowa und Pennsylvania sammelte. Die Kinder wurden zuerst in der sechsten Klasse und dann jedes Jahr bis zum Abitur befragt. Und als die Kinder schließlich mit 22 Jahren erwachsen waren, befragten sie die Forscher.

Während ihrer Schulzeit wurden die Teenager gebeten, anzugeben, wie viel Zeit sie mit ihren Eltern bei verschiedenen Arten von Aktivitäten wie Schularbeiten, Sport und/oder Freizeit verbrachten. Sie sollten auch einschätzen, wie warmherzig, offen und liebevoll ihre Eltern ihnen gegenüber waren sowie wie hart oder angemessen ihre Eltern mit ihnen umgingen, wenn es darum ging, sie zu disziplinieren.

Als junge Erwachsene wurden die Teilnehmer gefragt, wie oft sie noch Kontakt zu ihren Eltern hatten, sei es persönlich oder anderweitig. Die Teilnehmer:innen sollten auch berichten, wie nahe sie sich ihren Eltern gegenüber fühlten und wie wahrscheinlich es war, dass sie sowohl positive Gefühle als auch Wut offen gegenüber ihren Eltern in Bezug auf deren Erziehungsstil äußern konnten.

Das Ergebnis: Je mehr Zeit Eltern mit ihren Kindern im Teenageralter verbrachten, desto wahrscheinlicher hatten sie mit Anfang 20 Kontakt zu ihnen. In ähnlicher Weise förderte ein herzlicher Umgang zwischen Eltern und Teenagern auch eine herzliche Beziehung zwischen Eltern und jungen Erwachsenen. Die Resultate galten anscheinend unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Familieneinkommen oder Lebensumständen junger Erwachsener.

Umgang mit Jugendlichen oft herausfordernd

Dennoch räumte Fosco ein, dass „die Erziehung von Teenagern herausfordernd sein kann“ und dass es leichter gesagt als getan ist, während der Veränderungen in der Jugend eine enge Beziehung aufrechtzuerhalten.
„Die Teenagerjahre sind eine Zeit erheblicher Veränderungen“, sagte er. „Teenager streben nach mehr Autonomie und Zeit unabhängig von ihrer Familie. Eltern erkennen oft, dass sie ihren Erziehungsstil anpassen müssen, wenn ihre Teenager älter werden, aber sie sind sich möglicherweise auch unsicher, wie sie das tun sollen. Sollen sie ihr Kind loben und ermutigen oder es in Ruhe lassen? „Sollten Eltern versuchen, Zeit mit ihrem Teenager zu verbringen, oder sie mit Freunden abhängen lassen? Sollten Eltern Regeln und Grenzen für das Verhalten von Teenagern einhalten oder sollten sie sie wie Erwachsene behandeln?“

Günstige Momente nutzen

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Eltern ihr Verhalten zwar im Laufe der Zeit ändern sollten, sich aber nicht zu schnell zurückziehen sollten, betonte Fosco.

Fosco riet Müttern und Vätern, nach günstigen Momenten zu suchen, in denen es möglich ist, mit einem Teenager Nähe herzustellen.
Er nannte einige Beispiele: „Wenn Ihrem Teenager das Lob vor anderen peinlich ist, finden Sie Momente, in denen er allein ist, um aufrichtige Komplimente zu machen oder ihm zu sagen, dass Sie ihn lieben“, schlug Fosco vor. „Wenn Ihr Teenager es vorzieht, Zeit mit Freunden zu verbringen, nutzen Sie die Autofahrten, um ihn abzusetzen oder abzuholen, um eine Zeit zu zweit mit Ihrem Teenager zu verbringen und gleichzeitig seine sozialen Beziehungen zu unterstützen. […] Sie können das Lieblingsessen Ihres Teenagers kochen, damit Sie sich zusammensetzen können. Manchmal sind es die kleinen Momente, in denen Eltern wirklich ‚auftauchen‘ können, wenn sie Gelegenheiten bei alltäglichen Aktivitäten finden.“

Bezüglich festgesetzter Regeln fügte Fosco hinzu: „Versuchen Sie genau zu erklären, warum eine erzieherische Maßnahme gerechtfertigt ist oder es wichtig ist, in Kontakt zu bleiben.“

„Es kann überraschend sein, wie oft das Teilen der eigenen Gründe für Elternentscheidungen Teenagern helfen kann, die Entscheidungen zu verstehen, selbst wenn sie ihnen nicht gefallen“, verdeutlichte er.
Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Developmental Psychology“ veröffentlicht.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 23.12.2022

Cannabiskonsum in jungen Jahren stört die Gehirnentwicklung

Da die Hirnreifung bei Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist, kann der frühzeitige und regelmäßige Cannabiskonsum in dieser kritischen Lebensphase zum Teil zu anhaltenden Störungen der Hirnfunktionen führen und das Suchtrisiko erhöhen. Bereits geringer Cannabiskonsum kann bei 13- bis 15-Jährigen Veränderungen verursachen.

„Heranwachsende, die früh und intensiv Cannabis konsumieren, riskieren längerfristig eine Verringerung ihres Intelligenzquotienten. Auch die Gedächtnisleistung in Bezug auf Sprache kann sich verschlechtern. Das Gehirn erholt sich zum Teil nicht mehr vollständig, selbst wenn der Jugendliche kein Cannabis mehr konsumiert“, gibt Dr. Herman Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zu bedenken. Bis das Gehirn vollständig ausgereift ist, kann ein Mensch bis zu 23 Jahre alt sein. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat am 25. April 2022 in einem Positionspapier gefordert, dass Cannabis erst ab einem Alter von 21 Jahren legal sein dürfe.

Jugendliche, die Cannabis häufig nutzen, erhöhen ihre Chancen, bipolaren Störungen zu entwickeln, um das Dreifache im Vergleich zu Nichtnutzern. Darüber hinaus sind Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Wahrnehmungsstörungen mögliche Folgen des Cannabiskonsums. Besonders riskant sind synthetische Cannaboide. Sie haben ein hohes Suchtpotenzial, unberechenbare Effekte und eine mehr als 100-fach höhere Wirksamkeit. Folgen von Vergiftungen damit sind erhöhter Puls, Unruhe, Übelkeit oder Erbrechen und ein erhöhtes Risiko für Psychosen. In Zusammenhang mit der Einnahme von synthetischem Cannabis gab es auch Berichte über Todesfälle (2020 in Deutschland 20 Todesfälle).

Am häufigsten wird Cannabis in Europa zusammen mit Tabak geraucht. Dadurch bildet sich oft eine Co-Abhängigkeit von Tabak. Darüber hinaus kann Cannabis auch mithilfe von Sishas, E-Sishas und Vaporizer (strom- oder batteriebetriebenes Gerät zum Verdampfen pflanzlicher Rauschstoffe) inhaliert werden. Ist Cannabis Keksen oder Süßigkeiten beigemengt, dauert es länger, bis die Rauschwirkung einsetzt. Dies begünstigt Überdosierungen mit der Gefahr von Psychosen. „Eltern sollten mit Teenagern frühzeitig über die gesundheitlichen Probleme sprechen, die Cannabis auslösen kann. Haben Erziehungsberechtigte einen Verdacht, sollte sie sich mit dem Jugendarzt beraten“, so Dr. Kahl.

Anzeichen für Cannabiskonsum können sein, wenn

  • sich Jugendliche grundlos sehr albern und untypisch verhalten
  • sie ungewöhnlich schnell gereizt reagieren
  • sie anscheinend ohne Grund das Interesse an Dingen verlieren, die sie sonst interessiert haben
  • sie Zeit mit Gleichaltrigen verbringen, die Cannabis nutzen
  • sie Schwierigkeiten haben, sich an Dinge zu erinnern, die gerade passiert sind
  • sie Pfeifen, Feuerzeuge, Vape Pens oder Zigarettenpapier bei sich tragen
  • sie roten Augen haben
  • wenn sie Heißhunger außerhalb der üblichen Essenszeiten entwickeln

Auf dem 51. Kinder- und Jugendärztetag in Berlin stellte Prof. Dr. med. Rainer Thomasius vom Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf in einem Vortrag die Frage: „Cannabis legalisieren?“ Er hat wie der BVKJ Bedenken, ob dies der richtige Weg ist.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 09.11.2022

Mobbing geschieht häufig nicht körperlich oder verbal

Die am weitesten verbreitete Formen von Mobbing sind weder körperliche Handlungen wie Stoßen oder Treten noch verbale Drohungen oder abfällige Bemerkungen. Die am meisten verwendete Taktik ist die soziale Ausgrenzung.

Soziale Ausgrenzung bezeichnen Experten auch als „relationale Aggression“. Dieser Begriff beschreibt ein Verhalten, das die Absicht hat, die sozialen Beziehungen einer Zielperson zu beschädigen, z.B. indem hinter ihrem Rücken abwertende Bemerkungen gegenüber Dritten gemacht werden. Er beinhaltet u.a. auch, dass der Mobbende den Betroffenen von Gruppenaktivitäten ausschließt. Aktuelle Forschung unterstreicht den Schaden, der durch dieses Verhalten angerichtet wird.

„Wenn ein Kind von Gleichaltrigen in der Schule von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen wird, sind die Folgen für dieses Kind sowohl kurzfristig als auch langfristig genauso schädlich, als wenn es jeden Tag getreten, geschupst oder geschlagen würde“, verdeutlichte Ass.-Professor Chad Rose, ein Autor der Studie von der Universität von Missouri in Kolumbien. „Diese Studie wirft also ein Licht auf die soziale Ausgrenzung, der Jugendliche oft ausgesetzt sind.“

Rose ist Direktor des Mizzou Ed Bully Prevention Lab, das darauf abzielt, Schulmobbing zu reduzieren.

In einer kürzlich in „Preventing School Failure: Alternative Education for Children and Youth“ veröffentlichten Studie analysierten Rose und seine Kollegen eine Umfrage, die in 26 Mittel- und Oberschulen in fünf Schulbezirken im Südosten der Vereinigten Staaten durchgeführt wurde. Mehr als 14.000 Schüler wurden gefragt, ob sie Aussagen zustimmten oder nicht zustimmten, die ihre Einstellung zu Mobbing, ihre von ihnen selbst wahrgenommene Popularität und ihre Bereitschaft zu relationaler Aggression widerspiegelten.

Unter den Aussagen befanden sich u.a.:

  • „Ein bisschen Hänseleien schaden niemandem.“
  • „Es ist mir egal, was Kinder sagen, solange es nicht um mich geht.“
  • „In meinem Freundeskreis bin ich normalerweise derjenige, der die Entscheidungen trifft.“
  • „Wenn ich auf jemanden sauer bin, revanchiere ich mich, indem ich ihn nicht mehr in meine Gruppe lasse.“

„Sozial aggressive“ Kinder nehmen sich selbst oft nicht so wahr

„Kinder, die sich selbst als sozial dominant oder populär wahrnehmen, befürworten Mobbing, aber sie nehmen sich selbst nicht als sozial aggressiv wahr“, berichtete Rose über die Ergebnisse. „Es gab eine andere Gruppe, die sich selbst nicht als sozial dominant oder beliebt wahrnahm, aber sie zeigte eine eher Mobbing-freundliche Einstellung und engagierte sich für relationale Aggression.“

Also, verdeutlichte er, die erste Gruppe fand Mobbing in Ordnung, sah sich aber nicht als beteiligt an, selbst wenn sie andere tatsächlich ausgrenzte. Die zweite Gruppe, die zugab, andere zu meiden, tat dies möglicherweise, um in der sozialen Hierarchie aufzusteigen.

Unbeteiligte wirken oft – ohne es selbst zu bemerken – als Verstärker der sozialen Ausgrenzung

Eine dritte Gruppe von Umfrageteilnehmern, die weniger aggressiv handelten oder eher als Zuschauer zu bezeichnen sind, berichtete über ein geringes Maß an relationaler Aggression sowie ein geringes Maß an Mobbing-freundlichen Einstellungen.

„Das Interessante an Zuschauern ist, dass sie Mobbing oft aufrechterhalten, was bedeutet, dass sie als soziale Verstärker dienen und in der Nähe sind, wenn es passiert“, so Rose in einer Pressemitteilung der Universität.

„Wir lehren den berühmten Slogan ‚Sehen Sie etwas, sagen Sie etwas‘, aber in der Praxis ist es für Kinder schwierig, schnell einzugreifen und Konflikte einzuschätzen – selbst für Erwachsene. Wenn wir zwei Kinder in einem körperlichen Kampf sehen, fühlen wir uns verpflichtet, ihn zu beenden. Aber wenn wir beobachten, dass Kinder von Gleichaltrigen ausgeschlossen werden, scheinen Erwachsene dies nicht immer als gleichermaßen schädlich anzusehen, und das ist beängstigend „, fügte er hinzu.

Die Einbeziehung sozialer Kommunikationsfähigkeiten in den täglichen Lehrplan der Schüler sei etwas, das Lehrer laut Rose leicht umsetzen könnten. „Lehrkräfte sollten ein besonderes Lob aussprechen, wenn sie respektvolles und integratives Verhalten in der Praxis erkennen, denn die Vermittlung und Stärkung dieser Fähigkeiten ist genauso wichtig wie der Mathematik-, Naturwissenschafts- und Geschichtsunterricht.“

Nicht jedes Kind muss ein Freund sein, aber es ist wichtig, jeden mit Respekt zu behandeln. „Mobbing beginnt oder endet nicht mit den Schulglocken, es ist ein Problem unseres Zusammenlebens“, betonte Rose. „Ich denke, als Erwachsene müssen wir uns bewusster darüber sein, was wir unseren Kindern in Bezug auf unsere soziale Interaktion beibringen, da Schulen ein Spiegelbild unserer Gemeinschaften sind.“

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 28.10.2022

Wie wirkt sich zu wenig Schlaf auf die Entwicklung des Gehirns aus?

Einer aktuellen amerikanischen Studie zufolge kann unzureichender Schlaf bei Kindern langfristig die neurologische Entwicklung beeinträchtigen. Dies konnten die Forscher:innen anhand von Gehirnscans und -tests messen.

Eine in „The Lancet Child & Adolescent Health“ veröffentlichte Studie ergab, dass 9- und 10-Jährige, die nachts durchschnittlich keine 9 Stunden schlafen, tendenziell weniger graue Substanz entwickeln. Auch die Bereiche des Gehirns, die für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Impulskontrolle verantwortlich sind, sind nicht so ausgeprägt wie bei Kindern, die genug Schlaf bekommen.

Die Wissenschaftler:innen fanden auch einen Zusammenhang zwischen unzureichendem Schlaf und gestörten Verbindungen zwischen den Basalganglien und kortikalen Regionen (Gehirnrinde [Kortex]) des Gehirns. Diese Störungen schienen mit Depressionen, Denkproblemen und Beeinträchtigungen der „Crystallized Intelligence“ zusammenzuhängen. „Crystallized Intelligence“ oder kristalline Intelligenz ist eine Art von Intelligenz, die auf früheren Lernerfahrungen sowie früheren Erfahrungen basiert und vom Gedächtnis abhängt.

Diese Auswirkungen blieben 2 Jahre später bestehen, auch wenn diejenigen Teilnehmer, die zu Beginn ausreichend geschlafen hatten, im Laufe der Zeit allmählich weniger schliefen, und diejenigen, die zu Beginn nicht genug Schlaf bekamen, weiterhin etwa gleich lang schliefen, berichteten die Forscher:innen.

Die ABCD-Studie

Um zu untersuchen, wie sich unzureichender Schlaf über 2 Jahre auf die psychische Gesundheit, Gedächtnis, Gehirnfunktion und Gehirnstruktur von Kindern auswirkt, analysierten Ze Wang, PhD, Professor für diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin an der University of Maryland, Baltimore, und seine Kollegen Daten aus der laufenden „Adolescent Brain Cognitive Development (ABCD) Study“ (Studie bei Jugendlichen zur kognitiven Entwicklung des Gehirns). Die ABCD-Studie verfolgt die biologische und Verhaltensentwicklung von mehr als 11.000 Kindern in den Vereinigten Staaten, die im Alter von 9 oder 10 Jahren für die Studie rekrutiert wurden.
Für ihre neue Analyse konzentrierte sich die Gruppe um Prof. Dr. Wang auf 6.042 Teilnehmer: 3.021 Kinder mit unzureichendem Schlaf, die mit einer gleichen Anzahl von Teilnehmern verglichen wurden, die in vielerlei Hinsicht ähnlich waren, einschließlich Geschlecht, sozioökonomischem Status und Pubertätsentwicklung. Nur letztere Probanden schliefen nachts mindestens 9 Stunden. Die amerikanischen Experten überprüften die Ergebnisse 2 Jahre später bei 749 der übereinstimmenden Paare, für die Ergebnisse verfügbar waren.

Die Ermittler bestimmten die Schlafdauer anhand der Antworten der Eltern auf die Frage: „Wie viele Stunden Schlaf bekam Ihr Kind in den letzten 6 Monaten in den meisten Nächten?“ Mögliche Antworten waren mindestens 9 Stunden, 8–9 Stunden, 7–8 Stunden, 5–7 Stunden oder weniger als 5 Stunden. Sie untersuchten zudem funktionelle und strukturelle MRT-Scans, Testergebnisse und Antworten auf Fragebögen.

Mangelnder Schlaf wirkt sich auf mehrere Bereiche negativ aus

Bei Kindern, die zu wenig schliefen, konnten die Forscher negative Effekte in mehreren verschiedenen Bereichen beobachten, darunter Gehirnstruktur, Funktion, Kognition, Verhalten und psychische Gesundheit.

Die Ergebnisse basierten auf Gruppendurchschnitten und die Unterschiede sind nicht schwerwiegend, sagte Wang. Ein bestimmtes Kind, das nachts meist keine neun Stunden lang schläft, müsse also nicht unbedingt schlechter abschneiden als ein Kind, das genug Schlaf bekommt, so Wang.
Dennoch könnten sich geringe Auswirkungen mit der Zeit ansammeln und schließlich zu andauernden Veränderungen führen, betonte Wang.

„Crystallized Intelligence“ – kristalline Intelligenz

Die Forscher untersuchten 42 Bereiche. Bei 32 davon gab es zwischen den Gruppen deutliche Unterschiede. Insbesondere vier Bereiche – Depression, Denkprobleme, Leistung bei einem Bildvokabeltest und kristalline Intelligenz – waren Bereiche, in denen unzureichender Schlaf einen größeren negativen Effekt zu haben schien.

Die Beziehung der Schlafdauer zur kristallinen Intelligenz war doppelt so hoch wie bei der fluiden Intelligenz. Die fluide Intelligenz beinhaltet Fähigkeiten wie Problemlösung, Lernen und Mustererkennung und hängt nicht vom Gedächtnis ab.

„Schlaf beeinflusst das Gedächtnis“, lautet das Fazit von Professor Wang. „Kristalline Intelligenz hängt von erlernten Fähigkeiten und Kenntnissen ab, die das Gedächtnis bietet. Deshalb ist Schlaf mit kristalliner Intelligenz verbunden.“

Eine Einschränkung der Studie bestehe darin, dass einige Eltern möglicherweise nicht genau angeben, wie viel Schlaf ihr Kind bekommt, räumte Wang ein. Kinder können zum Beispiel wach sein, wenn Eltern denken, dass sie schlafen.

Um einen gesunden Schlaf zu fördern, sollten Eltern eine strenge Routine für ihre Kinder einhalten, wie z. B. regelmäßige Schlafenszeiten und keine elektronischen Geräte im Schlafzimmer, schlug Wang vor. Mehr körperliche Aktivität während des Tages seien auch hilfreich.

Quelle: https://www.kinderaerzte-im-netz.de vom 21.10.2022

Suizidprävention: Experten wollen Angebote ausbauen

Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September setzten sich Fachleute für den Ausbau von niedrigschwelligen Beratungs- und Hilfsangeboten ein. Um diese nachhaltig zu sichern, brauche es eine jährliche Förderung von 15 Millionen Euro, sagte Sozialforscher Reinhard Lindner. Er gehört zum Leitungsgremium des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (Na-SPro), das in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 9 000 Menschen durch Suizid. Das sind mehr Todesfälle als durch Verkehrsunfälle, Mord und illegale Drogen zusammen, wie NaSPro-Leiterin Prof. Dr. phil. Birgit Wagner ausführte.

Statistisch gesehen nehme sich alle 57 Minuten ein Mensch in Deutschland das Leben – zudem kämen auf jede vollendete Selbsttötung etwa zehn bis 20 Versuche. Es handle sich also um ein „bedeutendes gesellschaftliches und gesundheitspolitisches Problem“. Bei den aktuellen Debatten um assistierten Suizid müssten auch die Angehörigen in den Blick genommen werden, mahnte Wagner. Studien zeigten, dass sie häufiger unter Belastungssymptomen litten als andere Hinterbliebene. Zudem sei der Schulungsbedarf in vielen Bereichen hoch, auch unter Therapeuten.

Die aktuell vorliegenden Gesetzentwürfe hätten indes „mit Suizidprävention wenig zu tun“, kritisierte Lindner. Beratungsangebote für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen dürften nicht schwieriger erreichbar sein als der Zugang zum assistierten Suizid.

Bereits im Juni hatten das NaSPro und über 40 weitere Institutionen und Fachgesellschaften ein Gesetz zur Suizidprävention sowie einen weiteren Ausbau von Hospizarbeit und Palliativversorgung gefordert. Nach Angaben von NaSPro-Leiterin Wagner fehlt es weiterhin an einem Bewusstsein für die hohe Zahl von Suiziden – und auch dafür, dass Hilfe möglich sei. 

Quelle: www.aerzteblatt.de, PP 21, Ausgabe Oktober 2022

Kopfschmerzen bei Kindern – was hilft?

Kopfschmerzen treten nicht nur häufiger bei Kindern und Jugendlichen auf, sondern plagen auch immer jüngere Kinder: Schon im Vorschulalter sind annähernd 20% betroffen, bis zum Ende der Grundschulzeit hat dann bereits etwa jedes zweite Kind unangenehme Erfahrungen mit Kopfschmerzen gemacht.

Besonders bedenklich sei dabei, dass die Kopfschmerzen eines Kindes auch chronisch werden und sich zu einem langanhaltenden, wenn nicht sogar lebenslangen Gesundheitsthema für das Kind entwickeln können.

Die Zunahme von Kopfschmerzen bei Kindern wird durch verschiedene epidemiologische Studien der letzten Jahre eindeutig belegt:

  • Psychologen der Universität Göttingen haben bei über 2.000 Kindern die Entwicklung von Kopfschmerzen über vier Jahre verfolgt. Sie fanden heraus: Jedes zehnte Kind (10,9%) klagte bereits im Alter von acht Jahren mindestens einmal im Monat über Kopfschmerzen, bei 3,8% der Zweitklässler traten die Kopfschmerzen sogar mindestens einmal pro Woche auf. Mit zwölf Jahren hatte bereits mehr als die Hälfte (54%) der Kinder Erfahrungen mit Kopfschmerzen gehabt, 6,9% litten jede Woche, 18,5% mindestens einmal im Monat darunter. Mit 15 Jahren gab jeder fünfte Teenager (22,4%) an, im letzten Monat mindestens einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben, jeder Zehnte (10,7%) litt jede Woche darunter. Der Anteil von wöchentlich auftretenden Kopfschmerzen war bei Mädchen doppelt so hoch wie bei Jungen.
  • Nach KiGGS (Welle 2), einer großen Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, waren 45,2% der 11- bis 17-jährigen Mädchen und 28,7% der gleichaltrigen Jungen in den letzten drei Monaten von Kopfschmerzen betroffen.
  • Zu ähnlichen Ergebnissen kam zuvor schon die MUKIS-Studie der LMU („Münchner Untersuchung zu Kopfschmerzen im Schulalter“), an der sich 1.675 Schüler von zwölf Gymnasien in München und im Münchner Umland beteiligt haben. Dabei gaben vier von fünf der 12 bis 19 Jahre alten Kinder und Jugendlichen an, innerhalb der letzten sechs Monate mindestens einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben. Jeder zehnte Gymnasiast musste im letzten Jahr wegen Kopfschmerzen zum Arzt. Etwa ein Viertel der Schüler nahm regelmäßig Schmerzmedikamente ein. An Mädchen-Gymnasien war die Kopfschmerz-Häufigkeit besonders hoch.

„Die Diagnose von Kopfschmerzen ist bei jüngeren Kindern nicht einfach“, berichtete der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Bei kleinen Kindern, die noch nicht sprechen können, sind Kopfschmerzen nur schwer zu erkennen. Häufige Anzeichen sind Reizbarkeit, Unruhe und Überempfindlichkeit gegen Berührungen. Etwas ältere Kinder drücken die Hände an den Kopf oder vor die Augen und zeigen ein schmerzhaftes, geplagtes Gesicht. Verlässliche Beschreibungen sind erst im Vorschul- und frühen Schulalter zu erwarten“.

Übelkeit und Blitze vor den Augen

Die häufigsten Formen von so genannten primären Kopfschmerzerkrankungen sind auch bei Kindern die Migräne und der Spannungskopfschmerz, erläuterte die Stiftung Kindergesundheit:

Migräne: Ein Kind, das unter einer akuten Migräneattacke leidet, hört meistens auf, zu spielen oder zu lernen, ist blass, möchte sich hinlegen und vielleicht auch schlafen. Typisch ist auch, dass jede Anstrengung vermieden wird und das Kind im Laufe einer Attacke einschläft. Beim Aufwachen sind dann die Beschwerden verschwunden. Der pulsierende oder pochende Schmerz ist – im Gegensatz zur Migräne bei Erwachsenen – zumeist nicht nur auf eine Kopfseite beschränkt, sondern betrifft beide Seiten und häufig auch die Stirn.

Unter den Migräne-typischen Begleiterscheinungen stehen bei Kindern vor allem Übelkeit und Erbrechen, aber auch Geräusch- und Lichtempfindlichkeit im Vordergrund. Die Attacken sind kürzer als bei Erwachsenen und dauern nur selten länger als zwei Stunden.

Auch bei Kindern kann es kurz vor einer Attacke zu neurologischen Ausfällen, zu einer so genannten Aura, kommen. Dazu gehören Flimmersehen oder Lichtblitze in den Augen, Gefühlsstörungen in Händen und Armen oder auch Sprachstörungen. Wichtig zu wissen: Die Heftigkeit des Schmerzes und die „komischen“ Begleitsymptome können so intensiv sein, dass das Kind sie mit starker Angst erlebt.

Spannungskopfschmerzen: Sie sind dumpf-drückend bis ziehend und nicht pulsierend. Der Schmerz tritt zumeist auf beiden Seiten des Kopfes auf. Er breitet sich häufig vom Nacken zur Stirn oder von der Stirn zum Nacken aus und zieht auch die Augen oder Wangen in Mitleidenschaft. Der Schmerz ist von leichter bis mäßiger Intensität und wird bei körperlicher Bewegung in aller Regel nicht stärker, sondern eher schwächer: Eine Ablenkung durch Aktivität tut gut. Die bei einer Migräne-Attacke typischen Begleitsymptome fehlen.

Manchmal hilft schon die richtige Brille

Neben diesen so genannten primären Kopfschmerzerkrankungen können Kopfschmerzen aber auch Ausdruck und Warnzeichen anderer körperlicher Erkrankungen sein, unterstrich die Stiftung Kindergesundheit. So werden sowohl fieberhafte Infekte als auch Störungen des Blutdrucks häufig von Kopfschmerzen begleitet. Beispiele sind: Kieferhöhlenentzündungen, Ohrentzündungen, Halsentzündungen oder Mandelentzündungen. In seltenen Fällen können die heftigen, immer weiter zunehmenden Kopfschmerzen auf eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder einen Hirntumor hindeuten. Auch eine Gehirnerschütterung verursacht häufig Kopfschmerzen, ja sie kann sogar Ursache länger anhaltender, chronischer Kopfschmerzen sein.

Es kann aber auch etwas ganz anderes hinter den Kopfschmerzen stecken: ein Sehfehler etwa, der zu einer Überanstrengung der Augen führt. Er kann mit der richtigen Brille korrigiert werden. Auch zu viel direkte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf kann Kopfschmerzen auslösen.

Kopfzerbrechen wegen Mobbing oder Konflikten

Wenn die bisher aufgezählten Ursachen durch eine Untersuchung bei der Kinder- und Jugendärztin oder beim Kinder- und Jugendarzt ausgeschlossen worden sind, wird weiter nach möglichen seelischen Gründen der Schmerzen gefahndet. Kopfschmerzen und das Erleben von Stress liegen auch für Kinder nahe beieinander: Mobbing, Ausgrenzung oder Herabsetzung tun auch ihnen weh. Wichtig ist dabei, die tieferen Ursachen und schweren Konflikte (in der Familie oder in der Schule) zu erkennen, die dem Kind im wahrsten Sinne des Wortes „Kopfzerbrechen“ bereiten.

„Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe des Kinder- und Jugendarztes, mit Hilfe einer ausführlichen Befragung der Eltern und einer gründlichen Untersuchung des Kindes die Kopfschmerzen einzuordnen und entsprechend der Verdachtsdiagnose weitere Untersuchungen einzuleiten“, betonte Kopfschmerzspezialist und Kinderneurologe Professor Dr. Florian Heinen, Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums im von Haunerschen Kinderspital der Universität München. „In der großen Mehrzahl der Fälle werden die Kinder- und Jugendärztinnen bzw. die Kinder- und Jugendärzte die Angst der oft stark verunsicherten Eltern nehmen können. Das Kind oder der Jugendliche erfährt in einem guten Aufklärungsgespräch, was sich hinter seinen Kopfschmerzen verbirgt und erhält seine persönlichen Empfehlungen zu Schlaf, Sport, Ernährung, Trinkmenge und zu den oft dringend notwendigen Pausen vom Medienkonsum“.

Um die Kopfschmerzen noch besser zu verstehen, können Kind und Eltern für zwei bis drei Wochen einen Kopfschmerzkalender führen. Sie sollten darin Dauer und Stärke der Schmerzen, die Begleitsymptome, mögliche Auslöser und auch die eingenommenen Medikamente festhalten. Allein dadurch kommt man oft den individuellen Auslösern auf die Spur.

Nicht gleich zu Tabletten greifen!

Kinder, die unter Kopfschmerzen leiden, sollten sich mehr im Freien bewegen, regelmäßig Sport treiben und ausreichend Wasser trinken, so die Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck. Professor Berthold Koletzko: „Sie sollten außerdem weniger Zeit mit Computerspielen und Fernsehen verbringen und auf geregelte Mahlzeiten und auf ausreichenden Schlaf achten. Die Einhaltung fester Zeiten des Schlafengehens und des Aufwachens und das Vermeiden von Coffein am Nachmittag – also von Cola, Kaffee und Energydrinks – haben sich in Studien als gute Ansätze gegen Kopfweh erwiesen“.

Zur medikamentösen Akut-Behandlung der Schmerzen wird die Kinder- und Jugendärztin oder der Kinder- und Jugendarzt Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol verordnen. Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“) sollte wegen der Gefahr einer zwar seltenen, aber gefährlichen Komplikation („Reye-Syndrom“) erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Eine Alternative zur Behandlung von leichten oder mittelschweren Kopfschmerzen vom Spannungstyp bietet die äußere Anwendung einer zehnprozentigen Pfefferminzöl-Lösung aus der Apotheke, die auf die Stirn und Nackenmuskeln aufgetragen werden kann.

Als hilfreich gegen Kopfweh haben sich auch nichtmedikamentöse Maßnahmen erwiesen, Dazu gehören Entspannungsübungen, Physiotherapie und eine Anpassung des Tagesrhythmus, sowie reflektierende Gespräche mit dem an Kopfschmerzen erkrankten Kind über Dinge, die es belasten oder ihm eher guttun.

In komplizierten Fällen können die Kinder- und Jugendärztinnen sowie Kinder- und Jugend-ärzte ihre Patienten auch in eine der kinderneurologisch geleiteten Kinder-Kopfschmerz-Zentren überweisen, die es an mehreren Universitäts-Kliniken und großen Krankenhäusern gibt.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 14.10.2022

„Schmerzmanagement“ für Kinder

Beulen und blaue Flecken sind ein unvermeidlicher Teil der Kindheit. Auch wenn kein Elternteil möchte, dass sein Nachwuchs Schmerzen empfindet, kann es hilfreich sein, wenn ein Kind früh versteht, was Schmerzen sind, und mit zunehmendem Alter lernt, wie es darauf reagieren kann.

In einer Studie der University of South Australia (UniSA) haben Forscher fünf Schlüsselansätze identifiziert, die Eltern und Betreuer anwenden können, wenn sie mit kleinen Kindern über „alltägliche“ Schmerzen sprechen, und die ihre Genesung und Belastbarkeit nach einer Verletzung verbessern können.

In dieser Studie untersuchten die Forscher „alltägliche“ Schmerzen bei kleinen Kindern (im Alter von 2 bis 7 Jahren) und fragten Experten aus den Bereichen Kindergesundheit, Psychologie, Entwicklung, Belastbarkeit sowie Eltern und Erzieher, was ihrer Meinung nach die Belastbarkeit bei leichten Schmerzen oder Verletzungen sowie die Genesung bei Kindern fördern würde.
Mit 80-prozentiger Zustimmung aller Experten lauteten die wichtigsten Botschaften:

  • Kinder sollten wissen, welche Funktion Schmerzen haben – Schmerz ist das Alarmsystem unseres Körpers.
  • Eltern sollten den Schmerzen von Kindern Beachtung schenken – Kinder sollten sich sicher, gehört und geschützt fühlen, aber Eltern sollten daraus kein „Drama“ machen.
  • Eltern sollten Kinder nach einer Verletzung beruhigen – Kinder müssen wissen, dass ihr Körper heilen wird und der Schmerz vergehen wird.
  • Kinder sollten ihre Gefühle ausdrücken dürfen – dabei sollten Eltern ihnen Wege zeigen, wie sie sich selbst beruhigen können.
  • Kinder sollten mithelfen, ihre Genesung zu unterstützen –z.B. indem sie die Wunde mit einem frischen Pflaster versorgen.

Die leitende Forscherin, Dr. Sarah Wallwork von UniSA, erklärte, dass Eltern und Betreuer wahrscheinlich eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie Kindern lernen, mit Schmerzen umzugehen.

„Egal, ob es sich um einen Sturz vom Fahrrad oder den Umgang mit gefürchteten Spritzen handelt, alltägliche Schmerzerfahrungen sind eine Möglichkeit für Eltern, positive Überzeugungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Schmerzen zu fördern“, so Dr. Wallwork.

„Obwohl es wichtig ist, Kindern beizubringen, dass Schmerz das Alarmsystem unseres Körpers ist und dass er dazu da ist, uns zu schützen, ist es ebenso wichtig zu verstehen, dass Schmerz und Verletzung nicht immer übereinstimmen.

„Als Erwachsene besteht eine der größten Herausforderungen im Schmerzmanagement darin, dass wir grundlegende, lebenslange Überzeugungen darüber haben, wie Schmerz und Genesung funktionieren. Wenn wir uns verletzen, glauben wir oft, dass Schmerzen folgen müssen; und umgekehrt, wenn wir Schmerzen empfinden, müssen wir eine Verletzung haben – aber wie die Forschung zeigt, ist dies nicht immer der Fall.
„Bei Kindern können Schmerzen durch ihre Emotionen beeinflusst werden – zum Beispiel können Angst, Hunger oder Müdigkeit die Symptome verschlimmern, obwohl es sich dabei nicht um Schmerzen handelt.
„Kindern beizubringen, dass sie eine gewisse Kontrolle über ihre Schmerzen haben – und dass ihre eigenen Gefühle diese beeinflussen können – befähigt sie, sich aktiv mit ihrer eigenen Schmerzbewältigung auseinanderzusetzen.

„Das können Kinder altersgerecht lernen. Für ein sehr junges Kind könnte das ‚Schmerzmanagement‘ darin bestehen, ein Pflaster oder ein nasses Tuch zu bekommen, den verletzten Bereich zu reiben, es abzulenken und ihm zu erklären, dass seine Verletzung durch das Pflaster geschützt ist und dass es jetzt weiterspielen kann.

„Der Schlüssel ist zu zeigen, dass das Kind [..] aktiv am Heilungsprozess beteiligt sein kann.“
„Indem wir Kindern helfen, in jungen Jahren etwas über Schmerzen zu lernen, hoffen wir, ein lebenslanges ‚hilfreiches‘ Schmerzverhalten zu fördern, das die Genesung aktiv fördert und zukünftigen Problemen vorbeugt.“

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 17.08.2022