Coronapandemie: Mehr Fälle verfrühter Pubertät

Über eine im Mittel immer früher einsetzende Pubertät berichten Mediziner schon seit einigen Jahrzehnten. Die Coronapandemie hat diesen Effekt offenbar nun noch deutlich verstärkt. „Es wurden 20–30 % mehr Fälle verfrühter Pubertät erfasst“, sagte Bettina Gohlke von der Universitätskinderklinik Bonn. Das Phänomen sei weltweit aufgefallen, entsprechende Daten gebe es aus Europa ebenso wie aus den USA und China (Diabetes, Obesity and Metabolism 2023).

Als verfrühte Pubertät – Pubertas praecox genannt – wird die Entwicklung äußerer Sexualmerkmale bei Jungen vor dem vollendeten 9. und bei Mädchen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr bezeichnet. Bei den Mädchen entwickelt sich dann unter anderem die Brust – eine Vermutung zum Coronaeffekt war darum, dass die frühere Entwicklung den Eltern eher auffiel, weil sie im Zuge von Schulschließungen und Homeoffice mehr Zeit mit ihren Kindern verbrachten. Möglich sei auch ein Zusammenhang mit höherer psychosozialer Belastung, erklärte Kinderendokrinologin Gohlke. Frühere Studien hätten gezeigt, dass Kinder in solchen Situationen körperlich früher reiften.

Diskutiert werde zudem ein Gewichtseffekt: Viele Kinder aßen in der Pandemie mehr beziehungsweise bewegten sich merklich weniger – und Übergewicht gilt als einer der wichtigsten Faktoren für eine früh einsetzende Pubertät. „Aber auch, wenn das Gewicht herausgerechnet wurde, blieb ein Plus an Fällen von Pubertas praecox“, sagte Gohlke. „Vermutlich handelt es sich um einen multifaktoriellen Effekt.“ Unklar sei bisher, ob er sich mit dem Abklingen der Pandemie wieder verflüchtige.

Aktuell treffe eine verfrühte Pubertät Kinder aus sozial schwächeren Familien anteilig häufiger, weil sie öfter übergewichtig seien, sagt Günter Stalla, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). „Gesundheit hängt von sozialem Status und Bildung ab, das zeigt sich auch hier.“

Einfluss hat nach Annahme vieler Experten neben Übergewicht auch, dass Kinder heutzutage einem ganzen Cocktail hormonell wirkender Substanzen ausgesetzt sind. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Einfluss hat“, betont Gohlke. Das Problem sei der Mangel an Studien. Aus Tierversuchen ließen sich nur bedingt Rückschlüsse ziehen, klinische Studien am Menschen seien in dem Bereich nicht möglich.

„Die einsetzende Pubertät ist ein Wachstumsbeschleuniger“, erklärt Stalla. Vorzeitig pubertierende Kinder schießen also zunächst rascher in die Höhe – doch es gibt bei ihnen einen gegenläufigen Prozess, der zur Folge hat, dass sie im Mittel letztlich kleiner bleiben als später in die Pubertät startende. Die Sexualhormone, die das Wachstum zunächst beschleunigen, sorgen auch dafür, dass es verfrüht endet, indem die Wachstumsfugen geschlossen werden.

Neben solchen körperlichen Folgen kann es psychische geben, sagt Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE. Und das nicht nur deshalb, weil Kinder sich zum Beispiel für Brustwachstum oder Behaarung schämten: Mit einsetzender Pubertät veränderten sich auch die Art zu denken und die Gefühlswelt, was zu Problemen im Freundeskreis führen könne, erklärt Petersenn. „Man reift früher zu erwachsenem Denken heran.“ 

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe April 2024

Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Psychosomatische Beschwerden nehmen zu

Den Ergebnissen der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ zufolge geben die meisten der befragten Kinder und Jugendlichen eine hohe Lebenszufriedenheit an. Allerdings zeichnet sich unter anderem auch eine Zunahme psychosomatischer Beschwerden ab.

Die Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) gilt als eine der größten internationalen Untersuchungen zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Alle vier Jahre finden Befragungen statt, bei denen die jungen Menschen Auskunft zu ihrem Befinden geben. In die aktuelle Analyse der Daten aus Deutschland von 2022, veröffentlicht im Journal of Health Monitoring (DOI: 10.25646/11865), flossen die Angaben von 6 475 Schülerinnen und Schülern ein. Darunter waren 3 074 Jungen (47,5 Prozent), 3 258 Mädchen (50,3 Prozent) und 31 (0,5 Prozent) Personen ohne Geschlechtsangabe sowie, erstmals erfasst, 112 Genderdiverse (1,7 Prozent). Befragt wurden Heranwachsende im Alter von elf, 13 und 15 Jahren, die an 174 Schulen unterrichtet wurden.

„42 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen haben angegeben, dass sie vielfältige psychosomatische Beschwerden haben. Das ist ein Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zur Befragung von 2017/18“, sagte Dr. rer. biol. hum. Franziska Reiß vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der erfasste Anstieg sei enorm, vor allem im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Auch aus anderen Studien sei bekannt, dass psychische Belastungen in dieser Zeit stark zugenommen hatten, besonders bei Mädchen.

Ältere Jugendliche, Mädchen weniger zufrieden

Zu den regelmäßig auftretenden Beschwerden gehörten Gereiztheit, Einschlafprobleme, Nervosität, Niedergeschlagenheit, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel/Benommenheit sowie Bauchschmerzen. Dabei waren vor allem ältere Jugendliche, Mädchen und Genderdiverse betroffen. So berichten 51 Prozent der 15-Jährigen, 52 Prozent der Mädchen sowie 80 Prozent der Genderdiversen über multiple psychosomatische Symptome. Insgesamt zeigte sich ein konstante Zunahme über die vier Erhebungen von 2009/2010 bis 2022, die Daten von 21 788 Kindern und Jugendlichen aus Deutschland einschlossen.

Insgesamt schätzen die meisten Befragten (84 Prozent) ihre subjektive Gesundheit als gut ein. Ähnlich sah es für die Lebenszufriedenheit aus: 86 Prozent gaben sie als hoch an. Auch hier zeichnete sich ab, dass ältere Jugendliche, Mädchen und Genderdiverse diese Aspekte eher negativ bewerteten. Ungefähr jeder oder jede fünfte Jugendliche im Alter von 15 Jahren berichtete über eine eher schlechte subjektive Gesundheit (21 Prozent) und eine niedrige Lebenszufriedenheit (19 Prozent). Bei den Mädchen waren das 19 und 17 Prozent sowie bei den Genderdiversen 44 und 48 Prozent. Gegenüber der Befragung von 2017/2018 ließ sich eine leichte Verschlechterung nachweisen, nachdem im Verlauf der Befragungen von 2009/2010 bis 2017/2018 eine Verbesserung zu verzeichnen war.

Für die Einschätzung der Lebenszufriedenheit spielt die soziale Herkunft nach wie vor eine wichtige Rolle. „Wir haben auch 2022 klare Unterschiede und Ungleichheiten sehen können“, sagte Dr. PH Irene Moor von der Universität Halle. „Zum Beispiel gab ein Viertel der Kinder und Jugendlichen, die einen niedrigen familiären Wohlstand haben, auch an, eine niedrige Lebenszufriedenheit zu haben. Im Vergleich dazu sind es zehn Prozent derjenigen, die sozial privilegiert sind“, so Moor.

Mobbing bleibt ein Problem

Mobbing war ein weiteres Thema, das in der Studie untersucht wurde. Dr. phil. Saskia Fischer von der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg bezeichnete die Ergebnisse als „problematisch“. Mobbing habe schwerwiegende Konsequenzen, nicht nur für die schulischen Leistungen. „Es ist auch ein deutliches Gesundheitsrisiko“, betonte Fischer. 2022 hätten 14 Prozent der Befragten angegeben, dass sie aktive Erfahrungen mit Mobbing machen. Das schließe ein, dass sie im schulischen Kontext gemobbt werden, Mobbing ausüben oder in beiden Rollen aktiv sind. Cybermobbing betreffe nur etwa die Hälfte (sieben Prozent), was allerdings eine Zunahme gegenüber der Erhebung von 2017/2018 bedeutet. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil vier Prozent. Beim schulischen Mobbing blieben die Raten verglichen mit der vorherigen Erhebung von 2017/2018 sowohl bei den Gemobbten als auch bei den Mobbenden ungefähr gleich. Um Mobbing, aber auch gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden auszugleichen, brauche es Maßnahmen, die sich speziell an die betroffenen Zielgruppen richten, so Fischer.

Die Forschenden beschäftigte sich auch mit der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen, das heißt wie sie mit Informationen über Gesundheitsthemen umgehen können. Bei etwa einem Viertel (24 Prozent) ist die Kompetenz als niedrig einzustufen. Das bedeutet eine Zunahme um etwa drei Prozent gegenüber der Analyse von 2017/2018. Die häufigsten Schwierigkeiten traten auf:

  • beim Vergleich von Gesundheitsinformationen aus verschiedenen Quellen,
  • bei der Entwicklung von Ideen, um die Gesundheit zu verbessern sowie
  • bei der Bewertung von Informationen im Sinne von richtig und falsch.

Ein erhöhtes Risiko für eine geringe Gesundheitskompetenz hatten Jüngere und Genderdiverse. Das galt auch für Kinder und Jugendliche, die eine andere Schulform als ein Gymnasium besuchten, sowie mit niedrigem familiären Wohlstand. Kinder mit wenig Gesundheitswissen hätten häufiger psychosomatische Beschwerden, sagte Ronja Maren Helmchen von der Hochschule Fulda. Der kompetente Umgang mit solchen Informationen sei ein wichtiger Punkt, wenn es darum gehe, dass Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen, betonte sie.

Darüber hinaus zeigte die aktuelle Analyse, dass sich die meisten Kinder und Jugendlichen nach wie vor viel zu wenig bewegen. Die Daten zu körperlicher Aktivität seien ernüchternd, sagte Prof. Dr. PH Jens Bucksch von der Universität Heidelberg. Nur elf Prozent der Mädchen und 21 Prozent der Jungen erreichen die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Unter den Genderdiversen sind es zwölf Prozent. Der WHO zufolge sollten sich Heranwachsende täglich mindestens 60 Minuten mit wenigstens moderater Intensität, zum Beispiel Radfahren mit 15 Kilometer pro Stunde, körperlich aktiv betätigen. „Ein zweiter eklatanter Befund ist, dass es im Altersverlauf zwischen elf und 15 Jahren noch einmal zu einem massiven Verlust an Bewegung kommt, dabei sind wir ja eigentlich schon am unteren Ende“, so Bucksch. So erreichten von den elfjährigen Mädchen noch 15 Prozent die Empfehlung. „Bei den 15-Jährigen sind wir nur noch bei sieben Prozent. Das ist quasi fast niemand mehr“, so der Wissenschaftler. Die körperliche Aktivität ist laut Studie bei Jungen in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, bei Mädchen hat sie leicht abgenommen.

Thema Gesundheit an Schulen stärken

Der Wissenschaftler Prof. Dr. phil. Kevin Dadaczynski von der Hochschule Fulda forderte, das Thema Gesundheit viel stärker in Schulen zu verankern. Hier brauche es eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Es dürfe nicht nur Sache einzelner, engagierter Schulen sein, sich mit Gesundheitsfragen zu beschäftigen. Dies führe zu einer weiteren Verstärkung von sozialen Unterschieden. 

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe April 2024

Kinder und Jugendliche: Problematische Mediennutzung nimmt weiter zu

Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt ein riskantes Nutzungsverhalten von sozialen Medien. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Etwa 1,3 Millionen Mädchen und Jungen bewegen sich demnach in einem gefährlichen Nutzungsbereich – dreimal so viele wie noch 2019.

Der Analyse zufolge verbringen Kinder und Jugendliche an einem Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden – gegenüber 191 Minuten im Jahr 2019.

Der Untersuchung zufolge berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung auch häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehlten ihnen Regulierungsstrategien, um mit den negativen Emotionen und Stress umzugehen. „Es beginnt ein Teufelskreis, erläuterte Prof. Dr. Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE: „Psychisch belastete Jugendliche neigen oftmals vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten bei sozialen Medien. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung jedoch zu neuen Problemen und erhöhten psychischen Belastungen.“ Persönliche, familiäre und schulische Ziele träten in den Hintergrund und alterstypische Entwicklungsaufgaben würden nicht angemessen gelöst.

Insgesamt einig waren sich die Fachleute darüber, dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch die der Eltern gefördert werden müsse. Zudem könne ein Mediensuchtscreening in kinder- und jugendärztlichen Praxen dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe März 2024

Frühgeburt erhöht nicht das Autismus-Risiko

Der Zusammenhang zwischen Frühgeburt und Autismus gilt als umstritten. Eine israelische Langzeitstudie zeigt, dass Frühgeburtlichkeit sich nicht auf das Risiko einer Autismus-Spektrum-Störung beim Kind auswirkt.

Frühgeborene tragen generell ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, zu denen auch die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zählt. Dr. Sapir Ellouk von der renommierten Soroka Universitätsklinik und ihr Team untersuchten im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Langzeitstudie, inwieweit eine Frühgeburt zur ASS-Diagnose beiträgt.

Hierzu analysierte das Forscherteam die Daten zu 139.859 Schwangerschaften aus den Jahren 2005 bis 2017. Basierend auf dem Geburtszeitraum suchten die Forschenden mit verschiedenen statistischen Methoden nach auffälligen Häufungen von ASS-Diagnosen bei Kindern, die früh frühgeboren (vor der 34. Woche), spät frühgeboren (34.–37. Woche) oder zum Termin geboren (37. –42. Woche) wurden.

Autismus tritt unabhängig von Frühgeburtlichkeit gleich häufig auf

Signifikante Unterschiede im Zusammenhang mit früher oder später Frühgeburtlichkeit fand das Forscherteam nicht. Auch die Anpassungen an ethnische Zugehörigkeit, Alter der Mutter, Geschlecht des Kindes und Mangelgeburt (zu klein/leicht für Schwangerschaftswoche) beförderten keine signifikanten Unterschiede zutage zwischen Frühgeborenen und zum Termin Geborenen.

Das Forscherteam geht daher davon, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Frühgeburt und der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung gibt.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 12.04.2024

Rauchrückstände in der Wohnumgebung können Kindern schaden

Forscher*innen testeten die Oberflächen in Raucherhaushalten, in denen Kinder leben, und fanden beunruhigende Ergebnisse.

Amerikanische Wissenschaftler*innen untersuchten, ob in Wohnräumen, in denen Raucher*innen leben, giftige Tabaknebenprodukte (Thirdhand Smoke) auf Oberflächen wie Möbeln, Wänden und Böden zurückbleiben.
Sie kamen zu besorgniserregenden Ergebnissen, erklärte Ass.-Prof. Dr. Ashley Merianos von der University of Cincinnati, die die Studie leitete. Sie und ihre Kolleg*innen fanden Nikotin auf Oberflächen in allen Wohnräumen und stellten in fast der Hälfte der Häuser das Vorhandensein eines tabakspezifischen Karzinogens (NNK: Nicotine-derived nitrosamine ketone) fest. NNK ist eines der wichtigsten tabakspezifischen Nitrosamine, die aus Nikotin entstehen. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung.

Die Studie berichtete, dass die NNK-Werte auf Oberflächen und aufgesaugtem Staub ähnlich waren, was laut Merianos darauf hindeutet, dass Oberflächen und Staub Quellen für den Kontakt mit Thirdhand Smoke für Kinder sein könnten.
„Dies ist von entscheidender Bedeutung und besorgniserregend, da NNK als das stärkste Karzinogen für durch Tabak verursachte Krebsarten gilt“, verdeutlichte Merianos.

Weitere Erkenntnisse sind:

  • Bei Kindern, die in einkommensschwächeren Haushalten lebten, wurden höhere NNK- und Nikotinwerte auf Oberflächen in den Wohnräumen festgestellt.
  • Bei Kindern, die in Haushalten lebten, in denen das Rauchen in Innenräumen nicht verboten war, wurden auf Oberflächen höhere NNK- und Nikotinwerte ermittelt.

Merianos sagte, dass NNK und Nikotin immer noch in Häusern mit freiwilligem Rauchverbot in Innenräumen (wo z.B. nur auf dem Balkon geraucht wurde) nachgewiesen wurden. „Diese Untersuchung zeigt, dass Rauchverbote zu Hause Kinder und ihre Familien nicht vollständig vor den Gefahren des Tabaks schützen“, fügte sie hinzu.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 20.03.2024

Neue Erkenntnisse zur menschlichen Gehirnentwicklung: Forschende identifizieren geschlechtsspezifische Unterschiede

Forschende des Universitätsklinikums Tübingen haben gemeinsam mit internationalen Forschungspartnern aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen: Die neuronale Komplexität der Gehirnaktivität verändert sich vom späten Stadium der Schwangerschaft bis in die frühe Kindheit anders als erwartet und zudem mit geschlechtsspezifischen Unterschieden.

Bereits in den frühen Phasen des Lebens zeigen sich je nach Entwicklungsstadium signifikante Unterschiede in der Art und Weise, wie das Gehirn Signale und Informationen aufnimmt und verarbeitet. Eine gestörte Entwicklung kann dauerhafte Folgen haben und zu psychischen Erkrankungen führen.

In der internationalen Studie hat das Team untersucht, wie das menschliche Gehirn auf äußere Reize, wie beispielsweise Tonsequenzen, reagiert, sowohl vor als auch nach der Geburt. Gemessen werden konnten die Reaktionen des Gehirns mit der fetalen Magnetenzephalographie (fMEG), die nicht-invasiv an der Oberfläche des Bauches der Mutter die Gehirnaktivität schon im Mutterleib misst. Die Sensoren befinden sich unter einer Messschale, die optimal an die Form des mütterlichen Bauches angepasst ist. „Sensorische Stimulation bietet uns eine einzigartige Möglichkeit, zu beobachten, wie junge Gehirne Informationen von außen verarbeiten. Und das auf eine vollkommen sichere Weise“, erklärte Prof. Dr. Hubert Preissl vom fMEG-Zentrum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München.

Erkrankungen frühzeitig erkennen und therapieren

Die Hypothese der Forschenden: Je weiter sich das Gehirn entwickelt, desto komplexer sind die neuronalen Reaktionen auf Reize von außen. Überraschenderweise zeigen die Ergebnisse, dass die Komplexität der neuronalen Antworten abnimmt, und zwar in geschlechtsspezifisch unterschiedlichem Tempo. Diese Unterschiede könnten Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Entwicklungsstörungen bei Jungen und Mädchen in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. „Zunächst war ich ziemlich überrascht“, gab Dr. Joel Frohlich vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie zu. „Instinktiv hatte ich angenommen, dass mit der Reifung des Gehirns auch seine Aktivität komplexer werden würde.“ Jedoch erscheint es sinnvoll, dass reifende Gehirnverbindungen auf externe Reize mit strukturierteren Mustern reagieren. Ein entwickelteres Gehirn ist also geordneter und hat dadurch weniger Möglichkeiten, auf denselben Reiz in unterschiedlicher Weise zu reagieren.

Das Forscherteam aus Tübingen plant, den Zusammenhang zwischen den beobachteten Gehirnmustern und der langfristigen psychischen Gesundheit weiter zu erforschen. „Je früher wir das Risiko für die Entwicklung neuropsychiatrischer und metabolischer Störungen identifizieren, desto effektiver können wir die Gehirnentwicklung unterstützen, um schwerwiegende Krankheitsverläufe zu verhindern“, verdeutlichte Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für zukünftige präventive Maßnahmen und Behandlungsstrategien ebnen, die das Forschungsteam auch im Rahmen des Zentrums für Bionic Intelligence und des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit erforscht. An der Studie wesentlich beteiligt waren Dr. Joel Frohlich, Dr. Julia Moser, Dr. Katrin Sippel, Dr. Pedro Mediano, Prof. Dr. Hubert Preissl und Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Tübinger Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 15.03.2024

Gehirnerschütterungen können Risiko für psychische Störungen erhöhen

Laut einer in „Pediatrics“ veröffentlichten Studie kann ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma bzw. eine Gehirnerschütterung das Risiko für affektive und Verhaltensstörungen bei Kindern erhöhen. Die Gefahr, dass in der Folge eine affektive Störung diagnostiziert wird, nimmt demnach um 25% zu, und für eine posttraumatische depressive Störung um 17%.

Dr. Richard Delmonico, PhD, Direktor für Neuropsychologie am Kaiser Foundation Rehabilitation Center in Vallejo, Kalifornien, und seine Kolleg*innen identifizierten Patient*innen im Alter von 17 Jahren oder jünger, die zwischen 2011 und 2014 im Kaiser Permanente-Gesundheitssystem wegen einer Gehirnerschütterung untersucht wurden. Alle anderen Patient*innen im Kaiser Permanente-Gesundheitssystem aus dieser Zeit in diesem Alter zogen sie als Vergleichspatient*innen heran.

„Wir haben […] das Auftreten neuer psychischer Störungen nach einer Gehirnerschütterung untersucht, um die Entwicklung von Stimmungs- und Verhaltensstörungen bei jungen Menschen nach einer Gehirnerschütterung mit nicht verletzten Kontrollpersonen zu vergleichen“, erklärte Dr. Brian Theodore, PhD, Forschungswissenschaftler im Rehabilitationszentrum der Kaiser Foundation.

Insgesamt werteten sie die elektronischen Gesundheitsakten von 18.917 Kindern aus und untersuchten die Gruppen, bei denen psychische Probleme innerhalb von vier Jahren nach dem Vorfall auftraten.
Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Patient*innen nach einer Gehirnerschütterung eine affektive Störung diagnostiziert wurde, zu der Depression, Angstzustände, posttraumatische Belastungsstörungen und akuter Stress gehörten, war um 25 % höher.

Im Alter von 10 bis 13 Jahren sind Heranwachsende anscheinend besonders anfällig

Posttraumatische depressive Störungen waren bei Patient*innen nach einer Gehirnerschütterung um 17% wahrscheinlicher, insbesondere bei Kindern im Alter von 10 bis 13 Jahren. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb von zwei Jahren eine Depression diagnostiziert wurde, um über 40% höher im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen. Bei Angststörungen war die Wahrscheinlichkeit, dass jungen Menschen nach einer Gehirnerschütterung diese entwickelten, um 14% höher. Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren hatten ein noch höheres Risiko, wobei die Wahrscheinlichkeit, zwei Jahre nach der Verletzung eine Angststörung zu entwickeln, um 42% höher war.

„Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von regelmäßigen Nachuntersuchungen bezüglich affektiver Störungen und Verhaltensstörungen bei Kindern mindestens zwei Jahre nach einer Gehirnerschütterung“, verdeutlichte Delmonico.
Die Autor*innen kamen zu dem Schluss, dass bei Kindern nach einer Gehirnerschütterung ein erhöhtes Risiko besteht, psychische und verhaltensbezogene Gesundheitsprobleme zu entwickeln, insbesondere bei Kindern im Alter von 10 bis 13 Jahren, bei denen das Risiko für die Entwicklung von Depressionen, Angststörungen und Anpassungsstörungen am höchsten ist.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 11.03.2024

Häufige Beweggründe für Drogeneinnahme bei Jugendlichen: Neugier und Wunsch nach Entspannung

Das Streben nach Entspannung sowie Experimentieren mit Neuem sind die häufigsten Gründe für den Substanzkonsum bei Jugendlichen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung amerikanischer Jugendlicher, die sich aufgrund einer Drogensucht in Behandlung befanden.

Der Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR) des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) veröffentlichte die Ergebnisse einer Umfrage unter Jugendlichen mit Suchtproblemen. Den Autor*innen zufolge führten sie die Befragung durch, da der Konsum von Drogen typischerweise im Jugendalter beginnt. Ziel war es, die Beweggründe dafür zu finden, warum Jugendliche zu Suchtmitteln greifen. Mithilfe der daraus gewonnenen Erkenntnisse hoffen die Forscher*innen, Strategien zur Prävention erarbeiten zu können.

Die Teilnehmer*innen befanden sich im Alter von 13 bis 18 Jahren. Vom 1. Januar 2014 bis zum 28. September 2022 wurden Jugendliche zu ihrem Konsum von Marihuana, Alkohol oder anderen Drogen in den letzten 30 Tagen interviewt.

Folgende Suchtmittel wurden erfasst:

  • Alkohol
  • Marihuana
  • Haschisch oder Tetrahydrocannabinol (THC)
  • Andere Drogen als Alkohol oder Marihuana und deren Missbrauch
  • Verschreibungspflichtige Schmerzmittel
  • Verschreibungspflichtige Stimulanzien
  • Verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel

Für jede der 6 Kategorien sollten Jugendliche angeben, warum sie dazu gegriffen hatten. Sie konnten unter 15 Antwortmöglichkeiten auswählen. Die Befragten wurden gebeten, alle zutreffenden Antworten anzukreuzen.
84% der Teilnehmenden konsumierten Marihuana, gefolgt von Alkohol (49% der Befragten). Über 20% der Jugendlichen gaben an, nicht verschreibungspflichtiger Medikamente einzunehmen, wobei Schmerzmittel am häufigsten genannt wurden (13%), gefolgt von verschreibungspflichtigen Beruhigungsmitteln (11%) und verschreibungspflichtigen Stimulanzien (9%).

Sich ruhig oder entspannt zu fühlen waren die am häufigsten genannten Gründe für den Substanzkonsum (73%). Die Hälfte der Teilnehmer*innen gab an, dass sie Substanzen konsumierten, um Spaß zu haben oder zu experimentieren, 44% gaben an, dass sie Suchtmittel konsumierten, um einzuschlafen oder besser zu schlafen, und 44% berichteten, dass sie Substanzen konsumierten, um sich keine Sorgen mehr zu haben oder schlechte Erinnerungen zu vergessen.
„Etwas weniger Langweiliges“ zu machen, wurde von 41% der Proband*innen als Grund für den Substanzkonsum angegeben, und 40% erklärten, dass die Mittel ihnen bei Depressionen oder Angstzuständen helfen würden.
Den Ergebnissen zufolge wurden die Drogen am häufigsten zusammen mit Freunden eingenommen. Diese Auskunft erteilten 81% der Heranwachsenden. Nur 17% nahmen die Suchtmittel demnach mit „jemand anderem“ ein.

Überdosierung bei Beteiligten selten erkannt

MMWR gibt an, dass etwa 70% der tödlichen Überdosierungen bei Jugendlichen in Anwesenheit von jemanden auftreten, obwohl in den meisten Fällen keine Reaktion der Unbeteiligten dokumentiert ist.
„Todesfälle durch Überdosierung können durch eine auf Jugendliche zugeschnittene Aufklärung verhindert werden. Sie sollen Anzeichen einer Überdosierung besser erkennen und wissen, wie sie reagieren sollten […]“, erklärten die Studienautoren.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 06.03.2024

Selbst nikotinfreie E-Zigaretten können das Lungengewebe schädigen

E-Zigaretten werden oft als weniger schädliche Alternative zum Rauchen vermarktet, doch eine neue Studie stellt dies infrage – auch bei E-Zigaretten, die kein Nikotin enthalten.

Forscherinnen der Anglia Ruskin University (Großbritannien) untersuchten im Labor genau, wie eine gängige Marke nikotinfreier E-Zigaretten auf Zellen des Lungengewebes beim Menschen wirkte, und stellten fest, dass auch hier oxidativer Stress auftrat.

Oxidativer Stress entsteht, wenn die natürliche Reaktion der Zellen auf Sauerstoff aus dem Gleichgewicht gerät, was zu Fehlfunktionen und Schädigung der Zellen führt. Zugleich beobachteten die Wissenschaftler*innen verstärk auftretende Entzündungsreaktionen und Beeinträchtigungen der Funktion der Blutgefäße– eine Kombination, die oft mit Verletzungen im Lungengewebe einhergeht.

„Nikotinfreies E-Zigaretten-Fluid hat nachweislich die gleiche chemische Zusammensetzung wie nikotinhaltiges Fluid, außer dass es kein Nikotin enthält“, verdeutlichte die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Havovi Chichger von der Anglia Ruskin University.

Lungengewebe und Blutgefäße betroffen

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Exposition gegenüber nikotinfreier Vape-Flüssigkeit ähnliche negative und entzündungsfördernde Wirkungen auf menschliche mikrovaskuläre Endothelzellen [kleinste Gefäße] hat.“
Durch den Vergleich nikotinfreier Produkte mit E-Zigaretten der gleichen Marke, die tatsächlich Nikotin enthielten, stellten die Forscher*innen fest, dass das Fehlen von Nikotin die E-Zigaretten nicht unbedingt wesentlich besser für das Lungengewebe macht.

In den Zellen, die nikotinfreier E-Zigaretten-Flüssigkeit ausgesetzt waren, fand das Team eine ungewöhnliche Häufung eines bestimmten Proteins namens ARF6, das im Labor für die Schädigung des Lungengewebes verantwortlich zu sein schien.

Dieses Protein wurde in der Vergangenheit nicht mit Rauchen oder Lungenverletzungen in Verbindung gebracht. Es ist jedoch bekannt, dass es dafür sorgt, dass die Blutgefäße des Körpers ordnungsgemäß funktionieren.
„Weitere Untersuchungen sind von entscheidender Bedeutung, um den Zusammenhang zwischen dem ‚Dampfen‘ nikotinfreier E-Zigaretten und möglichen Lungenschäden in den kommenden Jahren zu ermitteln“, betonte Chichger.
Die Expertinnen gaben an, dass sie besonders daran interessiert seien, wie E-Zigaretten das Risiko für das akute Atemnotsyndrom (ARDS: Acute Respiratory Distress Syndrome) erhöhten, ein Problem, das häufig bei Rauchern auftritt und durch Schäden an Blutgefäßen in der Lunge verursacht wird.

Eine kürzlich durchgeführte Studie, in der auch E-Zigaretten ohne Nikotin verwendet wurden, hat gezeigt, dass bereits der einmalige Konsum einer E-Zigarette Auswirkungen auf die Blutgefäße und den Blutkreislauf haben könnte. Dies deutet darauf hin, dass der potenzielle Schaden weit über die Lunge hinausgeht.

„Angesichts der steigenden Zahl von Rauchern, insbesondere bei jungen Teenagern, ist das ‚Dampfen‘ ein erhebliches Gesundheitsproblem, und die Erforschung seiner gesundheitlichen Auswirkungen befindet sich noch in einem frühen Stadium“, gibt Chichger zu bedenken.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 16.02.2024

Lernen: Schreiben mit der Hand besser als Tippen auf einer Tastatur

Neue Forschungsergebnisse aus Norwegen zeigen, dass das Schreiben mit der Hand zu einer höheren Gehirnkonnektivität und damit auch zu einem besseren Lerneffekt führt als das Tippen auf der Tastatur. Den Expert*innen der Studie zufolge unterstreicht dies die Bedeutung des Schreibens mit einem Stift in der Schule.

Da digitale Geräte Stift und Papier zunehmend ersetzen, machen immer weniger Schüler*innen und Student*innen handschriftliche Notizen. Tippen ist oft schneller als das Schreiben mit der Hand. Doch verbessert Letzteres die Rechtschreibgenauigkeit und das Erinnerungsvermögen.

Um herauszufinden, ob der Prozess der Buchstabenbildung per Hand zu einer besseren Gehirnkonnektivität (Aktivität und Verbindung zwischen verschiedenen Gehirnregionen) führt, untersuchten norwegische Forscher*innen nun die zugrunde liegenden neuronalen Netze, die an beiden Schreibweisen beteiligt sind.

„Wir belegen, dass beim Schreiben mit der Hand die Konnektivitätsmuster des Gehirns weitaus ausgefeilter sind als beim Schreiben mit der Tastatur“, verdeutlichte Prof. Dr. Audrey van der Meer, Hirnforscherin an der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim (Norwegen), und Mitautorin der in „Frontiers in Psychology“ veröffentlichten Studie. „Es ist bekannt, dass eine solch umfassende Gehirnkonnektivität für die Gedächtnisbildung und die Verarbeitung neuer Informationen von entscheidender Bedeutung ist und daher für das Lernen von Vorteil ist.“

Stift übertrumpft Tastatur beim Einprägen

Die Wissenschaftler*innen sammelten EEG-Daten (EEG: Elektroenzephalografie, Messung der Hirnströme) von 36 Student*innen, die wiederholt aufgefordert wurden, ein Wort, das auf einem Bildschirm erschien, entweder zu schreiben oder am PC einzugeben. Beim Schreiben nutzten sie einen digitalen Stift, um direkt auf einem Touchscreen in Kursivschrift zu schreiben. Beim Tippen verwendeten sie einen einzelnen Finger, um Tasten auf einer Tastatur zu drücken. Bei jeder Eingabeaufforderung wurden fünf Sekunden lang EEGs mit hoher Dichte aufgezeichnet, bei denen die elektrische Aktivität im Gehirn mithilfe von 256 kleinen Sensoren gemessen wurde, die in ein Netz eingenäht waren, das die Teilnehmer*innen wie eine Haube über den Kopf stülpten.
Die Konnektivität verschiedener Gehirnregionen nahm zu, wenn die Teilnehmer*innen mit der Hand schrieben, nicht jedoch, wenn sie tippten. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass visuelle und Bewegungsinformationen, die durch präzise kontrollierte Handbewegungen bei der Verwendung eines Stifts gewonnen werden, erheblich zu den Verbindungsmustern des Gehirns beitragen, die das Lernen fördern“, erklärte van der Meer.
Bewegung verfestigt Erinnerung
Obwohl die Teilnehmer*innen digitale Stifte zum Schreiben mit der Hand verwendeten, nehmen die Forscher*innen an, dass die Ergebnisse vermutlich gleich ausfallen würden, wenn sie einen echten Stift auf Papier verwendeten. „Wir haben gezeigt, dass die Unterschiede in der Gehirnaktivität mit der sorgfältigen Aufzeichnung der Buchstaben beim Schreiben mit der Hand und gleichzeitiger stärkerer Nutzung mehrerer Sinne zusammenhängen“, erklärte van der Meer. Da es die Bewegung der Finger beim Formen von Buchstaben ist, die die Gehirnkonnektivität fördert, dürfte das Schreiben in Druckbuchstaben ähnliche Vorteile für das Lernen haben wie das Schreiben in Schreibschrift.

Im Gegensatz dazu ist die einfache Bewegung, wiederholt mit demselben Finger eine Taste zu drücken, weniger stimulierend für das Gehirn. „Das erklärt auch, warum Kinder, die das Schreiben und Lesen mit einem Tablet gelernt haben, beim Unterscheiden von spiegelbildlichen Buchstaben wie „b“ und „d“ Schwierigkeiten haben, diese voneinander zu unterscheiden. Sie haben mit ihrem Körper buchstäblich nicht gespürt, wie es sich anfühlt, diese Buchstaben zu erstellen“, so van der Meer.

Bei Schreibweisen bieten situationsabhängig Vorteile

Ihre Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit, Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, Stifte zu verwenden, anstatt sie während des Unterrichts tippen zu lassen, betonten die Forscher*innen. Richtlinien, die sicherstellen, dass die Schüler*innen zumindest ein Minimum an Unterricht für Schreibschrift erhalten, könnten ihrer Ansicht nach ein angemessener Schritt sein. So wurde zum Jahresbeginn in vielen US-Bundesstaaten das Schreibtraining wieder eingeführt.

Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, mit den sich ständig weiterentwickelnden technologischen Fortschritten Schritt zu halten, mahnten sie. Dazu gehört das Bewusstsein dafür, welche Schreibweise unter welchen Umständen mehr Vorteile bietet. „Es gibt Hinweise darauf, dass Studierende mehr lernen und sich besser erinnern, wenn sie handschriftliche Vorlesungsnotizen anfertigen, während die Verwendung eines Computers mit Tastatur beim Schreiben eines langen Textes oder Aufsatzes praktischer sein kann“, schloss van der Meer.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 07.02.2024