Ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen wurde bereits im Netz von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert

Dass Kinder und Jugendliche im Netz von Erwachsenen mit sexuellen Absichten kontaktiert werden, ist keine Seltenheit. Das zeigt eine repräsentative Befragung von Kindern und Jugendlichen, die die Landesanstalt für Medien NRW in Auftrag gegeben hat. Besonders das Phänomen des Cybergrooming, welches die Kontaktaufnahme Erwachsener mit sexuellen Absichten mit Kindern und Jugendlichen beschreibt, stand dabei im Zentrum der Befragung. Insgesamt wurden über 2.000 in Deutschland lebende Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren befragt.
Die Zahlen sind erschreckend. Fast ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen (24%) wurde bereits im Netz von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert (8-9 J.: 9%, 10-12 J.: 14%, 13-15 J.: 25%, 16-18 J.: 37%). Jedes sechste Kind bzw. jeder sechste Jugendliche (16%) gibt an, dass ihm bereits von einem erwachsenen Online-Kontakt eine Gegenleistung für ein Video oder Foto versprochen wurde. Jedes siebte Kind bzw. jede siebte Jugendliche (14%) wurde aufgefordert, sich für einen Erwachsenen vor der Webcam auszuziehen oder die Kamera seines Smartphones anzuschalten. 15 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen geben außerdem an, ungefragt Nacktbilder zugesandt bekommen zu haben – und das sind nur einige der Szenarien, die in der Befragung beschrieben und abgefragt wurden.
Über alle Schulformen hinweg beschreiben diese Erfahrungen relativ besonders häufig solche Kinder und Jugendliche, die auf eine Haupt- oder Berufsschule gehen. Die Befragung zeigt außerdem, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt. Beide Geschlechtergruppen erleben sexualisierte Ansprache von Erwachsenen im Netz gleichermaßen.
Auch die Kanäle, auf denen es zu einer sexualisierten Ansprache kam, wurden abgefragt. Vor allem bei Instagram haben die Befragten diese Erfahrungen bereits gemacht (31%), direkt gefolgt von WhatsApp (26%) und Snapchat (24%). Bei den Online-Games geben jeweils 9 Prozent der Befragten an, bereits bei FIFA22 (9%) und Minecraft (9%) mit sexuellen Absichten angesprochen worden zu sein.

Quelle: Pressemeldung der Landesanstalt für Medien NRW, Düsseldorf vom 16. Dezember 2021

Frühkindlicher Stress hinterlässt lebenslange Spuren im Gehirn

Forschende der Universitätsmedizin Mainz entdecken bisher unbekannten neurobiologischen Mechanismus, warum belastende Erfahrungen in der frühen Kindheit, wie beispielsweise eine gestörte Eltern-Kind-Bindung, ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter ist.

Die zugrundeliegenden neurobiologischen Mechanismen für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter in der Fogle von belastenden frühkindlichen Erlebnisse sind bisher nicht hinreichend geklärt. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Mainz hat nun in einem Mausmodell gezeigt, dass frühkindliche Stresserfahrungen die Funktion von bestimmten Gehirnzellen, den sogenannten ‚NG2+‘-Gliazellen, langanhaltend beeinträchtigen können.

Hofffnung auf neue Therapieansätze

Diese neue Erkenntnis ist Grundlage für die Entwicklung neuer Therapieansätze bei stressbedingten psychischen Störungen wie der Depression. Die Forschungsergebnisse wurden in der Novemberausgabe der Fachzeitschrift „Neurobiology of Stress“ unter dem Titel „Early life adversity targets the transcriptional signature of hippocampal NG2+ glia and affects voltage gated sodium (Nav) channels properties“ veröffentlicht.

Unbekannter Mechanismus entdeckt

„Unsere Studienergebnisse ermöglichen neue Einblicke in die Pathophysiologie von frühkindlichem Stress und zeigen, dass die Kommunikation zwischen ‚NG2+‘-Zellen und Neuronen bei stressbedingten Störungen von großer Bedeutung ist. Wir haben damit einen bisher unbekannten Mechanismus entdeckt, der Stress-assoziierten psychischen Erkrankungen wie der Depression zugrunde liegt. Insbesondere die Idee, dass wir durch die Modulation spannungsgesteuerter Natriumkanäle die Netzwerkaktivität wieder ins Gleichgewicht bringen und somit die regelrechte Funktion des Gehirns wiederherstellen können, birgt ein großes Potenzial für die Entwicklung neuartiger therapeutischer Ansätze in der Zukunft“, betonte PhD Giulia Treccani, Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Mikroskopische Anatomie und Neurobiologie (IMAN) der Universitätsmedizin Mainz und Erstautorin der Studie.

Das menschliche Gehirn besteht etwa zur Hälfte aus Gliazellen. Dabei handelt es sich um Zellen im Nervengewebe, die zusammen mit den Nervenzellen (Neurone) das Nervensystem bilden. Die bisherige neurobiologische Forschung zu den Ursachen und Therapien von psychischen Erkrankungen konzentriert sich vor allem auf die Neurone.

Stress beeinträchtigt bestimmte Gliazellen in ihrer Funktion

„Es wurde lange übersehen, dass die Gliazellen nicht nur das neuronale Netzwerk stützen, sondern auch Signale senden und mit den Neuronen kommunizieren. Das Hauptziel unserer Untersuchungen war es daher, nun erstmals die molekularen und funktionellen Auswirkungen von frühkindlichem Stress auf eine bestimmte Gliazellpopulation, die Oligodendrozyten-Vorläuferzellen, auch bekannt als ‚NG2+‘-Zellen, zu charakterisieren“, erklärte Treccani. „Wir wollten verstehen, inwieweit Stress in der frühen Kindheit die ‚NG2+‘-Zellen und ihre Funktion beeinflusst und wie diese Veränderungen zu langanhaltenden negativen gesundheitlichen Folgen im späteren Leben führen können.“

Das Forscherteam hat in einem Mausmodell gezeigt, dass frühkindlicher Stress das Transkriptom von ‚NG2+‘-Zellen im Hippocampus, einer speziellen Gehirnregion, beeinflusst. Das Transkriptom spiegelt den aktuellen Zustand aller aktiven Gene innerhalb der Zelle wider. Die Transkriptionseffekte korrelierten dabei stark mit der Konzentration des Stresshormons Corticosteron. Als mögliche Ursache für die Entwicklung von stressbedingten psychischen Störungen identifizierten die Wissenschaftler:innen im Rahmen ihrer Untersuchungen das durch den frühkindlichen Stress induzierte Kandidatengen Scn7a (Sodium channel protein type 7 subunit alpha).
Das Gen Scn7a kodiert für eine Untereinheit von spannungsaktivierten Natriumkanälen, die von ‚NG2+‘-Zellen während ihrer gesamten Lebensdauer häufig gebildet (exprimiert) wird. Die Kanäle sind von grundlegender Bedeutung für die Übertragung von neuronalem Input auf ‚NG2+‘-Zellen und daher für die Kommunikation zwischen Neuronen und ‚NG2+‘-Zellen relevant. Bei den gestressten Tieren erhöhte sich die Stromdichte der spannungsaktivierten Natriumkanäle in den ‚NG2+‘-Zellen des Hippocampus. Das bestätigt die funktionelle Bedeutung des Kandidatengens Scn7a. Darüber hinaus blieb Scn7a bis zum Erwachsenenalter in gestressten Tieren hochreguliert. Die Tiere zeigten zudem eine beeinträchtigte kognitive Leistung.

Individuelle Unterschiede bei der Auswirkugen von frühkindlichem Stress

Allerdings waren nicht alle Tiere in gleichem Maße von den Auswirkungen durch die frühkindliche Stresserfahrung betroffen. „Diese Erkenntnis spiegelt die Situation in der menschlichen Bevölkerung sehr gut wider“, erläuterte Treccani.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 24.12.2021

Kinder und Jugendliche in der Coronapandemie: Die Probleme setzen sich fort

Kinder und Jugendliche haben zum Schutz von älteren und vulnerablen Menschen in der Pandemie unter Lockdown-Bedingungen auf vieles verzichten müssen. Die daraus resultierenden psychischen Probleme sind in der psychotherapeutischen Versorgung angekommen.

Die Folgen der Coronamaßnahmen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind weitreichend und werden jetzt in den psychotherapeutischen und psychiatrischen Praxen sichtbar. Dysfunktionales Homeschooling, Konflikte mit den Eltern, fehlende soziale Kontakte mit Freunden, Sorgen um Angehörige sowie Zukunftsängste haben Heranwachsende psychisch stark belastet. „Studien belegen einen erhöhten psychotherapeutischen Behandlungsbedarf, wobei sich je nach Entwicklungsphase der Heranwachsenden psychische Probleme in unterschiedlichen Reaktionen äußern. Zu erwarten ist, dass sich die Probleme mit der Rückkehr zur Normalität fortsetzen“, betonte Prof. Dr. phil. Stefanie Schmidt, Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters an der Universität Bern bei der Fachveranstaltung „Kinder brauchen mehr/Jugend braucht mehr“ am 9. November. Eingeladen dazu hatte ein bundesweites Bündnis, bestehend aus 36 Psychotherapieverbänden (GK-II).

Zi zeigt mehr Inanspruchnahme

Vor Kurzem zeigte auch der Trendreport des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) für das erste Halbjahr 2021 eine auffällige Zunahme der Inanspruchnahme von kinder- und jugendpsychotherapeutischen Leistungen. Diese lag acht Prozent über der vorpandemischen Vergleichsperiode der ersten sechs Monate 2019. Im Juni 2021 lagen die Fallzahlen 37 Prozent über denen des Juni 2019. „Die offenbar pandemiebedingten massiven psychischen Belastungen der unter 18-Jährigen machen sich jetzt zunehmend in der ambulanten Versorgung bemerkbar“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert von der Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen, um die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen besser zu schützen. „Die Auswirkungen der Pandemie und das Leiden der Heranwachsenden und Familien erleben wir täglich in unseren Praxen“, betonte Michaela Willhauck-Fojkar, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Vorstandsmitglied der BPtK bei der Fachveranstaltung. Die psychische Widerstandsfähigkeit der Heranwachsenden müsse deshalb mit verschiedenen Maßnahmen gestärkt werden.

Gleichzeitig werden aktuell aufgrund der vierten Coronawelle wieder neue Einschränkungen diskutiert. „Wir können uns nicht sicher sein, dass wieder Maßnahmen auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden – Schul- und Kitaschließungen müssen dabei unbedingt vermieden werden“, forderte Willhauck-Fojkar.

Die Wissenschaftlerin Schmidt beleuchtete einige aktuelle Forschungsergebnisse zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie. So habe sich gezeigt, dass die psychische Gesundheit der Eltern oder gar elterlicher Burn-out einen großen Einfluss auf die psychische Belastung von Kindern hatte, weniger auf die von Jugendlichen. Kinder, die nicht mit beiden Elternteilen zusammenleben, hatten zudem weniger Probleme, was mit Paarkonflikten unter Lockdown-Bedingungen zusammenhänge. Entscheidend für Belastungen war Schmidt zufolge auch die Art der Kommunikation in Familien.

„Eine große Anzahl Kinder und Jugendlicher erlebt Stress und psychische Probleme in der Coronapandemie“, sagte Schmidt. Um gegenzusteuern, brauchten sie Monitoring und Unterstützungsangebote; insbesondere die vulnerablen Gruppen. Im Auge behalten müsse man auch die Lebensspannenperspektive der Heranwachsenden im Hinblick auf Transitionen und Zukunftsängste.

Vulnerable Gruppen

Als vulnerable Gruppen kennzeichnete Dr. phil. Johanna Thünker, Vorsitzende des Verbands Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP) insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund, sozial benachteiligte Kinder, Heranwachsende mit schweren chronischen Erkrankungen sowie Behinderungen, Opfer häuslicher Gewalt sowie Long-COVID-Betroffene. „Diese Kinder und Jugendlichen müssen wir besonders unterstützen und im Blick behalten“, sagte Thünker.

Die Psychologische Psychotherapeutin machte zudem darauf aufmerksam, dass die Kernherausforderungen des Erwachsenwerdens, wie Verselbstständigung und Selbstpositionierung, für Jugendliche durch den Lockdown unterbrochen wurden. Zugenommen hätten stattdessen Zukunftsängste, Leistungsdruck und Vereinsamung. All dies müsse man im Blick behalten.

Der vermehrte Bedarf an psychosozialer und psychotherapeutischer Versorgung hat die bestehende Unterversorgung im kinder- und jugendpsychotherapeutischen Bereich noch verschärft. Darin waren sich alle Beteiligten der Fachveranstaltung einig. VPP-Vorsitzende Thünker wies auch darauf hin, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung hier in der Pflicht seien, die Versorgung sicherzustellen. Sonderbedarfszulassungen seien hier eine wichtige Maßnahme, so Thünker. Weitere Maßnahmen, die jetzt zum Tragen kommen sollten, sind ihr zufolge die verstärkte Nutzung diagnostischer Instrumente zur Früherkennung und der Ausbau von Gruppenpsychotherapie. Des Weiteren sei es notwendig, Primär- und Sekundärprävention mit Blick auf die vulnerablen Gruppen zu etablieren. Ebenso wichtig sei ein Ausbau der Forschung.

Mit dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ stellt die Bundesregierung in den Jahren 2021/ 2022 zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Neben einer Milliarde Euro für den Abbau von Lernrückständen, wird mit einer zweiten Milliarde Euro die Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Familien durch das Bundesfamilienministerium geleistet. Damit können junge Menschen beispielsweise Ferienfreizeiten und Familienerholung bekommen. Zugleich sollen Kinder und Jugendliche durch massive Aufstockung der Schulsozialarbeit in ihren sozialen Kompetenzen unterstützt und bei der Rückkehr in den Alltag psychosozial begleitet werden.

Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Ariadne Sartorius vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) hatte alle zuständigen Landes- und Bundesministerien zur Umsetzung der eingeforderten Maßnahmen für Kinder und Jugendliche befragt. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Zielgruppen von diesem bunten Potpourri von regionalen Hilfsangeboten auf Landesebene meist nicht oder nur unzureichend erreicht werden“, sagte Sartorius. Die eigentlich gute Idee des Projektes „Aufholen nach Corona“ wirke nur bedingt, da es zu viele unterschiedliche und heterogene Maßnahmen umfasse, sodass die Wirkung der finanziellen Förderung damit ineffizient werde. „Die Angebote sind inhomogen, es ist unklar, was zu bestehenden Angeboten neu dazugekommen ist, was in der Finanzierung langfristig gesichert ist“, kritisierte sie. „Es gibt viele kleine Projekte. Wir brauchen aber eine große Kugel, in der die Angebote gebündelt sind, und aus der sie transparent abgerufen werden können“, forderte Sartorius. 

Quelle: www.aerzteblatt.de, PP 20, Ausgabe Dezember 2021

Kinder und Jugendliche: Medien- und Spielsucht während Corona gestiegen

Computerspiel- und Social-Media-Sucht haben bei Kindern und Jugendlichen in der Coronapandemie einer Studie zufolge zugenommen. Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) kommt in einer Untersuchung im Auftrag der DAK-Gesundheit zu dem Schluss, dass bei mehr als vier Prozent der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland ein pathologisches Nutzungsverhalten vorliegt.

Im Bereich Computerspiele hat sich demnach die Zahl der Betroffenen mit Suchtverhalten von rund 144 000 im Jahr 2019 auf 219 000 in diesem Jahr erhöht, bei der Nutzung von Social-Media-Plattformen wie TikTok, Snapchat, Whatsapp oder Instagram von 171 000 auf 246 000. „Der Anstieg der Mediensucht ist vor allem auf die wachsende Zahl pathologischer Nutzer unter den Jungen zurückzuführen“, sagte Studienleiter Prof. Dr. med. Rainer Thomasius vom DZSKJ des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Er warnte vor den Folgen durch die Vernachlässigung von Aktivitäten, Familie, Freunden und einen verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus.

Grundlage der Untersuchung ist eine wiederholte Befragung von Eltern und Kindern durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die erste fand im Herbst 2019 vor der Pandemie statt, die zweite zur Zeit der ersten Schulschließungen im Frühjahr 2020, eine weitere im November 2020, bevor die Schulen erneut geschlossen wurden und die vierte schließlich im Mai und Juni 2021, als Schulen langsam zu einem Normalbetrieb zurückkehrten.

Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erhöhte sich der tägliche Konsum auf mehr als drei Stunden täglich. Im November, als Schulen zwar größtenteils offen waren, das Freizeitangebot aber weiterhin stark eingeschränkt war, sank die Nutzung wieder leicht, lag aber immer noch deutlich über dem Niveau von 2019. Das blieb auch in diesem Mai und Juni so.

Die Nutzungszeiten bei Spielen und Social Media unter der Woche und auch am Wochenende lägen immer noch „deutlich über dem Vorkrisenniveau“, sagte Thomasius. Es werde eine weitere Befragung in 2022 angestrebt. Diese könnte zeigen, ob Corona dauerhafte Spuren im Nutzungsverhalten hinterlassen hat.

Quelle: www.aerzteblatt.de, PP 20, Ausgabe Dezember 2021

Sexuelle Gewalt an Kindern: Auch Frauen können Täterin sein

Auch Frauen üben sexualisierte Gewalt an Kindern aus. Das zeigen Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Mehrheit der Personen, die von sexuellem Kindesmissbrauch durch Frauen betroffen sind, berichtete in einer anonymen Online-Befragung davon, dass die sexualisierte Gewalt in der frühen Kindheit begann und über mehrere Jahre andauerte. Häufig wurde die Gewalt von Personen aus dem Familienkreis der Betroffenen ausgeübt. In den meisten Fällen war die eigene Mutter die Täterin. Die beschriebenen sexuellen Handlungen zeigen eine große Bandbreite, die bis hin zu schwerer sexualisierter Gewalt im Kontext der organisierten Kriminalität reicht.

Strategien und Typen von Täterinnen wurden in dem Projekt durch Auswertungen der Berichte an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die das Projekt finanziert hat, ebenfalls untersucht. Es zeigten sich danach vier Typen: die sadistische Täterin, die ein starkes Ausmaß an Gewaltanwendung zeigt, die sogenannte parentifizierende Täterin, die in den betroffenen Kindern und Jugendlichen einen Ersatz für erwachsene Sexualpartner sieht, die vermittelnde Täterin, die betroffene Kinder dritten Tatpersonen zuführt, und die instruierende Täterin, die oft im Kontext von organisierten Gewaltstrukturen auftritt.

 „Die Auswertungen ergaben auch, dass sexualisierte Gewalt durch weibliche Täterinnen für Betroffene und das Umfeld schwerer zu erkennen ist als solche durch männliche Täter. Es wird bei Täterinnen eine subtilere Vorgehensweise und mehr psychische Manipulation berichtet“, sagt Prof. Dr. phil. Johanna Schröder vom UKE. Viele der Betroffenen litten unter posttraumatischen Belastungssymptomen. Die psychischen Folgen des sexuellen Kindesmissbrauchs würden zudem durch Stigmatisierungsprozesse verstärkt.

Quelle: www.aerzteblatt.de; PP 20, Ausgabe Dezember 2021

Autismus: Anscheinend bereits vor dem ersten Geburtstag Anzeichen erkennbar

Eine aktuelle amerikanische Studie dokumentiert nun, dass sich beobachtbare Unterschiede in der sozialen Kommunikation bei Säuglingen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) schon ab einem Alter von 9 Monaten abzeichnen können.

Die Grundlage für Kommunikation mit anderen Menschen ist von Geburt an angelegt. Neugeborene schauen bevorzugt Gesichter an und hier insbesondere die von ihren Bezugspersonen. Im Alter zwischen 9 und 12 Monaten fangen Säuglinge an, mithilfe von Blicken, Mimik, Gestik und Lauten mit anderen in Kontakt zu treten. Es ist bekannt, dass Kinder mit Autismus Schwierigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation haben, aber es gibt wenig Erkenntnisse darüber, ob sich diese Probleme schon vor dem Spracherwerb bei kleinen Kindern unter einem Jahr zeigen.

Forschern der University of South Carolina, der Emory University School of Medicine und der Florida State University und von anderen Institutionen veröffentlichten nun eine Studie, die belegt, dass bereits bei Säuglingen ab 9 Monaten Anzeichen für Autismus erkennbar sein können.

„Mit der Sprachentwicklung beginnen normalerweise Eltern von Kindern mit Autismus sich Sorgen zu machen, aber es gibt viele anderer Kommunikationsformen, die sich im ersten Lebensjahr schnell entwickeln, wie Gesten und Laute. Ob vor dem Sprechenlernen kommunikative Entwicklungsschritte erreicht werden oder nicht, kann unbemerkt bleiben“, erläuterte Jessica Bradshaw, Assistenzprofessorin für Psychologie von der University of South Carolina.

Die prospektive Längsschnittstudie zur sozialen Entwicklung fand zwischen 2012 und 2016 statt und umfasste 124 Säuglinge (35% weiblich), die eine familiär bedingt hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeit besaßen, an Autismus zu erkranken. Bei den in diese Studie eingeschlossenen Teilnehmern wurde bis zum Studienende entweder Autismus diagnostiziert oder es wurde bestätigt, dass sie sich nach 24 Monaten normal entwickelten.

Nonverbale Kommunikationsfähigkeiten im Fokus

Die Experten bewerteten bei den kleinen Teilnehmer nach 9 und 12 Monaten, welche Kommunikationsfähigkeiten sie entwickelt hatten. Dies beurteilten die Forscher anhand folgender Beobachtungen:

  • Soziale Fähigkeiten: Emotion und Blick, Kommunikation und Gestik
  • Sprachfähigkeiten: Laute
  • Symbolische Fähigkeiten: Verstehen und Objektgebrauch

„Die Ergebnisse zeigen, dass es während dieses Entwicklungsfensters von unschätzbarem Wert sein kann, sich der Veränderungen in der sozialen Kommunikation zwischen 9 und 12 Monaten bewusst zu sein“, kommentierte Professorin Abigail Delehanty von der Duquesne University. Diese Studie liefere Hinweise dafür, dass es sinnvoll sein könnte, schon vor dem ersten Geburtstag mit Förderungen zu beginnen. Säuglinge mit Autismus zeigten weniger sozialkommunikatives Verhalten und erreichten während dieser Zeit in diesem Bereich auch weniger Fortschritte wie gesunde Gleichaltrige, so Delehanty
Diese Studie zeigt, dass Säuglinge, bei denen später Autismus diagnostiziert wird, bereits im Alter von 9 Monaten deutlich weniger soziale und frühe Kommunikationsfähigkeiten aufweisen als ihre sich normal entwickelnden Altersgenossen. Nur drei Monate später, mit 12 Monaten, schnitten Säuglinge mit Autismus bei fast allen Bereichen der vorsprachlichen Kommunikation schlechter ab.

Drei Verhaltensweisen ließen sich bei kleinen Kindern mit Autismus feststellen:

  • Erstens wurde beobachtet, dass die Kommunikation mithilfe von Blicken, Mimik und Lauten von 9-12 Monaten „konstant niedrig“ war.
  • Zweitens verzögerte sich die symbolische Verwendung von Gegenständen (z. B. kreativer Umgang mit Spielzeug). Diese war zwar im Alter von 9 Monaten sowohl bei Kindern mit Autismus als auch bei Kindern ohne Autismus ähnlich, blieb aber bei den Kindern mit Autismus im Altern von 12 Monaten im Vergleich zu Gleichaltrigen weniger weit entwickelt.
  • Schließlich zeigten Kinder mit Autismus beim Gebrauch von Gesten und bei ihrer allgemeinen Kommunikationshäufigkeit eine „wachsende Lücke“.

Diese Ergebnisse deuten auf sehr frühe Unterschiede in der sozialen Kommunikation bei Säuglingen mit Autismus hin, die bereits im Alter von 9 Monaten zu beobachten sind.

Wenn Eltern oder Betreuer über diese Unterschiede informiert wären, gäbe es möglicherweise Möglichkeiten, frühzeitig fördernd einzugreifen, so die Hoffnung von Professorin Amy Wetherby, ebenso Autorin der Studie und Direktorin des Autism Institute in Florida.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 17.12.2021

WICHTIG:

Die Praxis ist aufgrund einer technischen Störung der Telekom nicht per Telefon zu erreichen.

Aus diesem Grund fällt auch die Telefonische Sprechzeit am 14. 12.2021 aus.

Wir sind nur noch eingeschränkt über E-Mail zu erreichen.

Coronavirus-Infektion: Ansteckungsrate bei Kindern und Erwachsenen ähnlich, aber Kinder erkranken seltener

Eine amerikanische Studie zeigt eine relativ hohe Übertragungsrate unter Familienmitgliedern, die in einem Haushalt wohnen, wenn mindestens ein Angehöriger mit dem Coronavirus infiziert ist.

Laut einer aktuellen amerikanischen Untersuchung, die in „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht wurde, haben Kinder und Erwachsene ein ähnlich hohes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, aber ein viel größerer Anteil der infizierten Kinder zeigt keine Symptome. Wenn ein Haushaltsmitglied infiziert ist, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 52%, dass es die Infektion an mindestens eine weitere Person überträgt, mit der es zusammenlebt.

Die Ergebnisse basieren auf der Coronavirus Household Evaluation and Respiratory Testing (C-HEaRT)-Studie, die von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Zusammenarbeit u.a. mit Forschern der University of Utah Health, der Columbia University, des Marshfield Virology Laboratory durchgeführt wurde.

„Oft schien es, als wären Kinder nicht krank, weil sie keine Symptome entwickelten“, erklärte Christina Porucznik, Ph.D., Professorin für Public Health an der University of Utah Health, die die Untersuchung von 189 Familien in Utah leitete. „Aber einige waren tatsächlich infiziert und konnten COVID-19 immer noch verbreiten.“

Zu Beginn der Pandemie deuteten Berichte darauf hin, dass Kinder die Minderheit der COVID-19-Fälle ausmachten. Eine Schlussfolgerung war, dass Kinder weniger anfällig für Infektionen seien. Aber der Grund für diese niedrigen Zahlen war, dass Kinder keine Symptome zeigten, daher nicht getestet wurden und so die gemeldeten Fallzahlen deutlich geringer waren als bei den.
Um die Infektionsdynamik besser zu verstehen, verfolgte die C-HEaRT-Studie 310 Haushalte mit einem oder mehreren Kindern im Alter von 0 bis 17 Jahren in Utah und New York City. Mehr als 1.236 Studienteilnehmer reichten wöchentliche Proben von PCR-Tests auf SARS-CoV-2-Infektionen ein und füllten wöchentliche Fragebögen zu Symptomen aus. Im Durchschnitt wurde jede Person 17 Wochen lang beobachtet, und der Bericht umfasste insgesamt 21.465 Personenwochen Überwachungszeit. Die Ergebnisse reichten von September 2020 bis April 2021, bevor die Delta-Variante in den USA auftauchte.

Die Untersuchungen ergaben, dass:

  • Kinder und Erwachsene ab 18 Jahren ähnliche Infektionsraten aufwiesen.
  • Die Infektionsraten innerhalb der Altersgruppen (0 bis 4 Jahre; 5 bis 11 Jahre; 12 bis 17 Jahre) wichen nicht stark voneinander ab. Sie lagen zwischen 4,4 bis 6,3/1.000 Personenwochen.
  • Etwa die Hälfte der infizierten Kinder zeigten Beschwerden, verglichen mit 88% der Fälle bei den Erwachsenen.
  • In Haushalten mit einer oder mehreren infizierten Personen lag das durchschnittliche Haushaltsinfektionsrisiko insgesamt bei 52%.
  • Das durchschnittliche Infektionsrisiko in Haushalten lag in Utah bei 40% und in New York City bei 80%.

Es müssten weitere Untersuchungen durchgeführt werden, die sich damit befassen, welchen Einfluss die Wohnverhältnisse (Wohndichte), der Zeitpunkt des Auftretens der Delta-Variante oder andere Faktoren auf die den Übertragungsraten in den Haushalten haben, so die Autoren.

Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen, dass viele Infektionen bei Kindern unentdeckt bleiben, was die Notwendigkeit von Tests und der Fortsetzung der Sicherheitsmaßnahmen unterstreichen würde, ergänzte Porucznik. „Wir wissen, dass es bis zur Impfung der Kinder immer noch wichtig ist, in Gruppen Masken zu tragen und Abstand zu halten“, betonte sie. „Und vor allem, wenn sie krank sind, sollten Kinder zuhause bleiben.“

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 26.11.2021

Diabetes und Übergewicht: Versorgung psychischer Komorbiditäten schlecht

Die Versorgung psychischer Begleiterkrankungen von Menschen mit Diabetes und Übergewicht ist laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) häufig unzureichend. Aber Depressionen und Ess- oder Angststörungen behinderten die Selbstmanagementfähigkeiten immens.

Zum Beispiel träten Depressionen bei Menschen mit Diabetes doppelt so häufig auf wie bei jenen, die nicht unter der Stoffwechselerkrankung litten. „Die beiden Erkrankungen stehen in einer Wechselwirkung zueinander, die dazu führt, dass sie sich bei fehlender Behandlung im Krankheitsverlauf gegenseitig negativ beeinflussen oder sogar eine die andere bedingt“, erläutert die DDG-Expertin und Psychologin Susan Clever.

Menschen mit Diabetes ebenso wie Menschen mit starkem Übergewicht seien zudem Stigmatisierungen ausgesetzt, die sich negativ auf ihren Umgang mit Therapieempfehlungen auswirken könnten. Außerdem erschwerten Essstörungen häufig das notwendige, gesunde, regelmäßige und der jeweiligen Erkrankung angepasste Essen. Essstörungen beeinflussten die jeweilige Grunderkrankung negativ und könnten sogar ein lebensgefährliches Ausmaß annehmen. Auch die Adipositas ohne begleitenden Diabetes werde nur selten in seiner großen Komplexität und mit den häufig verbundenen psychischen Begleiterkrankungen wahrgenommen und behandelt, kritisierte sie.

Vermeintlich einfache Empfehlungen zur Verhaltensänderung und Disziplin wirken laut DDG und DAG eher kontraproduktiv und verstärkten die wiederholte Erfahrung eigenen Scheiterns bei den Betroffenen. „Deswegen bedarf jede psychische Komorbidität bei Diabetes und Adipositas einer begleitenden psychotherapeutischen Behandlung durch Fachpersonal, das mit den Spezifika von Stoffwechselerkrankungen vertraut ist“, so die Expertin. Die entsprechenden Behandlungsangebote seien aber rar. 

Quelle: www.aerzteblatt.de / PP 20, Ausgabe November 2021, Seite 484