Psychische Erkrankungen: Sozial schwache Mädchen suchen seltener Behandlung

Psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind 2022 einer neuen Analyse zufolge auf einem hohen Niveau geblieben. Nach Anstiegen seit der Coronapandemie gab es 2022 im Vergleich zu 2021 zwar leichte Rückgänge in den ambulanten und stationären Behandlungszahlen, wie eine Auswertung der DAK-Gesundheit unter ihren Versicherten ergab. Demnach erhielten 2022 elf Prozent weniger jugendliche Mädchen eine Neudiagnose in diesem Bereich als 2021. Bei Jungen gab es einen Rückgang von fünf Prozent. Trotzdem seien immer noch mehr Jugendliche betroffen als vor der Coronapandemie – insbesondere Mädchen. Hier gab es 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ein Plus von sechs Prozent. Insgesamt wurde 2022 bei rund 110 000 jugendlichen Mädchen eine psychische Erkrankung oder Verhaltensstörung neu diagnostiziert. Den Daten zufolge leiden Mädchen am stärksten unter Depressionen, Angststörungen und Essstörungen.

Große Unterschiede gibt es dem Bericht nach zwischen Arm und Reich: Jugendliche Mädchen aus sozial benachteiligten Haushalten würden seltener bei psychischen Erkrankungen behandelt als Mädchen aus wohlhabenden Haushalten. So sank die Diagnose Depression bei sozial benachteiligten Mädchen 2022 nahezu wieder auf das Vor-Pandemieniveau. Bei Mädchen aus der Mittel- und Oberschicht gab es hingegen ein Plus von 29 und 28 Prozent. „Eine Vermutung ist, dass Jugendliche aus sozial schwächeren Milieus nicht grundsätzlich weniger psychisch krank sind. Sie suchen nur seltener eine Behandlung auf“, sagte Prof. Dr. med. Christoph Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité. Die Sorge bestehe, dass sozial benachteiligte Heranwachsende nicht die gleichen Behandlungschancen haben. 

Quelle: PP 22, Ausgabe Dezember 2023