Suchtberatung: Neuer digitaler Zugangsweg

Die digitale Beratungsplattform DigiSucht soll einen neuen niedrigschwelligen Zugang zur anonymen und kostenfreien Suchtberatung bieten. Mitte Oktober 2022 ging bundesweit das umfassende professionelle Beratungsangebot für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige online. Das Angebot soll die Möglichkeit bieten, sich anonym zu registrieren und ein umfassendes Beratungsangebot digital zu nutzen, das sich von jedem handelsüblichen Endgerät (Smartphone, Tablet, Laptop) aus abrufen lässt.

Die Onlineplattform bietet ein trägerübergreifendes hybrides Beratungskonzept, welches zum einen die Möglichkeit der digital gestützten Beratung vor Ort (Blended Counseling) und zum anderen ein Repertoire an digitalen Tools vorweist, das Nutzerinnen und Nutzer umfassende Informationen und Selbsttests anbietet. Die Plattform startet derzeit ihre bundesweite Modellphase mit den Themenfeldern Alkohol, Cannabis und Glücksspiel. Im Verlauf der Entwicklung der Plattform sollen weitere Themen hinzukommen. Ziel der Plattform DigiSucht ist es, die ambulante Suchtberatung durch ein digitales Angebot zu unterstützen und weitere Zugangswege zu schaffen.

Bei DigiSucht handelt es sich um ein vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördertes Projekt, welches der Bevölkerung in 14 Bundesländern zur Verfügung steht. Technisch baut die DigiSucht-Plattform auf eine Open-Source-Software des Deutschen Caritasverbands (DCV) auf, deren Entwicklung ebenfalls durch Mittel des Bundes gefördert wurde. Im Rahmen der Modellphase bis Ende September 2023 wird die DigiSucht-Plattform getestet und parallel evaluiert. Entsprechend der Anforderungen und Bedarfe von Ratsuchenden und Fachkräften soll die Plattform kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt werden. 

Quelle: www.aerzteblatt.de/ PP 21, Ausgabe November 2022

Psychotherapie: Bedarf 40 Prozent höher als vor der Pandemie

Der Bedarf an Psychotherapie für Kinder und Jugendliche liegt einer Umfrage zufolge immer noch 48 Prozent über dem Niveau von vor der Pandemie, wenngleich der Bedarf leicht gesunken ist. Das teilte die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) auf Grundlage einer Erhebung unter ihren Mitgliedern mit. Die befragten 2 270 Vertragspsychotherapeutenpraxen gaben an, über alle Altersgruppen hinweg wöchentlich im Schnitt neue 6,9 Anfragen zu erhalten.

Damit lag die Zahl der Patientenanfragen im Sommer 2022 weiterhin 40 Prozent über dem Wert von vor der Pandemie. „Der Anstieg, den wir schon 2021 beobachten konnten, ist praktisch unverändert“, erklärte der DPtV-Bundesvorsitzende Gebhard Hentschel. Der Leidensdruck durch Pandemie, Krieg und Klimakatastrophen komme bei den Menschen an.

Im Vergleich zwischen Januar 2020 und Juni 2022 gaben die Kassenpraxen einen Anstieg der Patientenanfragen von 42 Prozent an. Bei Privatpraxen stieg der Wert sogar um 62 Prozent. Vor allem in Großstädten ging der Wert im Vergleich zu vor der Pandemie um 48 Prozent nach oben. In kleineren Städten oder auf dem Land waren es 35 Prozent. Bereits ein Drittel der Befragten empfindet die gestiegene Nachfrage als sehr belastend.

Von den durchschnittlich 6,9 Menschen pro Woche, die anfragen, erhält nur rund jeder vierte Patient/Patientin einen Termin für eine Sprechstunde in der jeweiligen Praxis. Nur 3,5 Prozent erhalten ihn innerhalb einer Woche. 51 Prozent warten mehr als einen Monat. Drei Viertel der Patienten müssen weitere Praxen kontaktieren, um einen Termin zu bekommen. Eine Richtlinienpsychotherapie können Patienten in acht Prozent der Praxen binnen einem Monat nach ihrer Anfrage beginnen, in 30 Prozent binnen einem halben Jahr. 

Quelle: www.aerzteblatt.de/ PP 21, Ausgabe November 2022

Körperliche Bestrafung: Auswirkungen auf neuronale Systeme

Jahrzehntelange Forschung belegt, dass körperliche Strafen mit einer Verschlechterung der Gesundheit von Jugendlichen und negativen Auswirkungen auf ihr Verhalten, einschließlich eines erhöhten Risikos für Angstzustände und Depressionen, in Zusammenhang stehen. Eine aktuelle Studie untersuchte nun, welche Auswirkungen körperliche Strafen auf neuronale Systeme haben.

Körperliche Züchtigung kann einfach definiert werden als „vorsätzliches Zufügen von körperlichem Schmerz mit beliebigen Mitteln zum Zwecke der Bestrafung, Korrektur, Disziplinierung, Unterweisung oder aus irgendeinem anderen Grund“. Diese Gewalt, insbesondere wenn sie von einem Elternteil zugefügt wird, ruft komplexe emotionale Reaktionen hervor. Die Forscher:innen unter der Leitung von Dr. Kreshnik Burani, MS, in Zusammenarbeit mit Dr. Greg Hajcak, PhD, beide von der Florida State University, wollten die neuronalen Grundlagen dieser Auswirkungen verstehen.

Die Studie erschien in der Fachzeitschrift „Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging“.

Die Experten und Expertinnen führten eine Längsschnittstudie an 149 Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren aus der Gegend von Tallahassee, Florida, durch. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollten eine Videospiel-ähnliche Aufgabe und ein monetäres Ratespiel lösen, während sie sich einer Elektroenzephalographie bzw. einem EEG unterzogen – einer nicht-invasiven Technik zur Messung der Gehirnwellenaktivität. Aus den EEG-Daten ermittelten die Forscher zwei Werte für jeden Teilnehmer – einer, der ihre neuronale Reaktion auf Fehler widerspiegelt, und der andere, der ihre neuronale Reaktion auf Belohnung widerspiegelt.

Zwei Jahre später füllten die Probanden und Probandinnen sowie ihre Eltern eine Reihe von Fragebögen aus, um auf Angst und Depression zu screenen und den Erziehungsstil zu beurteilen. Wie erwartet, entwickelten Kinder, die körperliche Bestrafung erfahren hatten, eher Angstzustände und Depressionen.

„Unsere Arbeit repliziert zunächst den bekannten negativen Effekt, den körperliche Züchtigung auf das Wohlbefinden eines Kindes hat: Wir fanden heraus, dass körperliche Züchtigung mit erhöhter Angst und depressiven Symptomen im Jugendalter verbunden ist. Unsere Studie geht jedoch noch weiter, und zeigt, dass körperliche Bestrafung die Gehirnaktivität und die neurologische Entwicklung beeinflussen kann“, so Kreshnik Burani, MS, Forscher, Florida State University. Demnach zeigen Jugendliche, die körperliche Bestrafung erfuhren, eine größere neuronale Reaktion auf Fehler und eine abgeschwächte Reaktion auf Belohnung.

„Insbesondere“, fügte Burani hinzu, „verbindet unser Artikel körperliche Bestrafung mit einer erhöhten neuralen Empfindlichkeit gegenüber Fehlern und einer verringerten neuralen Empfindlichkeit gegenüber Belohnungen in der Jugend. In früheren und laufenden Arbeiten mit Dr. Hajcak sehen wir, dass eine erhöhte neurale Reaktion auf Fehler mit Angst verbunden ist, während eine verminderte neuronale Reaktion auf Belohnungen mit Depression zusammenhängt. Körperliche Züchtigung könnte daher bestimmte neuronale Entwicklungswege verändern, die das Risiko für Angst und Depression erhöhen, indem sie Kinder hypersensibel gegenüber ihren eigenen Fehlern und weniger reaktiv auf Belohnungen und andere positive Ereignisse in ihrer Umgebung machen.“

Die Arbeit liefert neue Hinweise auf die neuronalen Grundlagen von Depressionen und Angstzuständen und könnte helfen, Interventionen für gefährdete Jugendliche zu entwickeln.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 13.01.2023

Vorschulkinder sollten keine Gewalt im Fernsehen beobachten

Beobachten Vorschulkinder gewalttätige Inhalte im Fernsehen, kann sich dies bis in die Jugendjahre negativ auswirken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie kanadischer und südafrikanischer Forscher:innen, die in Journal of Developmental and Behavioral Pediatrics veröffentlicht wurde.

Demnach hatten Kinder, die noch vor ihrer Schulzeit mit Gewalt im Fernsehen konfrontiert waren, im Jugendalter ein höheres Risiko für psychische und Schulprobleme. Betroffene Heranwachsende waren schneller emotional belastet, in der Schule weniger engagiert und motiviert, neigten zu Verhaltensstörungen und zogen sich eher sozial zurück im Vergleich zu Kindern, die in jungen Jahren keine Gewalt anschauen durften. „Vorschulkinder können noch nicht richtig zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Sie neigen dazu, sich mit Figuren im Fernsehen zu identifizieren. Wenn glorifizierte Helden Gewalt als Lösung von Problemen gegen Schurken einsetzen, ist die Botschaft für Kinder, dass dies ‚normal‘ sei. Kinder sind in diesem Alter leicht beeinflussbar. Das Vorschulalter ist anscheinend eine besonders sensible Phase, was den Kontakt mit Bildschirmmedien angeht“, schließt sich Dr. Monika Niehaus, Kinder- und Jugendärztin und Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), den Kommentaren der Studienautoren und  autorinnen an. Letztere warnen auch davor, dass die Idealisierung von Gewalt die Fähigkeit der Kinder, sich in Gemeinschaftseinrichtungen anzupassen, verringern könnte. Ähnlich wie das Erleben von Gewalt im richtigen Leben könnte das wiederholte Betrachten von Gewalt im Fernsehen immer wieder Angst und Stress auslösen. Kinder gewinnen den Eindruck, dass die Welt gefährlich und furchterregend ist. In ungewissen Situationen könnte dies dazu führen, dass Kinder schnell überreagieren.

„Der BVKJ rät Eltern dazu, Säuglinge und Kleinkinder unter drei Jahren ganz von Bildschirmmedien fernzuhalten und später die ersten Bildschirmerfahrungen ihrer Kinder zu begleiten“, erklärt Dr. Niehaus. Studien weisen darauf hin, dass je jünger die Kinder beim Kontakt mit Bildschirmmedien sind, je länger die tägliche Bildschirmzeit und die Bildschirmexposition insgesamt seit der Geburt ist, desto eher zeigen Kinder im Vorschulalter Autismus-ähnliche Verhaltensweisen bzw. „Pseudo-Autismus“. „Kinder, die sich schon früh mit Bildschirmen statt mit Bezugspersonen beschäftigen, fehlt es an Anregung, u.a. auch sprachlich und sozial. Bezugspersonen reagieren auf Kinder, sprechen mit ihnen. Ohne dieses Wechselspiel droht eine verzögerte Sprachentwicklung und es besteht die Gefahr, dass Kinder kaum soziale Fähigkeiten entwickeln – ähnlich wie autistische Kinder“, verdeutlicht Dr. Niehaus. Autistische Kinder haben u.a. Schwierigkeiten, Gefühle anderer zu erkennen, darauf zu reagieren und Blickkontakt zu halten, sie können sich schwer länger auf etwas konzentrieren.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 11.01.2023

10-Punkte-Paper veröffentlicht: So werden Kinder als Besuchende auf Intensivstationen besser einbezogen

Dürfen Kinder und Jugendliche Papa oder Mama, Oma oder Opa oder auch Freunde auf der Intensivstation oder in der Notaufnahme besuchen? Ist das nicht zu viel für ein Kind?

All die Kabel und Schläuche? Das Bangen um Leben und Tod? Seit vielen Jahren wird hierüber kontrovers diskutiert. Typische Kontra-Argumente sind etwa, dass Kinder durch die belastenden Eindrücke traumatisiert werden könnten oder wechselseitige Infektionsgefahr besteht. Es gibt aber auch viele Hinweise darauf, dass ein Besuch unter bestimmten Bedingungen gesundheitsförderlich sein kann – für alle Beteiligten!

Ein 33-köpfiges interdisziplinäres Experten-Team aus Österreich, Deutschland und der Schweiz hat innerhalb der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) nun einen Leitfaden als Hilfestellung rund um dieses Thema veröffentlicht – die in 10 Punkte gegliederte, konsentierten Empfehlungen „Kinder als Angehörige und Besuchende auf Intensivstationen, pädiatrischen Intensivstationen und in Notaufnahmen“.
„Das ist das erste Mal im europäischen Raum, dass Autoren aus der gesamten DACH-Region unter dem Mantel einer Fachgesellschaft eine solche Empfehlung verabschiedet haben“, freut sich Maria Brauchle. Die Diplom-Gesundheits- und Krankenpflegerin für Intensivpflege am Landeskrankenhaus Feldkirch in Österreich hat das Projekt angestoßen und ist eine von den drei federführenden Autoren. Adressieren soll das 57-seitige Meilenstein-Papier Mitarbeiter aller Professionen sowie Eltern und Sorgeberechtigte. Zudem soll es eine unverzichtbare Hilfestellung sowie ein roter Faden werden, um zukünftig einheitliche Besuchsregeln für Kinder entwickeln und implementieren zu können.

Die aufgeführten 10 Empfehlungen thematisieren alle dafür relevanten Punkte: Von der genauen Planung eines Kinderbesuches im interprofessionellen Team und die Stärkung elterlicher Kompetenzen bis hin zur Aufbereitung von kindgerechten Informationen und psychosozialer Unterstützung sowie Einbindung von Qualitäts- und Risikomanagement und einer Dokumentation von Kinderbesuchen.

Empfehlung 1: Den Besuch von Kindern im interprofessionellen Team planen
Empfehlung 2: Elterliche Kompetenzen stärken
Empfehlung 3: Kindgerechte Information sicherstellen
Empfehlung 4: Den Besuch von Kindern vorbereiten, begleiten und nachbereiten
Empfehlung 5: Psychosoziale Unterstützung anbieten
Empfehlung 6: In palliativen Situationen besonders begleiten
Empfehlung 7: In Notfallsituationen eine kindgerechte Begleitung ermöglichen
Empfehlung 8: Führung – den richtigen Rahmen für Kinderbesuche schaffen
Empfehlung 9: Qualitäts- und Risikomanagement einbinden
Empfehlung 10: Den Kinderbesuch und Angehörigengespräche dokumentieren

Drei Jahre Arbeit stecken in dem Meilenstein-Papier

Die Empfehlungen wurden von der Arbeitsgruppe „ICU Kids“ unter der Leitung von Maria Brauchle, Dr. Teresa Deffner und Dr. Peter Nydahl in Kooperation mit den DIVI-Sektionen psychologische Versorgungsstrukturen, Pflegeforschung und Pflegequalität, Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin, Ethik, Bewusstseinsstörungen und Koma, Sepsis und Infektiologie entwickelt. Nach intensiver Vorarbeit der drei federführenden Autoren hat dann das interdisziplinäre Gremium das vergangene halbe Jahr ungezählte Arbeitsstunden investiert, um fachlich jeden Winkel zu beleuchten. „Insgesamt haben wir zusammen rund drei Jahre an den Empfehlungen geschrieben“, rechnet Maria Brauchle nach.

So haben sich neben der DIVI die Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGiNA), die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), die deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie sowie die AETAS Kinderstiftung eingebracht. „Die Entstehung der Empfehlungen war eine wunderbare Teamarbeit, geprägt durch unglaubliche Disziplin und Wertschätzung einem jeden gegenüber“, berichtet Brauchle. Persönliche, ja teilweise sehr persönliche Erfahrungen und Erlebnisse wie auch natürlich alle professionellen Blickwinkel konnten daher umfassend diskutiert werden und letztendlich in die Empfehlungen einfließen.
Und gleich zwei Versionen hat das Team veröffentlicht: Eine Gesamtversion und eine Kurzfassung – damit die wichtigsten Empfehlungen auch auf einen Blick zu erfassen sind.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 09.01.2023

Typ-1-Diabetes: Neue Erkenntnisse zur Entwicklung der Autoimmunkrankheit bei Kindern

Studie gibt erstmals Aufschluss über die Dynamik von Blutzuckerwerten und Autoimmunität im frühen Kindesalter: Wann und warum manifestiert sich ein Typ-1-Diabetes bei Kindern? Erstmals haben Forschende die Blutzuckerwerte und parallel dazu die Inselautoantikörper bei Kindern mit erhöhtem genetischem Risiko für Typ-1-Diabetes in den ersten Lebensjahren in einer Langzeitstudie untersucht.

Ergebnisse der Studie wurden nun im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht. Die Studie liefert ein besseres Verständnis der Dynamik der Blutzuckerregulation im frühen Kindesalter und neue Erkenntnisse über die Entstehung der Autoimmunität bei Typ-1-Diabetes.

Im Rahmen der Globalen Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) wird die klinische Primärpräventionsstudie POInt (Primary Oral Insulin Trial) multizentrisch in fünf Ländern und an sieben Standorten durchgeführt. POInt hat zum Ziel, die Entstehung der Inselautoantikörper zu verhindern und so der Entstehung eines Typ-1-Diabetes vorzubeugen. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse durch eine fehlerhafte Reaktion des Immunsystems zerstört werden. Bisher ging man davon aus, dass dieser Prozess zunächst unerkannt im Hintergrund verläuft und erhöhte Blutzuckerwerte ein Ergebnis der Autoimmunität gegen die Betazellen sind. Jedoch wurde noch nie untersucht, wann die Betazellen zum ersten Mal betroffen sind. Die POInt Studie untersuchte darum über einen längeren Zeitraum mehr als 1.000 Kinder ab ihrem vierten Lebensmonat mit einem um 10% erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes. Das ermöglichte den Forschenden, den Zusammenhang zwischen Blutzuckerwerten und erster Entwicklung von Inselautoantikörpern zu analysieren.

„Unsere Forschungsergebnisse verändern das Verständnis der Entwicklung des Typ-1-Diabetes. Wir zeigen, dass Stoffwechselveränderungen früher im Krankheitsprozess auftreten, als bisher angenommen“, erklärt Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Helmholtz Munich Instituts für Diabetesforschung (IDF). Gemeinsam mit einem internationalen Team untersuchte sie in der POInT Studie die prä- und postprandialen Blutzuckerwerte – also vor und nach dem Essen – sowie die Inselautoantikörper der Kinder.

Ergebnisse liefern neue Impulse für die Forschung

Die Auswertung der Experten und Expertinnen zeigte, dass die Blutzuckerkonzentrationen kurz nach der Geburt entgegen bisheriger Annahmen keinen stabilen Zustand erreichen. Stattdessen fallen sie im ersten Lebensjahr ab und steigen im Alter von ungefähr 1,5 Jahren wieder an. „Die dynamischen Veränderungen der Blutzuckerwerte während der ersten Lebensjahre sind verblüffend. Vermutlich werden hier frühe Veränderungen der Bauchspeicheldrüseninseln widergespiegelt. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass wir die Beziehung zwischen Zuckerstoffwechsel und Bauchspeicheldrüse während der ersten Lebensphase intensiver untersuchen müssen“, erklärt Katharina Warncke, Oberärztin der Kinderendokrinologie/Diabetologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin und Wissenschaftlerin am IDF. Eine weitere spannende Beobachtung: Im Vergleich zu Kindern ohne Autoimmunreaktion wiesen Kinder, die eine Autoimmunität entwickelt haben, bereits zwei Monate vor der Bildung der Autoantikörper erhöhte Blutzuckerwerte auf. Dieser Unterschied blieb im weiteren Verlauf bestehen. Zudem waren auch die Blutzuckerwerte vor dem Essen nach dem ersten Auftreten von Autoantikörpern erhöht.

Rätsel um das Ereignis, das die Autoimmunreaktion begünstigt

Die Forschenden konnten feststellen, dass der Blutzuckerstoffwechsel sehr früh im Leben dynamisch verläuft und den Häufigkeitsgipfel der Inselautoantikörperentstehung spiegelt – dies deutet auf eine Phase von Aktivität und Anfälligkeit der Inselzellen hin. „Die starke Veränderung der postprandialen Blutzuckerwerte kurz vor dem ersten Nachweis von Autoantikörpern lässt ein Ereignis vermuten, das die Funktion der Betazellen beeinträchtigt. Dieses Ereignis geht der Autoimmunreaktion voraus und trägt zu ihrer Entwicklung bei. Da sich die Betazellfunktion nach der ersten Antikörperbildung weiter verschlechtert, scheint es sich um eine dauerhafte Schädigung der Inselzellen zu handeln, die die Blutzuckerregulation destabilisiert “, erklärt Warncke.

“Das beobachtete Verhältnis zwischen Blutzuckerwerten und erstmaliger Autoimmunreaktion ist faszinierend. Jetzt wissen wir, dass der Krankheitsmechanismus vermutlich direkt an den Inseln des Pankreas ausgelöst wird. Damit können wir die Ursache der chronischen Erkrankung gezielter erforschen,” sagt Ezio Bonifacio, Professor am Zentrum für Regenerative Therapien der Technischen Universität Dresden.
Die Wissenschaftler:innen fanden also heraus, dass sich Stoffwechselveränderungen viel früher im Krankheitsverlauf zeigen, als bislang angenommen: Sie können der Autoimmunität vorausgehen oder parallel dazu stattfinden. Die Autoren und Autorinnen vermuten, dass der plötzliche Anstieg der Blutzuckerwerte nach dem Essen und kurz vor der Entwicklung von Antikörpern mit einer veränderten Funktion der Inselzellen zusammenhängt.

Das Ziel: weniger Neuerkrankungen

„Veränderungen der Blutglukose könnten somit künftig als Indikator für eine Fehlfunktion der Inselzellen und den möglichen Beginn von Autoimmunität gegen die Beta-Zellen dienen“, fasst Ziegler zusammen. Dafür bedarf es aber einer weiteren, intensiven Erforschung des Glukosestoffwechsels und weiterer Biomarker in der frühen Kindheit. Ziel aller Bemühungen der Wissenschaftler:innen ist es, die Zahl der Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes zu verringern. Aktuell sind vier von 1.000 Kindern in den westlichen Industrienationen von der chronischen Krankheit betroffen.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 30.12.2022

Eltern: Nähe zu Jugendlichen begünstigt späteren guten Kontakt zum erwachsenen Kind

Eltern, die sich bemühen, Zeit mit ihren Teenagern zu verbringen – während sie ihnen Zuneigung und Verständnis entgegenbringen –, bleiben mit größerer Wahrscheinlichkeit in Kontakt mit ihnen, wenn diese erwachsen werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine amerikanische Studie.

„Die Daten sprechen eine klare Sprache: Man erntet, was man sät“, fasste Hauptautor Professor Gregory Fosco von der Pennsylvania State University zusammen. „Eltern, die ihren Teenager weiterhin loben und unterstützen, haben eine engere Beziehung zu ihrem erwachsenen Kind“, fügte Fosco hinzu. „Und Eltern, die konsequent, klar und freundlich mit ihren Regeln gegenüber ihren Teenagern umgehen, legen den Grundstein für weniger Konflikte mit ihrem erwachsenen Kind.“

Das Ergebnis stammt aus einer mehrjährigen Umfrage, die die Ansichten von rund 1.600 Kindern im ländlichen oder halb ländlichen Iowa und Pennsylvania sammelte. Die Kinder wurden zuerst in der sechsten Klasse und dann jedes Jahr bis zum Abitur befragt. Und als die Kinder schließlich mit 22 Jahren erwachsen waren, befragten sie die Forscher.

Während ihrer Schulzeit wurden die Teenager gebeten, anzugeben, wie viel Zeit sie mit ihren Eltern bei verschiedenen Arten von Aktivitäten wie Schularbeiten, Sport und/oder Freizeit verbrachten. Sie sollten auch einschätzen, wie warmherzig, offen und liebevoll ihre Eltern ihnen gegenüber waren sowie wie hart oder angemessen ihre Eltern mit ihnen umgingen, wenn es darum ging, sie zu disziplinieren.

Als junge Erwachsene wurden die Teilnehmer gefragt, wie oft sie noch Kontakt zu ihren Eltern hatten, sei es persönlich oder anderweitig. Die Teilnehmer:innen sollten auch berichten, wie nahe sie sich ihren Eltern gegenüber fühlten und wie wahrscheinlich es war, dass sie sowohl positive Gefühle als auch Wut offen gegenüber ihren Eltern in Bezug auf deren Erziehungsstil äußern konnten.

Das Ergebnis: Je mehr Zeit Eltern mit ihren Kindern im Teenageralter verbrachten, desto wahrscheinlicher hatten sie mit Anfang 20 Kontakt zu ihnen. In ähnlicher Weise förderte ein herzlicher Umgang zwischen Eltern und Teenagern auch eine herzliche Beziehung zwischen Eltern und jungen Erwachsenen. Die Resultate galten anscheinend unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Familieneinkommen oder Lebensumständen junger Erwachsener.

Umgang mit Jugendlichen oft herausfordernd

Dennoch räumte Fosco ein, dass „die Erziehung von Teenagern herausfordernd sein kann“ und dass es leichter gesagt als getan ist, während der Veränderungen in der Jugend eine enge Beziehung aufrechtzuerhalten.
„Die Teenagerjahre sind eine Zeit erheblicher Veränderungen“, sagte er. „Teenager streben nach mehr Autonomie und Zeit unabhängig von ihrer Familie. Eltern erkennen oft, dass sie ihren Erziehungsstil anpassen müssen, wenn ihre Teenager älter werden, aber sie sind sich möglicherweise auch unsicher, wie sie das tun sollen. Sollen sie ihr Kind loben und ermutigen oder es in Ruhe lassen? „Sollten Eltern versuchen, Zeit mit ihrem Teenager zu verbringen, oder sie mit Freunden abhängen lassen? Sollten Eltern Regeln und Grenzen für das Verhalten von Teenagern einhalten oder sollten sie sie wie Erwachsene behandeln?“

Günstige Momente nutzen

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Eltern ihr Verhalten zwar im Laufe der Zeit ändern sollten, sich aber nicht zu schnell zurückziehen sollten, betonte Fosco.

Fosco riet Müttern und Vätern, nach günstigen Momenten zu suchen, in denen es möglich ist, mit einem Teenager Nähe herzustellen.
Er nannte einige Beispiele: „Wenn Ihrem Teenager das Lob vor anderen peinlich ist, finden Sie Momente, in denen er allein ist, um aufrichtige Komplimente zu machen oder ihm zu sagen, dass Sie ihn lieben“, schlug Fosco vor. „Wenn Ihr Teenager es vorzieht, Zeit mit Freunden zu verbringen, nutzen Sie die Autofahrten, um ihn abzusetzen oder abzuholen, um eine Zeit zu zweit mit Ihrem Teenager zu verbringen und gleichzeitig seine sozialen Beziehungen zu unterstützen. […] Sie können das Lieblingsessen Ihres Teenagers kochen, damit Sie sich zusammensetzen können. Manchmal sind es die kleinen Momente, in denen Eltern wirklich ‚auftauchen‘ können, wenn sie Gelegenheiten bei alltäglichen Aktivitäten finden.“

Bezüglich festgesetzter Regeln fügte Fosco hinzu: „Versuchen Sie genau zu erklären, warum eine erzieherische Maßnahme gerechtfertigt ist oder es wichtig ist, in Kontakt zu bleiben.“

„Es kann überraschend sein, wie oft das Teilen der eigenen Gründe für Elternentscheidungen Teenagern helfen kann, die Entscheidungen zu verstehen, selbst wenn sie ihnen nicht gefallen“, verdeutlichte er.
Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Developmental Psychology“ veröffentlicht.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 23.12.2022

Cannabiskonsum in jungen Jahren stört die Gehirnentwicklung

Da die Hirnreifung bei Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist, kann der frühzeitige und regelmäßige Cannabiskonsum in dieser kritischen Lebensphase zum Teil zu anhaltenden Störungen der Hirnfunktionen führen und das Suchtrisiko erhöhen. Bereits geringer Cannabiskonsum kann bei 13- bis 15-Jährigen Veränderungen verursachen.

„Heranwachsende, die früh und intensiv Cannabis konsumieren, riskieren längerfristig eine Verringerung ihres Intelligenzquotienten. Auch die Gedächtnisleistung in Bezug auf Sprache kann sich verschlechtern. Das Gehirn erholt sich zum Teil nicht mehr vollständig, selbst wenn der Jugendliche kein Cannabis mehr konsumiert“, gibt Dr. Herman Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zu bedenken. Bis das Gehirn vollständig ausgereift ist, kann ein Mensch bis zu 23 Jahre alt sein. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat am 25. April 2022 in einem Positionspapier gefordert, dass Cannabis erst ab einem Alter von 21 Jahren legal sein dürfe.

Jugendliche, die Cannabis häufig nutzen, erhöhen ihre Chancen, bipolaren Störungen zu entwickeln, um das Dreifache im Vergleich zu Nichtnutzern. Darüber hinaus sind Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Wahrnehmungsstörungen mögliche Folgen des Cannabiskonsums. Besonders riskant sind synthetische Cannaboide. Sie haben ein hohes Suchtpotenzial, unberechenbare Effekte und eine mehr als 100-fach höhere Wirksamkeit. Folgen von Vergiftungen damit sind erhöhter Puls, Unruhe, Übelkeit oder Erbrechen und ein erhöhtes Risiko für Psychosen. In Zusammenhang mit der Einnahme von synthetischem Cannabis gab es auch Berichte über Todesfälle (2020 in Deutschland 20 Todesfälle).

Am häufigsten wird Cannabis in Europa zusammen mit Tabak geraucht. Dadurch bildet sich oft eine Co-Abhängigkeit von Tabak. Darüber hinaus kann Cannabis auch mithilfe von Sishas, E-Sishas und Vaporizer (strom- oder batteriebetriebenes Gerät zum Verdampfen pflanzlicher Rauschstoffe) inhaliert werden. Ist Cannabis Keksen oder Süßigkeiten beigemengt, dauert es länger, bis die Rauschwirkung einsetzt. Dies begünstigt Überdosierungen mit der Gefahr von Psychosen. „Eltern sollten mit Teenagern frühzeitig über die gesundheitlichen Probleme sprechen, die Cannabis auslösen kann. Haben Erziehungsberechtigte einen Verdacht, sollte sie sich mit dem Jugendarzt beraten“, so Dr. Kahl.

Anzeichen für Cannabiskonsum können sein, wenn

  • sich Jugendliche grundlos sehr albern und untypisch verhalten
  • sie ungewöhnlich schnell gereizt reagieren
  • sie anscheinend ohne Grund das Interesse an Dingen verlieren, die sie sonst interessiert haben
  • sie Zeit mit Gleichaltrigen verbringen, die Cannabis nutzen
  • sie Schwierigkeiten haben, sich an Dinge zu erinnern, die gerade passiert sind
  • sie Pfeifen, Feuerzeuge, Vape Pens oder Zigarettenpapier bei sich tragen
  • sie roten Augen haben
  • wenn sie Heißhunger außerhalb der üblichen Essenszeiten entwickeln

Auf dem 51. Kinder- und Jugendärztetag in Berlin stellte Prof. Dr. med. Rainer Thomasius vom Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf in einem Vortrag die Frage: „Cannabis legalisieren?“ Er hat wie der BVKJ Bedenken, ob dies der richtige Weg ist.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 09.11.2022

Mobbing geschieht häufig nicht körperlich oder verbal

Die am weitesten verbreitete Formen von Mobbing sind weder körperliche Handlungen wie Stoßen oder Treten noch verbale Drohungen oder abfällige Bemerkungen. Die am meisten verwendete Taktik ist die soziale Ausgrenzung.

Soziale Ausgrenzung bezeichnen Experten auch als „relationale Aggression“. Dieser Begriff beschreibt ein Verhalten, das die Absicht hat, die sozialen Beziehungen einer Zielperson zu beschädigen, z.B. indem hinter ihrem Rücken abwertende Bemerkungen gegenüber Dritten gemacht werden. Er beinhaltet u.a. auch, dass der Mobbende den Betroffenen von Gruppenaktivitäten ausschließt. Aktuelle Forschung unterstreicht den Schaden, der durch dieses Verhalten angerichtet wird.

„Wenn ein Kind von Gleichaltrigen in der Schule von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen wird, sind die Folgen für dieses Kind sowohl kurzfristig als auch langfristig genauso schädlich, als wenn es jeden Tag getreten, geschupst oder geschlagen würde“, verdeutlichte Ass.-Professor Chad Rose, ein Autor der Studie von der Universität von Missouri in Kolumbien. „Diese Studie wirft also ein Licht auf die soziale Ausgrenzung, der Jugendliche oft ausgesetzt sind.“

Rose ist Direktor des Mizzou Ed Bully Prevention Lab, das darauf abzielt, Schulmobbing zu reduzieren.

In einer kürzlich in „Preventing School Failure: Alternative Education for Children and Youth“ veröffentlichten Studie analysierten Rose und seine Kollegen eine Umfrage, die in 26 Mittel- und Oberschulen in fünf Schulbezirken im Südosten der Vereinigten Staaten durchgeführt wurde. Mehr als 14.000 Schüler wurden gefragt, ob sie Aussagen zustimmten oder nicht zustimmten, die ihre Einstellung zu Mobbing, ihre von ihnen selbst wahrgenommene Popularität und ihre Bereitschaft zu relationaler Aggression widerspiegelten.

Unter den Aussagen befanden sich u.a.:

  • „Ein bisschen Hänseleien schaden niemandem.“
  • „Es ist mir egal, was Kinder sagen, solange es nicht um mich geht.“
  • „In meinem Freundeskreis bin ich normalerweise derjenige, der die Entscheidungen trifft.“
  • „Wenn ich auf jemanden sauer bin, revanchiere ich mich, indem ich ihn nicht mehr in meine Gruppe lasse.“

„Sozial aggressive“ Kinder nehmen sich selbst oft nicht so wahr

„Kinder, die sich selbst als sozial dominant oder populär wahrnehmen, befürworten Mobbing, aber sie nehmen sich selbst nicht als sozial aggressiv wahr“, berichtete Rose über die Ergebnisse. „Es gab eine andere Gruppe, die sich selbst nicht als sozial dominant oder beliebt wahrnahm, aber sie zeigte eine eher Mobbing-freundliche Einstellung und engagierte sich für relationale Aggression.“

Also, verdeutlichte er, die erste Gruppe fand Mobbing in Ordnung, sah sich aber nicht als beteiligt an, selbst wenn sie andere tatsächlich ausgrenzte. Die zweite Gruppe, die zugab, andere zu meiden, tat dies möglicherweise, um in der sozialen Hierarchie aufzusteigen.

Unbeteiligte wirken oft – ohne es selbst zu bemerken – als Verstärker der sozialen Ausgrenzung

Eine dritte Gruppe von Umfrageteilnehmern, die weniger aggressiv handelten oder eher als Zuschauer zu bezeichnen sind, berichtete über ein geringes Maß an relationaler Aggression sowie ein geringes Maß an Mobbing-freundlichen Einstellungen.

„Das Interessante an Zuschauern ist, dass sie Mobbing oft aufrechterhalten, was bedeutet, dass sie als soziale Verstärker dienen und in der Nähe sind, wenn es passiert“, so Rose in einer Pressemitteilung der Universität.

„Wir lehren den berühmten Slogan ‚Sehen Sie etwas, sagen Sie etwas‘, aber in der Praxis ist es für Kinder schwierig, schnell einzugreifen und Konflikte einzuschätzen – selbst für Erwachsene. Wenn wir zwei Kinder in einem körperlichen Kampf sehen, fühlen wir uns verpflichtet, ihn zu beenden. Aber wenn wir beobachten, dass Kinder von Gleichaltrigen ausgeschlossen werden, scheinen Erwachsene dies nicht immer als gleichermaßen schädlich anzusehen, und das ist beängstigend „, fügte er hinzu.

Die Einbeziehung sozialer Kommunikationsfähigkeiten in den täglichen Lehrplan der Schüler sei etwas, das Lehrer laut Rose leicht umsetzen könnten. „Lehrkräfte sollten ein besonderes Lob aussprechen, wenn sie respektvolles und integratives Verhalten in der Praxis erkennen, denn die Vermittlung und Stärkung dieser Fähigkeiten ist genauso wichtig wie der Mathematik-, Naturwissenschafts- und Geschichtsunterricht.“

Nicht jedes Kind muss ein Freund sein, aber es ist wichtig, jeden mit Respekt zu behandeln. „Mobbing beginnt oder endet nicht mit den Schulglocken, es ist ein Problem unseres Zusammenlebens“, betonte Rose. „Ich denke, als Erwachsene müssen wir uns bewusster darüber sein, was wir unseren Kindern in Bezug auf unsere soziale Interaktion beibringen, da Schulen ein Spiegelbild unserer Gemeinschaften sind.“

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 28.10.2022

Wie wirkt sich zu wenig Schlaf auf die Entwicklung des Gehirns aus?

Einer aktuellen amerikanischen Studie zufolge kann unzureichender Schlaf bei Kindern langfristig die neurologische Entwicklung beeinträchtigen. Dies konnten die Forscher:innen anhand von Gehirnscans und -tests messen.

Eine in „The Lancet Child & Adolescent Health“ veröffentlichte Studie ergab, dass 9- und 10-Jährige, die nachts durchschnittlich keine 9 Stunden schlafen, tendenziell weniger graue Substanz entwickeln. Auch die Bereiche des Gehirns, die für Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Impulskontrolle verantwortlich sind, sind nicht so ausgeprägt wie bei Kindern, die genug Schlaf bekommen.

Die Wissenschaftler:innen fanden auch einen Zusammenhang zwischen unzureichendem Schlaf und gestörten Verbindungen zwischen den Basalganglien und kortikalen Regionen (Gehirnrinde [Kortex]) des Gehirns. Diese Störungen schienen mit Depressionen, Denkproblemen und Beeinträchtigungen der „Crystallized Intelligence“ zusammenzuhängen. „Crystallized Intelligence“ oder kristalline Intelligenz ist eine Art von Intelligenz, die auf früheren Lernerfahrungen sowie früheren Erfahrungen basiert und vom Gedächtnis abhängt.

Diese Auswirkungen blieben 2 Jahre später bestehen, auch wenn diejenigen Teilnehmer, die zu Beginn ausreichend geschlafen hatten, im Laufe der Zeit allmählich weniger schliefen, und diejenigen, die zu Beginn nicht genug Schlaf bekamen, weiterhin etwa gleich lang schliefen, berichteten die Forscher:innen.

Die ABCD-Studie

Um zu untersuchen, wie sich unzureichender Schlaf über 2 Jahre auf die psychische Gesundheit, Gedächtnis, Gehirnfunktion und Gehirnstruktur von Kindern auswirkt, analysierten Ze Wang, PhD, Professor für diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin an der University of Maryland, Baltimore, und seine Kollegen Daten aus der laufenden „Adolescent Brain Cognitive Development (ABCD) Study“ (Studie bei Jugendlichen zur kognitiven Entwicklung des Gehirns). Die ABCD-Studie verfolgt die biologische und Verhaltensentwicklung von mehr als 11.000 Kindern in den Vereinigten Staaten, die im Alter von 9 oder 10 Jahren für die Studie rekrutiert wurden.
Für ihre neue Analyse konzentrierte sich die Gruppe um Prof. Dr. Wang auf 6.042 Teilnehmer: 3.021 Kinder mit unzureichendem Schlaf, die mit einer gleichen Anzahl von Teilnehmern verglichen wurden, die in vielerlei Hinsicht ähnlich waren, einschließlich Geschlecht, sozioökonomischem Status und Pubertätsentwicklung. Nur letztere Probanden schliefen nachts mindestens 9 Stunden. Die amerikanischen Experten überprüften die Ergebnisse 2 Jahre später bei 749 der übereinstimmenden Paare, für die Ergebnisse verfügbar waren.

Die Ermittler bestimmten die Schlafdauer anhand der Antworten der Eltern auf die Frage: „Wie viele Stunden Schlaf bekam Ihr Kind in den letzten 6 Monaten in den meisten Nächten?“ Mögliche Antworten waren mindestens 9 Stunden, 8–9 Stunden, 7–8 Stunden, 5–7 Stunden oder weniger als 5 Stunden. Sie untersuchten zudem funktionelle und strukturelle MRT-Scans, Testergebnisse und Antworten auf Fragebögen.

Mangelnder Schlaf wirkt sich auf mehrere Bereiche negativ aus

Bei Kindern, die zu wenig schliefen, konnten die Forscher negative Effekte in mehreren verschiedenen Bereichen beobachten, darunter Gehirnstruktur, Funktion, Kognition, Verhalten und psychische Gesundheit.

Die Ergebnisse basierten auf Gruppendurchschnitten und die Unterschiede sind nicht schwerwiegend, sagte Wang. Ein bestimmtes Kind, das nachts meist keine neun Stunden lang schläft, müsse also nicht unbedingt schlechter abschneiden als ein Kind, das genug Schlaf bekommt, so Wang.
Dennoch könnten sich geringe Auswirkungen mit der Zeit ansammeln und schließlich zu andauernden Veränderungen führen, betonte Wang.

„Crystallized Intelligence“ – kristalline Intelligenz

Die Forscher untersuchten 42 Bereiche. Bei 32 davon gab es zwischen den Gruppen deutliche Unterschiede. Insbesondere vier Bereiche – Depression, Denkprobleme, Leistung bei einem Bildvokabeltest und kristalline Intelligenz – waren Bereiche, in denen unzureichender Schlaf einen größeren negativen Effekt zu haben schien.

Die Beziehung der Schlafdauer zur kristallinen Intelligenz war doppelt so hoch wie bei der fluiden Intelligenz. Die fluide Intelligenz beinhaltet Fähigkeiten wie Problemlösung, Lernen und Mustererkennung und hängt nicht vom Gedächtnis ab.

„Schlaf beeinflusst das Gedächtnis“, lautet das Fazit von Professor Wang. „Kristalline Intelligenz hängt von erlernten Fähigkeiten und Kenntnissen ab, die das Gedächtnis bietet. Deshalb ist Schlaf mit kristalliner Intelligenz verbunden.“

Eine Einschränkung der Studie bestehe darin, dass einige Eltern möglicherweise nicht genau angeben, wie viel Schlaf ihr Kind bekommt, räumte Wang ein. Kinder können zum Beispiel wach sein, wenn Eltern denken, dass sie schlafen.

Um einen gesunden Schlaf zu fördern, sollten Eltern eine strenge Routine für ihre Kinder einhalten, wie z. B. regelmäßige Schlafenszeiten und keine elektronischen Geräte im Schlafzimmer, schlug Wang vor. Mehr körperliche Aktivität während des Tages seien auch hilfreich.

Quelle: https://www.kinderaerzte-im-netz.de vom 21.10.2022