Psychische Erkrankungen: Zahl der Suizide in den vergangenen Jahren gesunken

Die Zahl der Suizide in Deutschland ist seit Jahren tendenziell leicht rückläufig. Das berichtet die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP. Im Jahr 2012 nahmen sich danach 9 890 Menschen in Deutschland das Leben, 2016 waren es 9 838 und 2018 noch 9 396 Menschen. „Suizidalität geht vielfach mit behandelbaren psychischen Erkrankungen einher. Deshalb wird die Suizidprävention insbesondere durch alle Maßnahmen zur Bekämpfung psychischer Erkrankungen gefördert“, betont die Bundesregierung.

Die Prävention von Selbsttötungen sei eine „gesamtgesellschaftliche und politikbereichsübergreifende Querschnittsaufgabe“, heißt es in der Antwort. Unter anderem habe das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2017 einen Förderschwerpunkt zur Suizidprävention eingerichtet und fördere derzeit 14 Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund fünf Millionen Euro. Damit sollen bestehende Hilfs- und Beratungskonzepte wissenschaftlich bewertet und neue Maßnahmen und Konzepte zur Vermeidung von Suizidversuchen oder Suiziden entwickelt werden. Außerdem fördere das BMG das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, eine bundesweite Initiative in Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Ziel ist die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. 

Quelle: DEUTSCHES ÄRZTEBLATT PP 12/2020

Kinder und Jugendliche: Neues Angebot zur Cannabisprävention

Kinder und Jugendliche sollen durch digitale Aufklärung vom Cannabiskonsum abgehalten werden. Dafür hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), das Informationsangebot mit der Seite www.cannabispraevention.de ausgebaut. Je früher, je häufiger und je intensiver Cannabis konsumiert werde, desto höher sei das Risiko langfristiger gesundheitlicher Folgen wie beispielsweise Depressionen, Psychosen, kognitiver Defizite sowie Suchtgefährdung, so Ludwig.

Aktuelle Studienergebnisse zeigten, dass sich junge Menschen über die gesundheitlichen Gefahren von Cannabis auch selbst Gedanken machten, sagte Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „Deshalb sind Angebote der Cannabisprävention speziell für Jugendliche wichtig: in ihrer Lebenswelt, der Schule, und über digitale Kanäle“, sagte Thaiss.

Cannabis ist in Deutschland nach wie vor die am häufigsten konsumierte illegale Droge, sowohl unter den Jugendlichen als auch unter jungen Erwachsenen. Die Konsumentenzahlen steigen seit Jahren. Aktuelle Daten der BZgA zeigen, dass bundesweit 10,4 Prozent der 12- bis 17-Jährigen Cannabis schon einmal konsumiert haben. Bei den 18- bis 25-Jährigen sind es 46,4 Prozent.

Bei der Kampagne sollen die Konsumenten über Youtube, Instagram und andere soziale Medien angesprochen werden. Die neue Internetseite soll die Seiten der BZgA www.drugcom.de und die Social-Media-Kampagne „Mach Dich schlau“ ergänzen. 

Quelle: DEUTSCHES ÄRZTEBLATT PP 1/2021

Coronapandemie: Lehrer fühlen sich stark belastet

Die große Mehrheit der Lehrer empfindet einer Umfrage zufolge ihren Job in der Coronakrise als belastender als vorher. 84 Prozent gaben in einer Befragung der DAK Gesundheit an, sie hätten das Gefühl, dass der Schulalltag unter Pandemiebedingungen zu Mehrarbeit führe. 90 Prozent stimmten der Aussage zu, das Unterrichten sei im Vergleich zur Situation vor einem Jahr deutlich anstrengender. Meistgenannte Gründe waren das Durchsetzen der Coronaregeln bei den Schülern, der eigene Gesundheitsschutz und der Ausfall von Kollegen.

Für die Untersuchung, die im Auftrag der DAK Gesundheit vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in Kiel erstellt wurde, wurden im Oktober 2 300 Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen befragt. Laut Studienleiter Reiner Hanewinkel kann sie aber auch auf andere Bundesländer und Schulen übertragen werden, da die Ausnahmesituation und Herausforderungen bundesweit größtenteils vergleichbar seien.

Die meisten Lehrer (66 Prozent) haben wegen Corona keine Angst im Job. Immerhin ein Drittel stimmte aber der Aussage zu, aufgrund der Situation Angst zu haben, zur Schule zu gehen. Zwei von drei Befragten gaben an, sich seit Corona größere Sorgen um die eigene Gesundheit zu machen. Angst, sich bei Schülern anzustecken, äußerten 51,5 Prozent. 48,6 Prozent sagten, sie hätten keine oder eher keine Angst davor.

„Wir erleben aktuell, wie stark die seelische Gesundheit vieler Lehrkräfte unter der Coronapandemie leidet“, sagte DAK-Chef Andreas Storm. Die Arbeitssituation der Lehrkräfte unter Pandemiebedingungen gehöre verstärkt in den Fokus der Politik. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, begrüßte die Analyse. Diese liefere eine Bestandsaufnahme über die Mehrbelastung von Lehrkräften in Coronazeiten und zeige konkreten Handlungsbedarf auf. 

Quelle: DEUTSCHES ÄRZTEBLATT PP 12/2020

„Viele haben falsche Vorstellungen von gutem Schlaf“

Interview mit Schlafmediziner Dr. Nikolaus Rauber: über Leistungsdruck bis in die Nacht hinein und wie die Corona-Krise unseren Schlaf verändert

Herr Dr. Rauber, werden Sie als Schlafmediziner oft gefragt, ob Sie gut geschlafen haben?
Nein, das nicht. Aber ich frage das normalerweise meine Patientinnen und Patienten.

Was ist guter Schlaf?
Gesund ist Schlaf, nach dem wir uns erholt fühlen. Bei den meisten Menschen ist das schon der Fall, wenn sie die Hälfte der Nacht erholsamen Schlaf hatten. Das bedeutet 25 bis 30 Prozent Tiefschlaf und 20 bis 25 Prozent Traumschlaf bei einer Schlafdauer von sieben bis acht Stunden. Die restliche Zeit, also etwa die Hälfte der Nacht, befinden wir uns im Leichtschlaf.

Wann ist mein Schlaf gestört?
Zum Beispiel, wenn das Einschlafen verzögert ist. Wenn Sie nicht durchschlafen und nachts mehrmals wach werden. Oder wenn Sie wach werden und nicht wieder einschlafen können. Gerade Ältere wachen morgens allzu früh auf.

Kann man gutes Schlafen lernen?
Der erste Schritt ist die Vermittlung von Wissen: Viele Menschen haben unzutreffende Vorstellungen von gutem Schlaf, leiden darunter, dass sie nicht ihren eigenen Erwartungen entsprechen. Eine gängige Vorstellung ist zum Beispiel, dass man nicht ausgeruht ist, wenn man keine acht Stunden geschlafen hat, oder körperlich nicht leistungsfähig ist, wenn man schlecht geschlafen hat. Dabei stimmt beides nicht. Spricht man über diese Irrtümer, kann der Druck ein Stück weit abgebaut werden. Ein anderes Thema ist die Schlafhygiene.

Was ist damit gemeint?
Maßnahmen, mit deren Hilfe man seinen Schlaf verbessern kann: Zum Beispiel sollte der Schlafraum nicht über 18 Grad Raumtemperatur haben – was ein Problem darstellen kann, wenn man auf der Schlafcouch im Wohnzimmer schläft. Von Vorteil ist auch, wenn man abends nicht so spät und nicht so viel isst. Außerdem sollte man nichts mehr machen, was einen aufwühlt, etwa kurz vorm Schlafen noch berufliche E-Mails beantworten.

Ist es ok, im Bett noch mal schnell aufs Handy zu schauen?
Gerade bei Jugendlichen ist das einer der Hauptgründe, warum sie schlecht schlafen. Einmal, weil gerade Jüngere oft diese Pingpong-Mentalität haben und sofort antworten müssen. Ältere können das Handy eher mal beiseitelegen. Das zweite ist das Blaulicht von Laptop und Handy: Es unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin und verhindert so, dass der Körper runterfährt. Bei E-Book-Readern ist das übrigens anders, die strahlen kein Blaulicht aus.

Gibt es unterschiedliche Schlaftypen?
Es gibt Kurz- und Langschläfer. Wie viel Schlaf jemand braucht, hängt aber in erster Linie vom Alter ab. Ein Säugling schläft 16 bis 18 Stunden, ein Erwachsener nur noch sieben bis acht. 80-Jährige brauchen sogar oft nur fünf Stunden Schlaf. Insgesamt hat die Schlafdauer im Laufe der letzten hundert Jahre abgenommen.

Was passiert mit dem Körper, wenn man zu wenig schläft?
Man kann sich das wie eine U-Kurve vorstellen: Wer zu wenig schläft, hat Probleme – wer zu viel schläft, aber auch. Laut Befragungen empfinden Erwachsene, die sieben bis acht Stunden schlafen, am meisten Freude, fühlen sich am glücklichsten und am leistungsfähigsten. Wer tagsüber müde ist, hat hingegen ein erhöhtes Risiko für Arbeitsunfälle, oft ist der Körper gestresst, der Appetit ist angeregt, viele bekommen Bluthochdruck. Wir wissen heute, dass zum Beispiel das Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 auch auf Fehlentscheidungen basierte, die getroffen wurden, weil Menschen zu müde waren: Bei Schlafmangel nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab. Zu lange schlafen oft Menschen, die keinen erholsamen Schlaf haben und versuchen, dies über die Dauer auszugleichen.

Hat schlechter Schlaf körperliche oder psychische Ursachen?
Da muss man unterscheiden: Laut internationaler Klassifikation gibt es im Bereich der „Sleep Disorders“ 88 Diagnosen. Den größten Anteil daran haben die Einschlaf- und Durchschlafstörung, deren Ursachen psychisch bedingt sind. Den zweitgrößten Anteil haben die schlafbezogenen Bewegungsstörungen mit organischen Ursachen. Am bekanntesten sind hier die zuckenden Beine, das „Restless-Legs-Syndrom“. Dann folgt das Schlafapnoe-Syndrom, also das, was wir hauptsächlich im Schlaflabor behandeln. Die Ursachen sind rein organisch.

Was bedeutet Schlafapnoe?
Übersetzt bedeutet Schlafapnoe „Atemstillstand im Schlaf“. Dies geschieht zum Beispiel, wenn die Muskulatur erschlafft, die Zunge in den Rachen rutscht und die Atemwege zufallen. Dann sinkt der Sauerstoffanteil im Blut. Schnarchen und Tagesmüdigkeit sind typische Symptome. Wer schon länger an Schlafapnoe leidet, hat manchmal 500 bis 600 Atemaussetzer in der Nacht und findet gar keinen erholsamen Tiefschlaf mehr. Im Schlaflabor können wir das untersuchen.

Wie sieht denn der typische Patient im Schlaflabor aus?
Die meisten der Schlafapnoepatienten sind männlich und älter als 45 Jahre. Fettleibigkeit ist ein begünstigender Faktor, ebenso der familiäre Hintergrund: Wer ein fliehendes Kinn, einen wenig ausgeprägten Kiefer und einen engen Rachen hat, kann schon in jungen Jahren nächtliche Atemprobleme bekommen. Oft sind auch Dialysepatienten betroffen, da Wassereinlagerungen im Körper im Liegen das Atmen erschweren.

Und ein typischer Patient mit Schlafstörungen?
Das sind Menschen, die sich ausgebrannt und müde fühlen, sehr häufig Frauen mit Mehrfachbelastung, die sich um vieles gleichzeitig kümmern: Kindererziehung, Partnerschaft, die Pflege Angehöriger, Job, Haushalt … Oft können die Patientinnen nicht mehr abschalten. Manche greifen dann auch zu frei verkäuflichen Medikamenten. Männer instrumentalisieren hingegen eher den Alkohol und kommen mit einer Suchterkrankung zu uns.

Wie gehen Sie damit um?
Wir arbeiten zuerst im Gespräch den biografischen Hintergrund heraus, das ist wie bei jedem anderen therapeutischen Kontakt. In der Gruppentherapie sprechen wir dann über Schlafhygiene und den Umgang mit Schlaf, machen Entspannungsübungen und autogenes Training. Die Gruppe kann dabei motivierend wirken.

Worum geht es in den Gesprächen?
Oft um Selbstfürsorge: Wo ist die Grenze meiner Belastbarkeit? Wann muss ich meinem Chef auch einmal sagen: Das überfordert mich? Viele haben ein schwaches Selbstwertgefühl, haben Angst, entlassen zu werden. Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit Depressionen und Angststörungen oft gleichzeitig Ein- und Durchschlafstörungen haben und dadurch länger krankgeschrieben sind.

Wenn wir über Stress und Anspannungen reden: Treibt die Corona-Krise die Menschen in Ihre Praxis?
Das kann man nicht pauschal sagen. Generell häufen sich die Schlafstörungen bei Menschen mit einem schlechteren psychosozialen Status: Beamte haben seltener Schlafstörungen als Arbeiter. In strukturschwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit kommt die Diagnose häufiger vor als anderswo.

Wie spiegelt die Corona-Zeit das wider?
Diejenigen, die im Homeoffice sicher ihrer Arbeit nachgehen und sich vielleicht noch das Pendeln sparen, schlafen jetzt besser, müssen am Wochenende auch kein Schlafdefizit mehr aufholen. Andere, denen die Entlassung droht, etwa Angestellte in Kleinbetrieben, oder Einzelselbstständige machen sich vermehrt Sorgen: Patienten erzählen mir, dass sie kaum noch fünf Euro in der Tasche haben, dass sie seit Monaten auf Hilfen warten oder wegen länger anhaltender Kurzarbeit nicht wissen, wie sie ihre Kredite abbezahlen sollen. Wer durch Covid-19 existenziell bedroht ist, schläft schlechter.

Wann sollte man mit Schlafstörungen zum Arzt gehen?
Laut Handbuch: Wenn man dreimal in der Woche über einen Zeitraum von vier Wochen schlecht schläft und keine andere Ursache dahintersteht. Viele Hausärztinnen und Hausärzte sind über Leitlinien und Fortbildungen für das Thema sensibilisiert.

Tipps für eine ruhige Nacht: Was kann ich selbst tun?

Weniger Koffein: Verzichten Sie nach dem Mittagessen auf Kaffee, schwarzen Tee oder Cola. Trinken Sie vorm Schlafengehen nur wenig oder keinen Alkohol. Bewegen Sie sich ausreichend. Lassen Sie den Tag entspannt ausklingen und verzichten Sie abends auf anstrengende Tätigkeiten. Etablieren Sie Ihr persönliches Einschlafritual. Legen Sie sich abends nur ins Bett, wenn Sie wirklich müde sind. Schauen Sie nicht auf die Uhr, wenn Sie nicht einschlafen können oder wach geworden sind. Falls Sie nicht wieder einschlafen können: Stehen Sie nach 15 Minuten wieder auf. Bleiben Sie nicht im Bett liegen, sondern machen Sie etwas, was Sie müde macht.

Quelle: zimmereins-daspatientenmagazin.de/2020-03

BPtK-Elternratgeber „Internet“ veröffentlicht

Spätestens mit neun Jahren geht es los. Ab diesem Alter bekommen viele Kinder ihr erstes Smartphone. Mit dem Smartphone haben sie einen eigenen Weg ins Internet. Im Netz finden sie Freund*innen, Spiele, Videos, gute Tipps und großen Mist, politische und sexuelle Verführer*innen, Pornos, Gewaltvideos.

Viele Eltern stehen spätestens dann vor der Frage: „Wie viel Internet ist okay?“ Um
Eltern bei dieser und anderen Fragen zu beraten, veröffentlicht die Bundespsychotherapeutenkammer
(BPtK) einen Elternratgeber „Internet“.
Zum Hintergrund: Fast alle 30- bis 49-Jährigen nutzen das Internet täglich über drei Stunden. Drei
Viertel der Kinder besitzen mit zehn bis elf Jahren ein eigenes Smartphone. Schätzungsweise leiden
sechs Prozent aller 12- bis 17-Jährigen unter einer Computerspiel- oder Internetabhängigkeit. Der
BPtK-Elternratgeber „Internet“ kann unter bestellungen@bptk.de angefordert werden.

BPtK-Elternratgeber „Internet“:

https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2020/10/bptk-elternratgeber-internet.pdf

Quelle: www.bptk.de/publikationen/patientenratgeber

Fast 20 Prozent erkranken an einer psychischen Störung

BPtK-Faktenblatt „Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“

Fast 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland erkranken innerhalb eines Jahres an einer psychischen Störung. Häufigste Störungen sind Angststörungen, depressive, hyperkinetische sowie dissoziale Störungen (dauerhaft aufsässiges und aggressives Verhalten). Wer als Kind oder Jugendliche* psychisch erkrankt, ist auch als Erwachsene* psychisch stärker gefährdet. Über die Hälfte aller psychischen Erkrankungen entstehen bereits vor dem 19. Lebensjahr. Das sind die zentralen Kennziffern des „Faktenblatts Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“, das die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) heute veröffentlicht hat.

„Psychische Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen werden immer noch viel zu häufig nicht erkannt und behandelt“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Obwohl jedes fünfte Kind und jede fünfte Jugendliche* innerhalb eines Jahres psychisch erkranken, ist nur jede 20. unter 18-Jährige* in einer psychotherapeutischen Praxis in Behandlung. Dieses Missverhältnis ist für ihre Zukunft gravierend, da nicht behandelte Ängste und Depressionen im Kindes- und Jugendalter deutlich das Risiko erhöhen, im Erwachsenenalter erneut psychisch zu erkranken.“

Auch psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen können lange dauern. Bei der Hälfte der Kinder, die psychische Auffälligkeiten entwickeln, bleiben diese über zwei Jahre bestehen. Ein Drittel ist auch sechs Jahre später noch psychisch auffällig. Je schwerer und langwieriger psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter werden, desto aufwendiger und teurer ist die Behandlung. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in einer psychotherapeutischen Praxis kostet schätzungsweise rund 3.000 Euro. Die Kosten für eine stationäre Behandlung liegen erheblich höher. Mehr als die Hälfte der unter 18-Jährigen bleiben infolge psychischer Erkrankungen länger als einen Monat im Krankenhaus. Die Behandlung eines depressiv kranken Kindes in einem psychiatrischen Krankenhaus kann durchschnittlich über 12.000 Euro kosten.

Psychische Erkrankungen sind auch Ausdruck sozialer Ungleichheit. Kinder und Jugendliche erkranken häufiger an psychischen Störungen, wenn die Eltern einen niedrigen oder mittleren Bildungsabschluss oder ein geringes Einkommen haben. In Familien mit wenigen sozioökonomischen Ressourcen sind Kinder zweieinhalbmal so oft psychisch auffällig wie in Familien mit hohen sozioökonomischen Ressourcen. Bei Kindern aus Familien mit mittlerem Bildungsniveau (zum Beispiel anerkannte Berufsausbildung) ist das Risiko, an einer Angststörung oder einer Depression zu erkranken, 20 bis 30 Prozent höher als bei Kindern aus Familien mit hohem Bildungshintergrund. Das geringste Risiko haben Kinder aus Akademikerhaushalten.

Quelle: www.bptk.de vom 02.10.2020

Deutschland Barometer Depression

Volkskrankheit Depression – So denkt Deutschland

2020: Deutschland-Barometer Depression: massive Folgen für die psychische Gesundheit infolge der Corona-Maßnahmen

Jeder zweite an Depression Erkrankte hat im ersten Lockdown massive Einschränkungen in der Behandlung seiner Erkrankung erlebt. Für einen kleineren Teil der Patienten waren Telefon- und Videosprechstunden eine gute Alternative. Die Akzeptanz von Online-Angeboten in der Behandlung ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das zeigt das heute veröffentlichte vierte „Deutschland-Barometer Depression“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Infografik Depression: Belastung durch Corona-Virus

Quelle: www.deutsche-depressionshilfe.de vom Oktober 2020

Gemeinsamer Bundes­aus­schuss: Psychotherapeuten können Ergotherapie verordnen

Ab dem 1. Januar 2021 können auch Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine Ergotherapie verordnen, wenn psychische Erkrankungen beziehungsweise bestimmten Erkrankungen des zentralen Nervensystems oder Entwicklungsstörungen vorliegen. Einen entsprechenden Beschluss hat der Gemeinsame Bundes­aus­schuss (G-BA) gefasst, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte. Hintergrund ist demnach das Gesetz zur Reform der Psy­cho­thera­peuten­aus­bildung. Damit wurden die Befugnisse der Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erweitert. Eine konkrete ergotherapeutische Maßnahme, die laut Heilmittel-Richtlinie des G-BA zum Beispiel bei depressiven Störungen oder einem Abhängigkeitssyndrom verordnet werden darf, sei beispielsweise Hirnleistungstraining, schreibt die KBV. Die Verordnung sei möglich bei einer Erkrankung aus dem Indikationsspektrum der Richtlinien-Psychotherapie, zum Beispiel bei Angststörungen. Außerdem könne sie bei einer Erkrankung erfolgen, bei der eine neuropsychologische Therapie angewendet werden könne. Darüber hinaus ist laut KBV eine Verordnung möglich bei allen anderen Diagnosen des Kapitels V „Psychische und Verhaltensstörungen“ der ICD-10. Bei diesen Indikationen sei allerdings der behandelnde Arzt zu informieren, schreibt die KBV. Die Verordnung sei bei Bedarf mit ihm abzustimmen. 

Quelle: aerzteblatt.de von Oktober 2020

UNICEF startet Kampagne #NiemalsGewalt für gewaltfreie Erziehung

Mit einem aufrüttelnden Video ruft UNICEF Deutschland dazu auf, alltägliche Gewalt gegen Kinder nicht länger hinzunehmen. Es bildet den Auftakt der UNICEF-Kampagne #NiemalsGewalt. Ziel ist es, Eltern, Lehrende, Erziehende sowie Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren, beim Thema Gewalt genauer hinzusehen und sich für das Recht jedes Kindes auf gewaltfreie Erziehung einzusetzen.

Der Film macht die weitgehend unsichtbaren Demütigungen und Misshandlungen, denen unzählige Mädchen und Jungen auf der ganzen Welt jeden Tag ausgesetzt sind, sichtbar. Bewusst verzichtet das Video auf reale Gewaltszenen. In subtilen Bildern vermittelt es eindringlich, wie sich die Erfahrung von körperlicher Gewalt, Erniedrigung, Anschreien oder Verachtung tief in Körper und Seele von Kindern einschreibt und Spuren hinterlässt. UNICEF ruft dazu auf, das Video unter dem Hashtag #NiemalsGewalt zu teilen.

„Alltägliche Gewalt gegen Kinder vollzieht sich meist unsichtbar hinter verschlossenen Türen. Deshalb wird sie oft verdrängt oder übersehen, doch die betroffenen Mädchen und Jungen spüren die Folgen ein Leben lang,“ sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. „Auch scheinbar leichte Formen der physischen oder psychischen Misshandlung gefährden die Entwicklung von Kindern. Gewalt gegen Kinder ist unter keinen Umständen akzeptabel. ‚Niemals Gewalt‘ – diese Forderung von Astrid Lindgren aus dem Jahr 1978 ist heute aktueller denn je!“

„Leider hat Misshandlung viele Gesichter. Und meist ignorieren wir die bleibenden Spuren, die sie für Kinder hinterlassen kann“, sagte der amerikanische Regisseur Jared Knecht. „Wir wollen den Menschen die oft unsichtbaren Folgen von Gewalt bewusstmachen – aus Sicht der Kinder, ohne Gewalt selbst zu zeigen. Wir wünschen uns, dass dadurch viele Menschen alltägliche Gewalt neu wahrnehmen und ihren Umgang mit Kindern überdenken.“ Knecht hat die von der Agentur BBDO Düsseldorf entwickelte Idee für UNICEF filmisch inszeniert.

Bis heute wird Gewalt gegen Kinder – weltweit wie in Deutschland – viel zu oft stillschweigend akzeptiert, heruntergespielt oder sogar gerechtfertigt. Betroffene Mädchen und Jungen haben häufig niemanden, dem sie sich anvertrauen können oder werden nicht ernst genommen. Dabei können die Folgen für die Kinder verheerend sein: Gewalt gegen Kinder kann tiefe Spuren hinterlassen. Dies gilt auch für die am wenigsten sichtbaren und gleichzeitig häufigsten Gewaltformen wie emotionale Misshandlung und Vernachlässigung.

Das Ausmaß alltäglicher Gewalt gegen Kinder ist bis heute erschreckend:

  • Weltweit erleben drei von vier Kindern zwischen zwei und vier Jahren körperliche oder psychische Gewalt durch ihre Eltern oder andere Erziehende.
  • Schätzungsweise 1,1 Milliarden Eltern und Erziehende weltweit halten körperliche Bestrafungen für ein notwendiges Mittel in der Erziehung von Kindern.
  • In Deutschland berichteten laut einer Studie im Jahr 2017 31 Prozent der Befragten, dass sie eine Form von Misshandlung mit mindestens moderatem Schweregrad erfahren hatten.

Quelle: Pressestelle UNICEF Deutschland vom 15. Oktober 2020

Erste große Studie zu Erfahrungen von Frauen und Kindern in Deutschland

Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie

Rund 3 Prozent der Frauen in Deutschland wurden in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt, 3,6 Prozent wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft. Dies zeigt die erste große repräsentative Umfrage zu häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie. Waren die Frauen in Quarantäne oder hatten die Familien finanzielle Sorgen, lagen die Zahlen deutlich höher. Nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen Frauen nutzte Hilfsangebote.

Während der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wuchs die Sorge, dass Frauen und Kinder unter häuslicher Gewalt leiden könnten. Doch da nicht alle Opfer Anzeige erstatten oder Hilfsangebote nutzen, blieb die tatsächliche Dimension im Dunkeln.

Janina Steinert, Professorin für Global Health an der Technischen Universität München (TUM), und Dr. Cara Ebert vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung haben deshalb rund 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren online nach ihren Erfahrungen befragt. Die Studie ist hinsichtlich Alter, Bildungsstand, Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort repräsentativ für Deutschland. Die Frauen wurden zwischen 22. April und 8. Mai 2020 nach dem vorangegangenen Monat gefragt, also der Zeit der strengsten Kontaktbeschränkungen. Da manche Befragten aus Scham möglicherweise nicht zutreffende Antworten geben, wandten die Wissenschaftlerinnen bei besonders stigmatisierten Formen der Gewalt, z.B. sexueller Gewalt, eine anerkannte indirekte Fragemethode an.

Fast 5 Prozent der Partner regulieren die Kontakte der Frauen

Diese erste große deutsche Studie zu diesem Thema zeigt:

  • Körperliche Gewalt: 3,1 Prozent der Frauen erlebten zu Hause mindestens eine körperliche Auseinandersetzung, zum Beispiel Schläge. In 6,5 Prozent der Haushalte wurden Kinder von einem Haushaltsmitglied körperlich bestraft.
     
  • Sexuelle Gewalt: 3,6 Prozent der Frauen wurden von ihrem Partner zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
     
  • Emotionale Gewalt: 3,8 Prozent der Frauen fühlten sich von ihrem Partner bedroht. 2,2 Prozent duften ihr Haus nicht ohne seine Erlaubnis verlassen. In 4,6 Prozent der Fälle regulierte der Partner Kontakte der Frauen mit anderen Personen, auch digitale Kontakte, zum Beispiel über Messenger-Dienste.

Ein Vergleich dieser Zahlen mit Daten aus der Zeit vor der Pandemie wäre nicht aussagekräftig, da bisherige Studien nach Gewalterfahrungen innerhalb längerer Zeiträume gefragt haben, nicht aber nach einem Zeitraum weniger Wochen.

Risikofaktor Finanzsorgen

Höher war die Zahl der Opfer sowohl bei Frauen als auch Kindern, wenn

  • sich die Befragten zu Hause in Quarantäne befanden (körperliche Gewalt gegen Frauen: 7,5 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 10,5 %).
     
  • die Familie akute finanzielle Sorgen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 8,4 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,8 %).
     
  • einer der Partner aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit war oder den Arbeitsplatz verloren hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 5,6%, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,3 %).
     
  • einer der Partner Angst oder Depressionen hatte (körperliche Gewalt gegen Frauen: 9,7 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 14,3 %).
     
  • sie in Haushalten mit Kindern unter 10 Jahren lebten (körperliche Gewalt gegen Frauen: 6,3 %, körperliche Gewalt gegen Kinder: 9,2 %).

Aus diesen Risikofaktoren leiten die Wissenschaftlerinnen mehrere Empfehlungen für bestehende und eventuelle künftige Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen während einer möglichen „zweiten Welle“ der Pandemie ab: „Es sollten Notbetreuungen für Kinder geschaffen werden, die nicht nur Eltern in systemrelevanten Berufen zur Verfügung stehen“, sagt Janina Steinert. „Da Depressionen und Angstzustände das Gewaltpotential erhöhen, sollten psychologische Beratungen und Therapien auch online angeboten und ohne Hürden genutzt werden können. Frauenhäuser und andere Stellen, die Hilfen anbieten, müssen systemrelevant bleiben.“

„Hilfe auch online anbieten“

Die Wissenschaftlerinnen fragten zudem, ob die betroffenen Frauen Hilfsangebote kennen und genutzt haben:

  • 48,2 Prozent der Opfer kannten die Telefonseelsorge, 3,9 Prozent hatten dort angerufen.
     
  • 32,4 Prozent kannten das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, 2,7 Prozent hatten sich dorthin gewandt.
     
  • 44,3 Prozent kannten das Elterntelefon, 21,5 Prozent hatten dort Hilfe gesucht.  
     
  • 5,5 Prozent kannten die Aktion „Codewort Maske 19“, bei der Apotheken die Behörden verständigen, wenn eine Kundin dieses Codewort sagt. 1,8 Prozent hatten diese Möglichkeit genutzt.

„Wenn Frauen durch ihre Partner intensiv kontrolliert werden, können sie telefonische Beratungsangebote nur schwer nutzen. Hilfe sollte deshalb auch online angeboten werden, per Chat, Messenger und E-Mail“, empfiehlt Cara Ebert. „Die bestehenden Hilfsangebote müssen zudem besser in der Öffentlichkeit beworben werden, zum Beispiel durch große Plakate in Supermärkten und Apotheken sowie durch Onlineanzeigen.“

Quelle: www.tum.de vom 02.06.2020