Internationale Studie bestätigt langfristige Sicherheit von Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass das am häufigsten verschriebene Medikament zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen auch im Rahmen einer Langzeittherapie über zwei Jahre im Allgemeinen sicher ist und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Wachstumsstörungen, psychiatrischen oder neurologischen Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen nicht erhöht.

Die Ergebnisse zeigten sich in einer naturalistischen, prospektiven, kontrollierten Längsschnittstudie, die Forscherinnen und Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski (Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und stellvertretender Direktor des ZI) zusammen mit einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Forschern der UCL School of Pharmacy und der Universität Hongkong (Dr. Kenneth Man und Prof. Ian Chi-Kei Wong) sowie Prof. David Coghill, Department of Paediatrics, University of Melbourne durchgeführt haben. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „The Lancet Psychiatry“ veröffentlicht.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten Entwicklungsstörungen. Weltweit sind etwa 7% aller Kinder und 2% aller Erwachsenen von ADHS betroffen. Unbehandelt geht ADHS unter anderem mit einem erhöhten Risiko für emotionale Probleme, schlechte schulische Leistungen, Schulausschlüsse, Schwierigkeiten bei der Arbeit und in Beziehungen sowie Kriminalität und Drogenmissbrauch einher.

Langfristige Sicherheit von Methylphenidat

Methylphenidat ist in vielen Ländern das am häufigsten verschriebene Medikament zur Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Die kurzfristige Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit wurden durch zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien belegt. Hingegen gab es nur wenige Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit einer langfristigen Behandlung mit Methylphenidat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lehnte daher die Aufnahme von Methylphenidat in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel ab und äußerte „Bedenken hinsichtlich der Qualität und der Grenzen der verfügbaren Nachweise in Bezug auf Nutzen und Schaden“. Um die Bedenken hinsichtlich der langfristigen Sicherheit in der Behandlung mit Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS auszuräumen, finanzierte die Europäische Union das Projekt ADDUCE (Attention Deficit Hyperactivity Disorder Drugs Use Chronic Effects). Im Rahmen des EU-Projektes wurde eine naturalistische Studie unter Beteiligung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim durchgeführt und die Auswirkungen einer Langzeitbehandlung mit Methylphenidat auf Wachstum und Entwicklung sowie auf psychiatrische, neurologische und kardiovaskuläre Gesundheitsfolgen bei Kindern und Jugendlichen untersucht.

Langfristige Einnahme von Methylphenidat führt nicht zu verlangsamtem Wachstum

Für die ADDUCE-Studie wurden 1.410 Kinder und Jugendliche aus 27 europäischen Zentren für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Vereinigten Königreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Ungarn rekrutiert. Die Studie ist insofern einzigartig, als es sich um die erste prospektive Studie handelt, in der Kinder und Jugendliche mit ADHS, die eine Langzeitbehandlung mit Methylphenidat erhielten, und solche, bei denen keine Pharmakotherapie erfolgte, direkt miteinander verglichen wurden.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die langfristige Einnahme von Methylphenidat nicht mit Beeinträchtigungen des Wachstums oder mit einem höheren Risiko für psychiatrische oder neurologische Symptome einherging. Tatsächlich zeigte sich bei der langfristigen Einnahme von Methylphenidat ein durchschnittlich sehr geringer Anstieg des Blutdrucks und der Pulsfrequenz, wenn man die Methylphenidat-Gruppe mit der Gruppe ohne Methylphenidat verglich. Diese Erhöhungen werden jedoch nicht als schwerwiegend oder gesundheitsschädlich angesehen. Frühere Untersuchungen aus dem ADDUCE-Projekt haben zudem gezeigt, dass die Behandlung mit Methylphenidat das Risiko für Suizidversuche nicht erhöht und das Risiko, Opfer von körperlicher Misshandlung zu werden, senken kann.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Methylphenidat in der Langzeitbehandlung von Kindern mit ADHS im Allgemeinen sicher und gut verträglich ist. Allerdings sind in Einzelfällen auch stärkere Anstiege von Pulsfrequenz und Blutdruck möglich, so dass regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden sollten“, sagt Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und stellvertretender Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 16.06.2023

Kinder mit ADHS haben seltener sichere Bindung

Wissenschaftler*innen der Universität Siegen untersuchten, ob und wie sich Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und deren Eltern in ihrem Bindungsverhalten von davon unbelasteten Kindern und deren Eltern unterscheiden.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zählt mit einer Auftretenshäufigkeit von 5 bis 7% weltweit zu den am häufigsten vorkommenden kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern. „Eine ADHS ist ein Störungsbild, das langfristig auftritt und schwerwiegende Auswirkungen auf zentrale Lebensbereiche der betroffenen Kinder und deren Familien hat“, erklärte Prof. Dr. Rüdiger Kißgen, Professor für Entwicklungswissenschaft und Förderpädagogik an der Universität Siegen. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren aus der Forschungsperspektive mit dieser Thematik. Im Fokus der aktuellen Studie von Prof. Kißgen und seinem Team steht die Frage, ob und wie sich die ADHS-Diagnose eines Kindes auf dessen und auf die Bindung der Eltern auswirkt und welche Bedeutung die Ergebnisse für die Familiendynamik haben.

„Unter Bindung wird im wissenschaftlichen Kontext die besondere Form einer Beziehung verstanden, die ein Säugling nur an jene Personen entwickelt, von denen er in seinem ersten Lebensjahr beständig betreut wird. Da sich Eltern oder andere Bindungspersonen im Umgang mit dem Säugling erheblich voneinander unterscheiden können, wird der Säugling sich bis zum 12. Monat unterschiedlich an diese Hauptbezugspersonen binden“, so Prof. Kißgen. Dabei gebe es vier definierte Bindungsklassifikationen: sicher, vermeidend, ambivalent und desorganisiert. Aus den Längsschnittstudien der Bindungsforschung weiß man seit vielen Jahren, dass die sichere Bindung einen Schutzfaktor für die psychosoziale Entwicklung des Kindes bis zum jungen Erwachsenenalter darstellt. Demgegenüber handelt es sich bei der desorganisierten Bindung um einen Risikofaktor für eine psychopathologische Entwicklung.

Im Rahmen einer Forschungskooperation mit der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln haben Prof. Kißgen und sein Team über einen Zeitraum von drei Jahren 80 Kinder von 5 bis 9 Jahren mit einer ADHS-Diagnose und deren Eltern untersucht. Ebenso wurden 80 klinisch unbelastete Kinder und deren Eltern an Grundschulen in Siegen, Bonn und Köln als Kontrollgruppe untersucht.

Familien mit ADHS-Kind sind starken Belastungen ausgesetzt

Die Ergebnisse zur Hauptforschungsfrage zeigen in einem statistisch bedeutsamen Ausmaß, dass Kinder mit einer ADHS-Diagnose und deren Eltern erheblich seltener eine sichere und erheblich öfter eine desorganisierte Bindungsklassifikation aufweisen als die Kinder und Eltern der Kontrollgruppe. Zusätzlich zur Untersuchung der Bindungsklassifikation wurde über Fragebögen erhoben, wie die Eltern ihre eigene und die familiäre Belastung einschätzen und wie die Einschätzung der Verhaltensauffälligkeit ihrer Kinder ausfällt. Darüber hinaus wurden auch die Kinder aufgefordert, sich selbst über Fragebögen zu möglichen Verhaltensauffälligkeiten einzuschätzen. Die elternbezogenen Ergebnisse sind wenig überraschend: Mütter und Väter der Kinder mit diagnostizierter ADHS schätzen sich selbst und die familiäre Situation erheblich belasteter ein als die Eltern der nicht-klinischen Stichprobe. Auch stufen sie ihre Kinder deutlich verhaltensauffälliger ein, als die Eltern der Kinder ohne ADHS. Überraschend fällt jedoch die Selbsteinschätzung der Kinder hinsichtlich möglicher Verhaltensauffälligkeiten aus. Sowohl die Kinder mit einer ADHS als auch die Kontrollgruppenkinder schätzen sich selbst als wenig verhaltensauffällig ein.
„Als vorläufiges Fazit aus der noch nicht vollständig ausgewerteten Studie lässt sich die Aussage treffen, dass es keinen Sinn macht, bei einer ADHS-Diagnose die Behandlung ausschließlich auf das Kind auszurichten“, so Prof. Kißgen. Da die sichere Bindung in den von ADHS betroffenen Familien seltener und die desorganisierte Bindung häufiger auftritt, liegen dort weniger Schutzfaktoren und mehr Risikofaktoren für die familiäre Dynamik zwischen den Kindern und ihren Eltern vor. Beides trägt vermutlich dazu bei, dass das von den Eltern angegebene Belastungsausmaß äußerst stabil ist und nur durch professionelle Begleitung angemessen reduziert werden kann.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 09.06.2023

Psychotherapeuten sehen COVID-19-Pandemie als eine ernste Krise für die psychische Gesundheit

Berlin – „Schon zu Beginn der Pandemie sind wir davon ausgegangen, dass die Auswirkungen auf die Psyche erheblich sein würden. Die ausgewerteten Studien und Statistiken bestätigen unsere Befürchtungen“, sagte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) gestern anlässlich des Jahressymposiums des Verbandes „Pandemie und Psyche“ und des „Reports Psychotherapie 2023“ zum Thema „Psychische Gesundheit in der COVID-19-Pandemie“.

Der Report Psychotherapie fasst kompakt die aktuelle Studienliteratur zu dem Thema zusammen. „Die COVID-19-Pandemie war eine ernste Krise für die psychische Gesundheit – das zeigen uns die Studien-Ergebnisse deutlich“, sagte Enno Maaß, stellvertretender Bundesvorsitzender der DPtV und Co-Autor des Reports.

„Sowohl die Infektion selbst als auch die Folgen der Pandemie-Bedingungen haben die psychischen Ressourcen der Menschen angegriffen – und zu einem deutlich erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen geführt.“

Die Daten legen Maaß zufolge einen Zusammenhang nah: Je stärker die Einschränkung der gewohnten Bedingungen war, desto stärker zeigten sich individuelle psychische Auswirkungen. „Bei Schulschließungen und den Bedingungen in Alten- und Pflegeheimen wurde dies besonders sichtbar“, so der Psychotherapeut.

„Für Deutschland fehlen belastbare Daten. Internationale Studien haben jedoch gezeigt, dass Depressionen und Angststörungen seit Beginn der COVID-19-Pandemie zugenommen haben“, berichtete Eva-Lotta Brakemeier, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Greifswald.

Die Studien wiesen zudem darauf hin, dass bestimmte Gruppen durch die Pandemie besonders psychisch belastet waren und sind: Kinder und Jugendliche, sozial Benachteiligte, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit körperlichen und psychischen Vorerkrankungen, Hochbetagte in Pflegeheimen sowie Patienten mit Post-COVID-Syndrom. Diese vulnerablen Gruppen müsse man in den Fokus nehmen.

„Immer mehr Betroffene suchen Hilfe, aber das Versorgungssystem ist auf den großen Ansturm nicht vorbereitet“, erklärte Brakemeier. Beispielsweise stünden aktuell 450 Menschen auf der Warteliste für eine Psychotherapie am Zentrum für Psychologische Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald. Vor der Pandemie seien es im Durchschnitt 90 Hilfesuchende gewesen.

Im bundesweiten Durchschnitt warten nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) Patientinnen und Patienten nach dem Erstgespräch bei einer niedergelassenen Psychotherapeutin /-therapeuten circa fünf Monate auf den Beginn einer Richtlinienpsychotherapie.

„Die große Nachfrage nach Psychotherapie ist auch auf die pandemiebedingte Enttabuisierung psychischer Erkrankungen zurückzuführen“, berichtete die Professorin. Die Selbstöffnung vieler prominenter Menschen während der Pandemie habe zu einer Entstigmatisierung geführt.

Mehr Forschung, aber auch mehr Fortbildung ist laut Hentschel und Brakemeier notwendig in Bezug auf die psychischen Auswirkungen von COVID-19-Erkrankungen. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zeigten, dass Betroffene nach überstandener Erkrankung neben einigen körperlichen Symptomen auch vermehrt unter Angst- und Depressionssymptomen, Fatigue oder verminderter kognitiver Belastbarkeit leiden.

„Eine hohe Prävalenz sehen wir vor allem bei Fatigue. Evidenzbasierte psychotherapeutische Strategien erhalten viele Patienten aber derzeit nicht“, sagte Brakemeier, die auf die „Long-COVID-Sprechstunde“ an der Universitätsmedizin Greifswald hin wies. Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sei mehr Fortbildung zum Post-COVID-Syndrom erforderlich, Wissen über die Erkrankung müsse auch in das Psychotherapiestudium aufgenommen werden.

Der DPtV-Vorsitzende Hentschel betonte die Bedeutung einer guten differentialdiagnostischen Abklärung, um zwischen Fatigue und einer depressiven Störung unterscheiden zu können. „Patienten mit einer depressiven Störung profitieren etwa von Aktivierung und Gruppentherapie. Bei Fatigue ist beides kontraindiziert.“

Um die Folgen der Pandemie insbesondere für Kinder und Jugendliche aufzufangen, müsste Brakemeier zufolge „mehr Psychologie“, an die Schulen. Schulpsychologinnen und -psychologen sowie Schulsozialarbeitende könnten betroffene Kinder unterstützen. Gut wäre laut der Psychotherapeutin auch, wenn ein Unterrichtsfach ‚Psychologie‘ in die Schulcurricula aufgenommen würde.

Helfen könnten zudem die von der Bundesregierung avisierten Mental-Health-Coaches an Schulen. Das Modellvorhaben im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ soll ab dem Schuljahr 2023/24 Schulen bei Fragen zur mentalen Gesundheit und bei akuten psychischen Krisen von Schülern unterstützen.

Bei einer erneuten Pandemie oder Naturkatastrophe müsse „psychotherapeutisches Know-how in Krisenstäben und im öffentlichen Gesundheitsdienst besser verankert werden“, fordert die DPtV. Außerdem sollten Prävention und Aufklärung im Bereich der psychischen Gesundheit gestärkt werden. „Wir sollten seelische Gesundheit immer mitdenken. Psychische Krankheiten können zwar ,leiser‘ verlaufen – sind aber keinesfalls harmlos“, sagte abschließend der stellvertretende DPtV-Vorsitzende Enno Maaß. 

Quelle: www.aerzteblatt.de vom 15.06.2023

Netzwerk Frühe Hilfen nahezu bundesweit verfügbar

Köln – In nahezu allen Kommunen mit einem Jugendamt in Deutschland sind sogenannte Frühe Hilfen verfügbar – es sind also eine Familienhebamme oder Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegende vorhanden. Die Gesundheitsfachkräfte suchen Familien auf und kümmern sich mit ihnen um die gesunde Entwicklung und Versorgung von Babys und Kleinkindern.

Damit hat sich die flächendeckende Ausweitung dieses Angebots seit 2013 fortgesetzt. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Kommunalbefragung des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH), an der sich bundesweit nahezu alle Kommunen mit einem Jugendamt beteiligt haben. Sie gibt die Situation Ende des Jahres 2020 wider.

„Auch in der Zeit nach der Pandemie bleiben Unterstützungsangebote vor allem für Familien in schwierigen Lebenslagen wichtig. Daher freue ich mich über die Verbreitung der Frühen Hilfen in den Kommunen“, sagte Martin Dietrich, Kommissarischer Direktor der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Befragung verdeutlicht aber auch den weiteren Entwicklungsbedarf in den Frühen Hilfen: Der Mangel an Fachkräften und fehlende finanzielle Mittel sind danach das größte Hindernis für den weiteren Ausbau des Angebots. So fehlten in über der Hälfte der befragten Kommunen Gesundheitsfachkräfte für eine bedarfsgerechte Versorgung. 

Quelle: www.aerzteblatt.de vom 15.06.2023

Mütterliche Alopecia areata mit Autoimmun­erkrankungen und psychischen Problemen beim Kind assoziiert

Wonju – Hat die Mutter eine Alopecia areata, dann ist auch bei ihren Nachkommen das Risiko für eine ganze Reihe von Erkrankungen signifikant erhöht: Die Kinder entwickeln häufiger entzündliche sowie Autoimmunerkrankungen, aber auch Erkrankungen von Haut, Schilddrüse und Psyche. Das zeigt eine retrospektive Kohortenstudie aus Korea, deren Ergebnisse jetzt in JAMA Dermatology veröffentlicht wurden.

„Alopecia areata ist mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen sowie psychischen Störungen assoziiert“, schreiben die Autoren um Ju Yeong Lee von der Abteilung für Dermatologie am Wonju College of Medicine der Universität Yonsei in Wonju, Korea. „Aber welche langfristigen Konsequenzen eine mütterliche Alopecia areata für den Nachwuchs hat, dazu gab es kaum Daten.“

Ihre retrospektive Kohortenstudie basiert auf dem nationalen Geburtenregister der Republik Korea. Eingeschlossen wurden von 2003-2015 alle Neugeborene von Müttern, bei denen eine Alopecia areata (ICD-10-Code L63) diagnostiziert worden war.

Als Vergleichsgruppe diente eine nach Geburtsjahr, Geschlecht, Versicherungsstatus, Einkommen und Wohnort gematchte Kohorte von Neugeborenen, deren Mütter keine entsprechende Diagnose hatten.

Die Kinder wurden auf eine lange Liste von Erkrankungen überprüft

Analysiert wurde in den Jahren 2022 und 2023 das Auftreten von Alopecia areata, Alopecia totalis/universalis, Vitiligo, Psoriasis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Ekzem, allergische Rhinitis, Asthma, Hyperthyreose, Hypothyreose, Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, ADHS, Gemütserkrankungen und Angststörungen bei den Kindern.

Die Forschungsgruppe analysierte insgesamt 67.364 Neugeborene von Müttern mit Alopecia areata und 673.640 Neugeborene von Müttern ohne Alopecia areata. Die Kinder, deren Mütter Alopecia areata hatten, wiesen signifikant erhöhte Risiken für Alopecia areata (aHR 2,08), Alopecia totalis/universalis (aHR 1,57), Vitiligo (aHR 1.47), atopische Erkrankungen (aHR 1,07), Hypothyreose (aHR 1.14) und psychische Erkrankungen (aHR 1,15) auf.

Bei vollständigem Haarverlust besonders hohes Risiko für psychische Erkrankungen

Unter ihnen waren 5.088 Neugeborene, deren Mütter an einer eine Alopecia totalis/universalis litten. Sie hatten ein noch viel höheres Risiko, ebenfalls an Alopecia totalis/universalis zu erkranken. Und auch das Risiko für psychische Erkrankungen war bei ihnen noch stärker erhöht als in der Gesamtkohorte.

„Angesichts dessen, dass mütterliche Alopecia areata mit der Entstehung von autoimmunen beziehungsweise entzündlichen Erkrankungen sowie atopischen, Schilddrüsen- und psychischen Erkrankungen bei den Kindern assoziiert war, sollten sich Ärzte und Eltern darüber bewusst sein, dass diese Komorbiditäten auftreten können“, schlussfolgern die koreanischen Wissenschaftler. 

Quelle: www.aerzteblatt.de vom 15.06.2023

Kinder- und Jugendreport 2022

Gesundheit und Gesundheitsversorgung vor und während der Pandemie

Die mehr als 30 Monate andauernde COVID-19-Pandemie hat direkt und indirekt potenziell großen Einfluss auf die Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Aus den pandemiebegleitenden Maßnahmen, Belastungen im Familienleben (und den dort verfügbaren monetären und nicht monetären Ressourcen) sowie der allgemein veränderten Inanspruchnahme des medizinischen und nicht-medizinischen Versorgungssystems erwachsen während der Pandemie verschiedene Herausforderungen physischer, psychischer, sozialer als auch finanzieller Natur für ein gesundes Aufwachsen. 

Durch den Kinder- und Jugendreport 2022 werden diese Auswirkungen ebenso wie Versorgungsherausforderungen sichtbar gemacht. Datengrundlage sind anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 800.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Der Report basiert damit auf Daten von 5,7 % aller Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik. Je nach Bundesland können über 10 % aller dort lebenden Kinder abgebildet werden. Analysiert wurden die Jahre 2018 bis 2021.

Auf einen Blick: Gesundheitsfolgen

  • Die Häufigkeit von Arztkontakten hat in 2021 gegenüber den Vorjahren weiter abgenommen
  • +54 % mehr neu diagnostizierte Essstörungen bei Mädchen (15-17 Jahre)
  • +23 % mehr neu diagnostizierte Depressionen bei Mädchen (10-14 Jahre)
  • +24 % mehr neu diagnostizierte Angststörungen bei Mädchen (15-17 Jahre)
  • +15 % mehr neu diagnostizierte Adipositas-Fälle bei Jungen (15-17 Jahre)
  • Die Häufigkeit von Arzneimittel-Verordnungen hat in 2021 gegenüber den Vorjahren weiter abgenommen
  • +19 % erhöhtes Risiko einer Depressions-Neuerkrankung bei Mädchen mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status gegenüber Mädchen aus Familien mit hohem Status (15-17 Jahre)
  • +62 % erhöhtes Risiko auf Adipositas bei Jungen mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status gegenüber Jungen aus Familien mit hohem Status (15-17 Jahre)

Gesundheit

Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die einen Arzt oder Psychotherapeuten während der Pandemie aufsuchten, ist über die Jahre leicht zurückgegangen (-5 %). Im Jahr 2021 wurden 259 ambulante und/oder stationäre Fälle je 1.000 gegenüber 272 Fällen je 1.000 im Jahr 2019 verursacht. Dieses Bild verändert sich jedoch in Abhängigkeit davon, welche psychischen und verhaltensbezogenen Störungen betrachtet werden.

Wird die Neuerkrankungsrate von Depressionen bei den 10- bis 14-jährigen Mädchen betrachtet, wird dies beispielsweise deutlich: Über die Jahre erhöhten sich die ursprünglich 9,7 Fälle je 1.000 (2019) um 23 % auf 11,9 Fälle je 1.000 (2021). In dem gleichen Zeitraum nimmt die Neuerkrankungsrate auch bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen um 18 % zu. 

Diese Altersklasse erwies sich auch gegenüber Angststörungen als vulnerabler, sodass die Inzidenz dieser Erkrankung um 24 % zunahm. Dieser Trend verstetigt sich seit dem Jahr 2020. Die Neuerkrankungsrate sinkt in Bezug auf die 10- bis 14-jährigen Jungen um 12 % und bei der höheren Altersklasse um 9 %.

Zwischen den Jahren 2019 bis 2021nahmen Essstörungen in der weiblichen Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen um 54 % zu. Die Zahlen stiegen auch in der darunterliegenden Altersklasse um 33 %. Die Inzidenzrate der Jungen nahm leicht ab.

Sowohl in der Gruppe der 15- bis 17-Jährigen als auch der Gruppe der 5- bis 9-jährigen Jungen erwies es sich als auffallend, dass die Adipositasinzidenz zwischen den Jahren 2019 und 2021 um 15 % zunahm. In den Altersklassen stieg sie auch bei den Mädchen (5-9 Jahre: +12 %, 15-17 Jahre: +6 %).

Gesundheitsversorgung

Während der Corona-Pandemie wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich weniger Arzneimittel für Kinder und Jugendliche verordnet. Zudem ist ein überproportionaler Verordnungsrückgang von Reserveantibiotika (-51 %) von 2019 zu 2021 zu verzeichnen.

Am häufigsten wurden im Jahr 2021 Antiphlogistika (24,3 %) und Antirheumatika sowie Rhinologika (23,3 %) verordnet.

Zudem wurde die medikamentöse Versorgung von Jugendlichen mit Depressionen untersucht. Dabei wurde deutlich, dass der Anteil neu an Depressionen erkrankter Mädchen (15-17 Jahre), die im Jahr der Neuerkrankung ein Antidepressivum erhielten, 2021 gegenüber 2019 um sechs Prozentpunkte (+65 %) gestiegen ist. Ähnliche Tendenzen sind bei der gleichen Altersgruppe in Bezug auf Essstörungen (+75 %) und bei der weiblichen Altersklasse der 10-14-Jährigen in Bezug auf Angststörungen (+41 %) auffindbar. 

Schwerpunkt: Einfluss der sozialen Lage

Als Surrogatparameter für die in den Sekundärdaten einer gesetzlichen Krankenkasse nur sehr eingeschränkt enthaltenen Angaben zum individuellen sozio-ökonomischen Status eines Kindes wird der German Index of Multiple Deprivation (GISD) als Index zur räumlichen Sozialstruktur herangezogen. Der GISD ist ein multidimensionaler und kleinräumiger Deprivationsindex für das Bundesgebiet, der auf Gemeinde-, Kreis- und Postleitzahl-Ebene vorliegt. Für die vorliegenden Analysen wird der GISD auf Postleitzahl-Ebene in der Version von 2014 genutzt. Hohe Indexwerte bedeuten hierbei eine hohe Deprivation, also sozial-ökonomische Benachteiligung. Alternativ wird nachfolgend der Kehrwert genutzt und von einem hohen sozio-ökonomischen Status gesprochen, wenn die Deprivation niedrig ist.

Der überwiegende Teil (ca. 63 %) der DAK-versicherten Kinder und Jugendlichen ist einem mittleren sozio-ökonomischen Status zuzuordnen. Dies entspricht tendenziell auch den deutschlandweiten Daten, welche besagen, dass ca. 58 % der Kinder und Jugendlichen einen mittleren Status aufweisen. Ebenso gut abgebildet ist die Gruppe, die einen niedrigen Status hat: Den DAK-Daten nach umfasst diese Gruppe ca. 28 %, den bundesweiten Daten nach ca. 29 %. Auch die Gruppe mit einem hohen sozio-ökonomischen Status ist gut repräsentiert (DAK: 10 %; Deutschland: 13 %).

Statistisch signifikant ist, dass Depressionen in der Altersklasse der 15- bis 17-jährigen Mädchen aus Familien mit einem hohen sozio-ökonomischen Status zu 19 % häufiger gegenüber den gleichaltrigen Mädchen mit einem niedrigen Status auftreten. 

Das Risiko einer Neuerkrankungs-Diagnose bezüglich Adipositas ist bei Jungen zwischen 10 bis 17 Jahren sowohl im Vergleich von einem mittleren oder niedrigen gegenüber einem hohen Status erhöht. Bei den 10 bis 14-Jährigen liegt diese Erhöhung zwischen mittel vs. hoch bei 18 %, bei niedrig vs. hoch bei 29 %. Im Alter zwischen 15 und 17 Jahren liegt das Risiko bei einem mittleren vs. hohem sozio-ökonomischen Status bei +26 % und bei niedrig vs. hoch bei +62 %. Gegenüber 2019 hat damit eine statistisch signifikante Risikozunahme stattgefunden (mittel vs. hoch: +8 %, niedrig vs. hoch: +21 %).

Quelle: www.dak.de vom Juni 2023

Jugendliche mit Typ-1-Diabetes haben erhöhtes Risiko für Essstörungen

Auf der 44. National Conference on Pediatric Health Care (15. bis 19. März 2023 in Orlando) stellte Ass.-Prof. Dr. Elisabeth Ann Doyle Daten zum erhöhten Sterblichkeitsrisiko bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes und gestörtem Essverhalten vor und erläuterte, wie Eltern Anzeichen von gestörtem Essverhalten bei ihren Kindern erkennen können.

Jugendliche mit Diabetes Typ 1 haben Doyle zufolge ein deutlich erhöhtes Risiko für Essstörungen. Die Ergebnisse einer großen prospektiven Studie in Finnland zeigten ein um 112% erhöhtes Risiko für männliche Patienten, neben Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht) Essstörungen zu entwickeln, ein um 71% erhöhtes Risiko für weibliche Patienten, Anorexie zu entwickeln, ein um 222% erhöhtes Risiko für Bulimie und ein um 153% erhöhtes Risiko für andere Essstörungen.

Mögliche Ursachen für die Tendenz zu Essstörungen

Zu den Gründen für diese Anfälligkeit gehört, dass unter Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 1 häufiger als bei gesunden Gleichaltrigen psychische Erkrankungen vorkommen. Die Angst vor einem zu niedrigen Blutzucker, vor langfristigen Diabetes-Komplikationen und einem Gefühl des Kontrollverlusts, wenn der Blutzucker außerhalb des Zielbereichs liegt, können dazu beitragen.

Die aufgrund der Erkrankung erforderliche ständige Beschäftigung mit Ernährung, die nötigen Einschränkungen, das Essen zur Behandlung von Hypoglykämie (Unterzuckerung) und Gewichtszunahme durch Insulin können ebenso zur Neigung zu Essstörungen beitragen. Betroffene können ihre Krankheit ausblenden und die Einnahme von Insulin vernachlässigen, um den Stress durch das Diabetesmanagement zu vermeiden, oder weil sie Angst vor Nadeln haben. Sie können auch lernen, dadurch Gewicht zu verlieren.

Besonders gesundheitsschädliche Kombination: Diabetes Typ 1 mit Essstörungen

Die Kombination Diabetes Typ 1 mit Essstörungen steigert für Betroffene die Gefahr, eine Retinopathie (Schädigung der Netzhaut des Auges), Neuropathie (Schädigung der Nerven) und Nephropathie (Schädigung der Nieren) zu entwickeln. Sie kann auch die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen, zu Fortpflanzungsproblemen, Lebererkrankungen, Herzerkrankungen und Osteoporose führen und die Sterblichkeit erhöhen.

Doyle berichtete, dass die Kombination Diabetes Typ 1 mit Essstörungen das Sterberisiko im Vergleich zu Personen, die allein an Diabetes Typ 1 erkrankt sind, um das 17-Fache erhöht.

Warnzeichen für Diabulimie

Bei der Präsentation dieser Daten auf der 44. National Conference on Pediatric Health Care (15. bis 19. März in Orlando) diskutierte Elizabeth Doyle, DNP, APRN, PPCNP-BC, CDCES, die Schwierigkeiten für Familien bei der Erkennung von Warnsignalen von Diabulimie. Diabulimie beschreibt die Erkrankung, bei der eine an Diabetes erkrankte Person die Insulindosierung einschränkt, um Gewicht zu verlieren. Folgendes können Alarmzeichen dafür sein: das Ausstoßen von Insulin nach dem Aufziehen der Spritze, das Vortäuschen von Blutzuckermesswerten und das Abtropfenlassen von Bolusdosen auf den Boden durch Abtrennen des Pumpengeräts.

Menschen mit Essstörungen machen Personen mit dünnen Körpern oft Komplimente, zeigen Angst vor Gewichtszunahme, diskutieren, wie Insulin das Gewicht beeinflusst, und besitzen ein geringes Selbstwertgefühl oder ein negatives Körperbild.

Zu den körperlichen Symptomen von Essstörungen gehören übermäßiger Durst, Müdigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen, schneller Gewichtsverlust, unregelmäßiger Herzschlag, verschwommenes Sehen, häufige Pilzinfektionen, Harnwegsinfektionen und trockene Haut oder Nägel. Das Diabulimie-Risiko ist für Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 1 größer, wenn sie zugleich unter einer Angsterkrankung oder Depression leiden oder in der Familie bereits Essstörungen aufgetreten sind.

Es gibt mehrere Fragen, die evtl. helfen können, jugendliche Diabetiker mit Essstörungen zu erkennen. Dazu gehören Fragen zur Insulinaufnahme, zu Gefühlen und Verhaltensweisen in Bezug auf das Gewicht und ob sie jemals Insulin ausgelassen oder reduziert haben, um Gewicht zu verlieren.
Laut Doyle lassen sich mit einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung der Diabulimie bessere Therapieerfolge erzielen.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 26.05.2023

Schlaf: Schon kleine Veränderungen wirken sich deutlich auf Essgewohnheiten aus

Eine Studie der University of Otago in Neuseeland zeigt, dass nur eine Stunde weniger Schlaf pro Nacht beeinflusst, was und wie Kinder essen.

Schlaf: Schon kleine Veränderungen wirken sich deutlich auf Essgewohnheiten aus
Eine Studie der University of Otago in Neuseeland zeigt, dass nur eine Stunde weniger Schlaf pro Nacht beeinflusst, was und wie Kinder essen.
Die Doktoranden Rosie Jackson und Silke Morrison vom Department of Medicine der University of Otago in Neuseeland stellten fest, dass Kinder anders essen, wenn sie weniger schlafen. Bereits bei 40 Minuten weniger Schlaf pro Nacht essen Kinder mehr und bevorzugen auch weniger gesunde Nahrungsmittel.
Jackson erklärte, dass viel Zeit und Mühe darauf verwendet werde, die Nahrungsaufnahme durch Ernährungsumstellungen zu verbessern, aber diese Studie lege nahe, dass „wir uns vielleicht nur die Schlafgewohnheiten ansehen sollten“.

An der Studie nahmen 100 Kinder aus Dunedin (neuseeländische Stadt) im Alter zwischen acht und zwölf Jahren teil. Die Teilnehmer*innen sollten eine Woche lang eine Stunde früher ins Bett gehen (längere Schlafenszeit) und für eine weitere Woche (mit einer Woche dazwischen) eine Stunde später ins Bett gehen (weniger Schlaf). Gleichzeitig wurden ihre Schlafenszeiten, ihre Nahrungsaufnahme und ihr Wunsch, verschiedene Lebensmittel zu essen, dokumentiert.

Die Untersuchung ergab, dass Kinder erheblich mehr Energie zu sich nahmen, wenn sie unter Schlafentzug litten, meist nach 17:00 Uhr. Dabei bevorzugten sie ungesunde, stark verarbeitete Lebensmittel wie Kuchen, Kekse und Chips.
Die Eltern der Probanden und Probandinnen berichteten auch, dass ihre Kinder als Reaktion auf ihre Gefühle mehr und weniger zu essen schienen, wenn sie müde waren. Erziehungsberechtigte hatten zudem das Gefühl, dass sie etwas anders mit dem Essen umgingen, wenn ihr Kind müde war.

„Kinder konnten bei Schlafmangel auch weniger essen, wenn ihnen weniger wünschenswerte, gesündere Lebensmittel angeboten wurden – die oft weniger Energie besaßen –, aber emotionales Überessen zeigten, wenn sie in der Nähe von sehr schmackhaften, energiedichten Lebensmitteln waren. Letztere konsumieren oft auch Menschen, die als emotionale Esser gelten.“
Die zusätzliche Kalorienaufnahme – die etwa zwei bis drei Keksen pro Tag entsprach –könnte im Laufe der Zeit zu Übergewicht führen, wenn sie nicht durch eine erhöhte Energieabgabe ausgeglichen wird, sagt sie.

Möglicherweise Erklärung für Zusammenhang von Schlafmangel und Gewichtszunahme

„Obwohl dies für einen einzelnen wenig erscheint, würde dies ausreichen, um mehrere Kilos pro Jahr zuzunehmen – und damit genug, um den Zusammenhang zwischen zu wenig Schlaf und höherem Körpergewicht zu erklären. Es braucht jeden Tag nur einen kleinen Unterschied in der Energieaufnahme und im Energieverbrauch, um mit der Zeit zu einer Gewichtszunahme zu führen.“

Schlaf anscheinend zu wenig beachteter Faktor

Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass sich das Essverhalten früh im Leben entwickelt und während der Kindheit stabil bleibt.

„Unsere Studie legt jedoch nahe, dass Schlaf ein Faktor sein könnte, der das Essverhalten von Kindern beeinflussen kann“, betonte sie.

„[…] unsere Daten zeigen auch, dass Essen und Emotionen miteinander verbunden sind, wenn man an den Schlaf von Kindern denkt. Eine gute Nachtruhe ist für so viele Aspekte unseres Lebens wichtig, einschließlich der Qualität und Quantität der Nahrung.“

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 22.05.2023

Kontrolle zeigt Wirkung: Jugendschutzkonforme Alterskennzeichnung bei Streaming-Plattformen

Junge Menschen begeistern sich für Filme und Serien. Streaming-Plattformen spielen in ihrer Freizeit deshalb eine große Rolle. Um einen effektiven Jugendschutz sicherzustellen, hat die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) die Alterskennzeichnung von Streaming-Plattformen überprüft und Nachbesserungen erwirkt. Verlässliche Alterskennzeichnungen helfen Eltern bei der Einschätzung, ob ein Film oder eine Serie für ihr Kind geeignet ist. Auch für pädagogische Fachkräfte sowie für Kinder und Jugendliche selbst sind sie eine wichtige Orientierungshilfe. Deshalb verpflichtet das Jugendschutzgesetz Streaming-Plattformen dazu, ihre Filme und Serien mit einer Alterskennzeichnung zu versehen. Diese müssen auf den Plattformen deutlich sichtbar sein, bevor der Inhalt startet. Mit den von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz eingeforderten Nachbesserungen setzen die für Kinder und Jugendliche relevanten deutschen Streaming-Plattformen die Alterskennzeichnung nun zufriedenstellend um.
Die Pflicht zur Alterskennzeichnung gilt für alle in- und ausländischen Film- und Spielplattformen mit Gewinnerzielungsabsicht, die mindestens eine Million Nutzende in Deutschland haben. Gekennzeichnet werden müssen Spielfilme, Serien, Dokumentarfilme und Spiele. Nicht gekennzeichnet werden müssen fernsehähnliche Inhalte wie Unterhaltungs- und Nachrichtensendungen. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ist zuständig für die Aufsicht über die Kennzeichnungspflicht und kann Verstöße mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro ahnden.  

Quelle: Pressemitteilung der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, 10. Mai 2023

Ruhe muss nicht still sein

IFA empfiehlt individuelle Erholung vom Alltagslärm

Das moderne Leben schafft eine Geräuschkulisse, die uns vom Aufstehen bis in den Schlaf hinein begleitet. Damit das auf Dauer für Körper und Geist verkraftbar bleibt, braucht jeder Mensch Phasen der Ruhe, die aber durchaus nicht still sein müssen. Darauf weist das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hin und empfiehlt individuelle Ruhepausen anlässlich des Tages gegen den Lärm am 26.4.2023.

Nach dem Aufstehen Radioprogramm und Messengertöne, im Job Maschinengeräusche, Stimmengewirr oder Telefonklingeln, unterwegs Verkehrslärm, beim Einkaufen Hintergrundgedudel und Kassenpiepsen, abends erschöpft und angespannt.

„Die Geräusche, die uns durch den Tag begleiten, müssen gar nicht so laut sein, dass sie unser Gehör schädigen,“, sagt Jan Selzer, Lärmexperte im IFA. „Der Körper reagiert bereits viel früher.“ Studien belegen, dass schon sehr niedrige Geräuschpegel, zum Beispiel das leise Hintergrundbrummen des Kühlschranks, eine Wirkung auf die menschliche Psyche haben können. Anspannung, Unruhe oder Stressempfinden sind mögliche Folgen. Ob ein Geräusch stresst, hängt allerdings nicht allein von seiner Lautstärke ab, sondern ebenso von der eigenen Einstellung dazu.

Von dieser Beobachtung leitet sich auch die Grundidee für Erholung vom Dauertrigger Lärm ab. Selzer: „Regelmäßige Ruhezeiten sind wichtig und stellen sicher, dass wir auch bei nicht gehörgefährdender Lärmeinwirkung gesund bleiben. Allerdings muss jeder Mensch für sich entscheiden, wie und wo er entspannen und loslassen kann. Dabei bedeutet Ruhe nicht zwangsläufig Stille. Denn wenn das Abschalten am besten klappt, während im Kopfhörer oder über die Anlage die eigene Lieblingsmusik erklingt, dann kann das ebenso beruhigend wirken wie ein Spaziergang im Wald – vorausgesetzt wir fahren den Lautstärkeregler nicht bis zum Anschlag!“

Quelle: www.dguv.de vom 25.04.2023