ESPGHAN: Europaweite Kampagne „Funktionelle Bauchschmerzen im Kindes- und Jugendalter“

Die Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN – European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) startete eine Gesundheitskampagne, um über funktionelle Bauchschmerzen im Kindes- und Jugendalter aufzuklären: FAP CAMPAIGN – FUNCTIONAL ABDOMINAL PAIN CAMPAIGN. Denn obwohl funktionelle Bauchschmerzen weltweit die Hauptursache von Fehlzeiten in der Schule sind, ist vielen Eltern dieses Krankheitsbild nicht bekannt.

Der ESPGHAN zufolge leiden etwa 30% der Kinder unter funktionellen Bauchschmerzen. Sie sind definiert als Bauchschmerzen ohne körperliche Ursache, die an mindestens vier Tagen im Monat für mindestens 2 Monate auftreten. Sie entwickeln sich nicht nur zusammen mit Stuhlgang oder Monatsblutungen und können von Übelkeit, Schwindel, Schlafproblemen und Erschöpfung begleitet sein. Hauptsächlich Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren sind betroffen. Ihre Lebensqualität ist dadurch stark eingeschränkt, was Angstzustände und Depressionen begünstigt. Deshalb sind eine frühzeitige Diagnose und Behandlung wichtig. Jede Art von wiederkehrenden Bauchschmerzen sollte der Kinder- und Jugendarzt / die Kinder- und Jugendärztin abklären. Eine sorgfältige Untersuchung kann dann eine körperliche Erkrankung ausschließen. Mithilfe eines Bauchschmerz-Protokolls lassen sich die individuellen Auslöser aufspüren. Dies können beispielsweise Stress, bestimmte Nahrungsmittel, Medikamente oder Schlafmangel sein.

Für die Entstehung von funktionellen Bauchschmerzen spielen anscheinenden sowohl psychische als auch biologische Ursachen eine Rolle. Expert*innen vermuten, dass es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist. Eine gewisse Veranlagung, Störungen der Darmbewegungen, Stoffwechselprobleme und Entzündungsprozesse beeinflussen sich gegenseitig. Die Beschwerden können möglicherweise auch mit einem verstärkten Schmerzempfinden im Magen-Darm-Bereich nach einer Magen-Darm-Infektion zusammenhängen.
Die Therapie kann sich – abhängig von den Bauchschmerzauslösern –aus vielen Bausteinen zusammensetzen. So können Bewegung und Sport helfen, die Verdauung zu verbessern und Stress abzubauen. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Flüssigkeitszufuhr sorgen für eine gesunde Darmflora. Pfefferminzöl kann aufgrund seiner krampflösenden Wirkung lindernd wirken. In manchen Fällen kann evtl. eine Verhaltenstherapie den Umgang mit der Erkrankung verbessern. Auch eine medikamentöse Behandlung kann in seltenen Fällen erwogen werden.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 06.05.2024

Kopfschmerzen lassen sich durch Lebensstilfaktoren beeinflussen

Eine umfangreiche kanadische Studie mit fast 5 Millionen teilnehmenden Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 17 Jahren legt nahe, dass sich die Häufigkeit von Kopfschmerzen durch Lebensstilveränderungen verringern lassen. Unregelmäßige Mahlzeiten, spätes Zubettgehen, lange Medienzeiten, häufiger Alkoholgenuss, Zigaretten-, E-Zigaretten- oder Cannabiskonsum, aber auch das ungewollte „Mitrauchen“ in Raucherhaushalten gehören der Untersuchung zufolge zu den veränderbaren Umständen, die Kopfschmerzen verstärken.

„Haben Kinder oder Jugendliche regelmäßig Kopfschmerzen, sollten sie zum Kinder- und Jugendarzt / zur Kinder- und Jugendärztin, um körperliche Ursachen auszuschließen. So kann zum Beispiel eine Sehschwäche für Kopfschmerzen sorgen. In den meisten Fällen handelt es sich aber um eine primäre Kopfschmerzerkrankung wie etwa Migräne oder Spannungskopfschmerzen, d.h. keine andere Krankheit löst den Schmerz aus. Idealerweise notieren Eltern bzw. Jugendliche vor dem Arztbesuch, in welchen Situationen und wie oft Kopfschmerzen auftreten. Denn die Auslöser können individuell sehr unterschiedlich sein“, erklärt Dr. Herman Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ). Im Jugendalter sind mehr Mädchen als Jungen betroffen, was auf hormonelle Einflüsse hindeutet. Da es eine familiäre Häufung bei Kopfschmerzerkrankungen gibt, spielt eine gewisse Veranlagung auch eine Rolle.

Mediennutzung oder Medikamentengebrauch kann sich negativ auswirken

Heranwachsende, die 21 Stunden pro Woche oder mehr mit Bildschirmmedien verbringen, haben ein fast dreimal so hohes Risiko für häufige Kopfschmerzen wie Kinder und Jugendliche, die ganz darauf verzichten. „Der eigenmächtige Gebrauch von Medikamenten kann die Kopfschmerzen sogar noch verschlimmern. Paracetamol oder Ibuprofen sind nicht bei allen Patient*innen gleich wirksam und die Linderung hält oft nur kurz an. Dies verleitet dazu, zu immer mehr Schmerzmitteln zu greifen. Der Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln kann dann zu zusätzlichen Kopfschmerzen führen“ warnt Dr. Kahl. Maximal an 10 Tagen in einem Monat (30 Tage) sollten Schmerzmittel eingenommen werden. Schätzungen gehen davon aus, dass über 20% der Heranwachsenden mit chronischen Kopfschmerzen unter Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (englisch Medication Overuse Headache = MOH) leiden. Als chronische Kopfschmerzen gelten mindestens 15 Episoden pro Monat über drei Monate hinweg. MOH sind in der aktuellen Leitlinie definiert als Kopfschmerzen, die an 15 Tagen oder mehr im Monat auftreten und mit der Einnahme von spezifischen Kopfschmerzmitteln (Triptane, Mutterkornalkaloide), schmerzlindernden Mischpräparaten an 10 oder mehr Tagen im Monat oder nichtopioide Schmerzmittel (wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol) an 15 oder mehr Tagen im Monat verknüpft sind.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 01.05.2024

Jugendliche profitieren vom „Naturbaden“ – auch in Städten

Die psychische Gesundheit junger Menschen in einer Stadt ist deutlich besser, wenn dort mehr Natur, Grünflächen und Bäume vorhanden sind. Das bestätigt eine kanadische Studie.

Eine aktuelle Studie von Forschenden der University of Waterloo (Kanada) legt nahe, dass „Naturbaden“, d.h. sich ruhig z.B. zwischen Bäumen aufzuhalten, die Natur um sich herum zu beobachten und dabei tief durchzuatmen, Jugendlichen dabei helfen kann, Stress abzubauen und Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern.

Die Studie war die erste überhaupt, die vor Ort Echtzeit-Umfragedaten von Jugendlichen über ihre emotionalen Reaktionen auf verschiedene städtische Umgebungen sammelte, wie einen Verkehrsknotenpunkt, Wohnstraßen, Wanderwege, Parks und Wasserstraßen. Naturzonen in der Stadt wirkten sich durchweg positiv auf junge Menschen aus, so das Ergebnis der Befragung.

„Während die Ergebnisse für die meisten Menschen vielleicht nicht überraschend sind, ist es doch von Bedeutung, dass wir zum ersten Mal konkret sagen können, wie stark die Angst von Heranwachsenden verringert wird, wenn sie sich in einem Park aufhalten, im Gegensatz zu einem Aufenthalt in der Innenstadt“, sagte Ass.-Professorin Leia Minaker von der University of Waterloo.

Angst nimmt in der Natur deutlich ab

Nachdem sie nur zwei oder drei Minuten lang auf einen vor sich befindlichen städtischen See geschaut hatten, sanken die Werte der Jugendlichen auf einer validierten Angstskala um 9%. Andererseits ergab die Auswertung um 13% höhere Werte in dieser Angstskala, wenn Heranwachsende ebenso lang an einem belebten Ort in der Innenstadt standen.

Umgebung hat Einfluss auf seelische Gesundheit

Da die Urbanisierung rasant voranschreitet, ist es wichtig, die Auswirkungen städtischer Umgebungen auf die Jugend besser zu verstehen. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass Depressionen und Angstzustände bei dieser Altersgruppe zunehmen.

Die Studie ergab, dass Naturmotive oder -muster auf Gebäuden, Natur in der städtischen Umgebung wie Seen und öffentlichen Freizeitparks sowie Gärten und Bäume positive emotionale Erfahrungen für Jugendliche darstellen.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 29.04.2024

Coronapandemie: Mehr Fälle verfrühter Pubertät

Über eine im Mittel immer früher einsetzende Pubertät berichten Mediziner schon seit einigen Jahrzehnten. Die Coronapandemie hat diesen Effekt offenbar nun noch deutlich verstärkt. „Es wurden 20–30 % mehr Fälle verfrühter Pubertät erfasst“, sagte Bettina Gohlke von der Universitätskinderklinik Bonn. Das Phänomen sei weltweit aufgefallen, entsprechende Daten gebe es aus Europa ebenso wie aus den USA und China (Diabetes, Obesity and Metabolism 2023).

Als verfrühte Pubertät – Pubertas praecox genannt – wird die Entwicklung äußerer Sexualmerkmale bei Jungen vor dem vollendeten 9. und bei Mädchen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr bezeichnet. Bei den Mädchen entwickelt sich dann unter anderem die Brust – eine Vermutung zum Coronaeffekt war darum, dass die frühere Entwicklung den Eltern eher auffiel, weil sie im Zuge von Schulschließungen und Homeoffice mehr Zeit mit ihren Kindern verbrachten. Möglich sei auch ein Zusammenhang mit höherer psychosozialer Belastung, erklärte Kinderendokrinologin Gohlke. Frühere Studien hätten gezeigt, dass Kinder in solchen Situationen körperlich früher reiften.

Diskutiert werde zudem ein Gewichtseffekt: Viele Kinder aßen in der Pandemie mehr beziehungsweise bewegten sich merklich weniger – und Übergewicht gilt als einer der wichtigsten Faktoren für eine früh einsetzende Pubertät. „Aber auch, wenn das Gewicht herausgerechnet wurde, blieb ein Plus an Fällen von Pubertas praecox“, sagte Gohlke. „Vermutlich handelt es sich um einen multifaktoriellen Effekt.“ Unklar sei bisher, ob er sich mit dem Abklingen der Pandemie wieder verflüchtige.

Aktuell treffe eine verfrühte Pubertät Kinder aus sozial schwächeren Familien anteilig häufiger, weil sie öfter übergewichtig seien, sagt Günter Stalla, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). „Gesundheit hängt von sozialem Status und Bildung ab, das zeigt sich auch hier.“

Einfluss hat nach Annahme vieler Experten neben Übergewicht auch, dass Kinder heutzutage einem ganzen Cocktail hormonell wirkender Substanzen ausgesetzt sind. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Einfluss hat“, betont Gohlke. Das Problem sei der Mangel an Studien. Aus Tierversuchen ließen sich nur bedingt Rückschlüsse ziehen, klinische Studien am Menschen seien in dem Bereich nicht möglich.

„Die einsetzende Pubertät ist ein Wachstumsbeschleuniger“, erklärt Stalla. Vorzeitig pubertierende Kinder schießen also zunächst rascher in die Höhe – doch es gibt bei ihnen einen gegenläufigen Prozess, der zur Folge hat, dass sie im Mittel letztlich kleiner bleiben als später in die Pubertät startende. Die Sexualhormone, die das Wachstum zunächst beschleunigen, sorgen auch dafür, dass es verfrüht endet, indem die Wachstumsfugen geschlossen werden.

Neben solchen körperlichen Folgen kann es psychische geben, sagt Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE. Und das nicht nur deshalb, weil Kinder sich zum Beispiel für Brustwachstum oder Behaarung schämten: Mit einsetzender Pubertät veränderten sich auch die Art zu denken und die Gefühlswelt, was zu Problemen im Freundeskreis führen könne, erklärt Petersenn. „Man reift früher zu erwachsenem Denken heran.“ 

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe April 2024

Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Psychosomatische Beschwerden nehmen zu

Den Ergebnissen der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ zufolge geben die meisten der befragten Kinder und Jugendlichen eine hohe Lebenszufriedenheit an. Allerdings zeichnet sich unter anderem auch eine Zunahme psychosomatischer Beschwerden ab.

Die Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC) gilt als eine der größten internationalen Untersuchungen zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Alle vier Jahre finden Befragungen statt, bei denen die jungen Menschen Auskunft zu ihrem Befinden geben. In die aktuelle Analyse der Daten aus Deutschland von 2022, veröffentlicht im Journal of Health Monitoring (DOI: 10.25646/11865), flossen die Angaben von 6 475 Schülerinnen und Schülern ein. Darunter waren 3 074 Jungen (47,5 Prozent), 3 258 Mädchen (50,3 Prozent) und 31 (0,5 Prozent) Personen ohne Geschlechtsangabe sowie, erstmals erfasst, 112 Genderdiverse (1,7 Prozent). Befragt wurden Heranwachsende im Alter von elf, 13 und 15 Jahren, die an 174 Schulen unterrichtet wurden.

„42 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen haben angegeben, dass sie vielfältige psychosomatische Beschwerden haben. Das ist ein Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zur Befragung von 2017/18“, sagte Dr. rer. biol. hum. Franziska Reiß vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der erfasste Anstieg sei enorm, vor allem im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Auch aus anderen Studien sei bekannt, dass psychische Belastungen in dieser Zeit stark zugenommen hatten, besonders bei Mädchen.

Ältere Jugendliche, Mädchen weniger zufrieden

Zu den regelmäßig auftretenden Beschwerden gehörten Gereiztheit, Einschlafprobleme, Nervosität, Niedergeschlagenheit, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel/Benommenheit sowie Bauchschmerzen. Dabei waren vor allem ältere Jugendliche, Mädchen und Genderdiverse betroffen. So berichten 51 Prozent der 15-Jährigen, 52 Prozent der Mädchen sowie 80 Prozent der Genderdiversen über multiple psychosomatische Symptome. Insgesamt zeigte sich ein konstante Zunahme über die vier Erhebungen von 2009/2010 bis 2022, die Daten von 21 788 Kindern und Jugendlichen aus Deutschland einschlossen.

Insgesamt schätzen die meisten Befragten (84 Prozent) ihre subjektive Gesundheit als gut ein. Ähnlich sah es für die Lebenszufriedenheit aus: 86 Prozent gaben sie als hoch an. Auch hier zeichnete sich ab, dass ältere Jugendliche, Mädchen und Genderdiverse diese Aspekte eher negativ bewerteten. Ungefähr jeder oder jede fünfte Jugendliche im Alter von 15 Jahren berichtete über eine eher schlechte subjektive Gesundheit (21 Prozent) und eine niedrige Lebenszufriedenheit (19 Prozent). Bei den Mädchen waren das 19 und 17 Prozent sowie bei den Genderdiversen 44 und 48 Prozent. Gegenüber der Befragung von 2017/2018 ließ sich eine leichte Verschlechterung nachweisen, nachdem im Verlauf der Befragungen von 2009/2010 bis 2017/2018 eine Verbesserung zu verzeichnen war.

Für die Einschätzung der Lebenszufriedenheit spielt die soziale Herkunft nach wie vor eine wichtige Rolle. „Wir haben auch 2022 klare Unterschiede und Ungleichheiten sehen können“, sagte Dr. PH Irene Moor von der Universität Halle. „Zum Beispiel gab ein Viertel der Kinder und Jugendlichen, die einen niedrigen familiären Wohlstand haben, auch an, eine niedrige Lebenszufriedenheit zu haben. Im Vergleich dazu sind es zehn Prozent derjenigen, die sozial privilegiert sind“, so Moor.

Mobbing bleibt ein Problem

Mobbing war ein weiteres Thema, das in der Studie untersucht wurde. Dr. phil. Saskia Fischer von der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg bezeichnete die Ergebnisse als „problematisch“. Mobbing habe schwerwiegende Konsequenzen, nicht nur für die schulischen Leistungen. „Es ist auch ein deutliches Gesundheitsrisiko“, betonte Fischer. 2022 hätten 14 Prozent der Befragten angegeben, dass sie aktive Erfahrungen mit Mobbing machen. Das schließe ein, dass sie im schulischen Kontext gemobbt werden, Mobbing ausüben oder in beiden Rollen aktiv sind. Cybermobbing betreffe nur etwa die Hälfte (sieben Prozent), was allerdings eine Zunahme gegenüber der Erhebung von 2017/2018 bedeutet. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil vier Prozent. Beim schulischen Mobbing blieben die Raten verglichen mit der vorherigen Erhebung von 2017/2018 sowohl bei den Gemobbten als auch bei den Mobbenden ungefähr gleich. Um Mobbing, aber auch gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden auszugleichen, brauche es Maßnahmen, die sich speziell an die betroffenen Zielgruppen richten, so Fischer.

Die Forschenden beschäftigte sich auch mit der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen, das heißt wie sie mit Informationen über Gesundheitsthemen umgehen können. Bei etwa einem Viertel (24 Prozent) ist die Kompetenz als niedrig einzustufen. Das bedeutet eine Zunahme um etwa drei Prozent gegenüber der Analyse von 2017/2018. Die häufigsten Schwierigkeiten traten auf:

  • beim Vergleich von Gesundheitsinformationen aus verschiedenen Quellen,
  • bei der Entwicklung von Ideen, um die Gesundheit zu verbessern sowie
  • bei der Bewertung von Informationen im Sinne von richtig und falsch.

Ein erhöhtes Risiko für eine geringe Gesundheitskompetenz hatten Jüngere und Genderdiverse. Das galt auch für Kinder und Jugendliche, die eine andere Schulform als ein Gymnasium besuchten, sowie mit niedrigem familiären Wohlstand. Kinder mit wenig Gesundheitswissen hätten häufiger psychosomatische Beschwerden, sagte Ronja Maren Helmchen von der Hochschule Fulda. Der kompetente Umgang mit solchen Informationen sei ein wichtiger Punkt, wenn es darum gehe, dass Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen, betonte sie.

Darüber hinaus zeigte die aktuelle Analyse, dass sich die meisten Kinder und Jugendlichen nach wie vor viel zu wenig bewegen. Die Daten zu körperlicher Aktivität seien ernüchternd, sagte Prof. Dr. PH Jens Bucksch von der Universität Heidelberg. Nur elf Prozent der Mädchen und 21 Prozent der Jungen erreichen die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Unter den Genderdiversen sind es zwölf Prozent. Der WHO zufolge sollten sich Heranwachsende täglich mindestens 60 Minuten mit wenigstens moderater Intensität, zum Beispiel Radfahren mit 15 Kilometer pro Stunde, körperlich aktiv betätigen. „Ein zweiter eklatanter Befund ist, dass es im Altersverlauf zwischen elf und 15 Jahren noch einmal zu einem massiven Verlust an Bewegung kommt, dabei sind wir ja eigentlich schon am unteren Ende“, so Bucksch. So erreichten von den elfjährigen Mädchen noch 15 Prozent die Empfehlung. „Bei den 15-Jährigen sind wir nur noch bei sieben Prozent. Das ist quasi fast niemand mehr“, so der Wissenschaftler. Die körperliche Aktivität ist laut Studie bei Jungen in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, bei Mädchen hat sie leicht abgenommen.

Thema Gesundheit an Schulen stärken

Der Wissenschaftler Prof. Dr. phil. Kevin Dadaczynski von der Hochschule Fulda forderte, das Thema Gesundheit viel stärker in Schulen zu verankern. Hier brauche es eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Es dürfe nicht nur Sache einzelner, engagierter Schulen sein, sich mit Gesundheitsfragen zu beschäftigen. Dies führe zu einer weiteren Verstärkung von sozialen Unterschieden. 

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe April 2024

Kinder und Jugendliche: Problematische Mediennutzung nimmt weiter zu

Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt ein riskantes Nutzungsverhalten von sozialen Medien. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Etwa 1,3 Millionen Mädchen und Jungen bewegen sich demnach in einem gefährlichen Nutzungsbereich – dreimal so viele wie noch 2019.

Der Analyse zufolge verbringen Kinder und Jugendliche an einem Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden – gegenüber 191 Minuten im Jahr 2019.

Der Untersuchung zufolge berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung auch häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehlten ihnen Regulierungsstrategien, um mit den negativen Emotionen und Stress umzugehen. „Es beginnt ein Teufelskreis, erläuterte Prof. Dr. Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE: „Psychisch belastete Jugendliche neigen oftmals vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten bei sozialen Medien. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung jedoch zu neuen Problemen und erhöhten psychischen Belastungen.“ Persönliche, familiäre und schulische Ziele träten in den Hintergrund und alterstypische Entwicklungsaufgaben würden nicht angemessen gelöst.

Insgesamt einig waren sich die Fachleute darüber, dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch die der Eltern gefördert werden müsse. Zudem könne ein Mediensuchtscreening in kinder- und jugendärztlichen Praxen dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.

Quelle: Ärzteblatt PP 23, Ausgabe März 2024

Frühgeburt erhöht nicht das Autismus-Risiko

Der Zusammenhang zwischen Frühgeburt und Autismus gilt als umstritten. Eine israelische Langzeitstudie zeigt, dass Frühgeburtlichkeit sich nicht auf das Risiko einer Autismus-Spektrum-Störung beim Kind auswirkt.

Frühgeborene tragen generell ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, zu denen auch die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zählt. Dr. Sapir Ellouk von der renommierten Soroka Universitätsklinik und ihr Team untersuchten im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Langzeitstudie, inwieweit eine Frühgeburt zur ASS-Diagnose beiträgt.

Hierzu analysierte das Forscherteam die Daten zu 139.859 Schwangerschaften aus den Jahren 2005 bis 2017. Basierend auf dem Geburtszeitraum suchten die Forschenden mit verschiedenen statistischen Methoden nach auffälligen Häufungen von ASS-Diagnosen bei Kindern, die früh frühgeboren (vor der 34. Woche), spät frühgeboren (34.–37. Woche) oder zum Termin geboren (37. –42. Woche) wurden.

Autismus tritt unabhängig von Frühgeburtlichkeit gleich häufig auf

Signifikante Unterschiede im Zusammenhang mit früher oder später Frühgeburtlichkeit fand das Forscherteam nicht. Auch die Anpassungen an ethnische Zugehörigkeit, Alter der Mutter, Geschlecht des Kindes und Mangelgeburt (zu klein/leicht für Schwangerschaftswoche) beförderten keine signifikanten Unterschiede zutage zwischen Frühgeborenen und zum Termin Geborenen.

Das Forscherteam geht daher davon, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Frühgeburt und der Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung gibt.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 12.04.2024

Rauchrückstände in der Wohnumgebung können Kindern schaden

Forscher*innen testeten die Oberflächen in Raucherhaushalten, in denen Kinder leben, und fanden beunruhigende Ergebnisse.

Amerikanische Wissenschaftler*innen untersuchten, ob in Wohnräumen, in denen Raucher*innen leben, giftige Tabaknebenprodukte (Thirdhand Smoke) auf Oberflächen wie Möbeln, Wänden und Böden zurückbleiben.
Sie kamen zu besorgniserregenden Ergebnissen, erklärte Ass.-Prof. Dr. Ashley Merianos von der University of Cincinnati, die die Studie leitete. Sie und ihre Kolleg*innen fanden Nikotin auf Oberflächen in allen Wohnräumen und stellten in fast der Hälfte der Häuser das Vorhandensein eines tabakspezifischen Karzinogens (NNK: Nicotine-derived nitrosamine ketone) fest. NNK ist eines der wichtigsten tabakspezifischen Nitrosamine, die aus Nikotin entstehen. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung.

Die Studie berichtete, dass die NNK-Werte auf Oberflächen und aufgesaugtem Staub ähnlich waren, was laut Merianos darauf hindeutet, dass Oberflächen und Staub Quellen für den Kontakt mit Thirdhand Smoke für Kinder sein könnten.
„Dies ist von entscheidender Bedeutung und besorgniserregend, da NNK als das stärkste Karzinogen für durch Tabak verursachte Krebsarten gilt“, verdeutlichte Merianos.

Weitere Erkenntnisse sind:

  • Bei Kindern, die in einkommensschwächeren Haushalten lebten, wurden höhere NNK- und Nikotinwerte auf Oberflächen in den Wohnräumen festgestellt.
  • Bei Kindern, die in Haushalten lebten, in denen das Rauchen in Innenräumen nicht verboten war, wurden auf Oberflächen höhere NNK- und Nikotinwerte ermittelt.

Merianos sagte, dass NNK und Nikotin immer noch in Häusern mit freiwilligem Rauchverbot in Innenräumen (wo z.B. nur auf dem Balkon geraucht wurde) nachgewiesen wurden. „Diese Untersuchung zeigt, dass Rauchverbote zu Hause Kinder und ihre Familien nicht vollständig vor den Gefahren des Tabaks schützen“, fügte sie hinzu.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 20.03.2024

Neue Erkenntnisse zur menschlichen Gehirnentwicklung: Forschende identifizieren geschlechtsspezifische Unterschiede

Forschende des Universitätsklinikums Tübingen haben gemeinsam mit internationalen Forschungspartnern aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen: Die neuronale Komplexität der Gehirnaktivität verändert sich vom späten Stadium der Schwangerschaft bis in die frühe Kindheit anders als erwartet und zudem mit geschlechtsspezifischen Unterschieden.

Bereits in den frühen Phasen des Lebens zeigen sich je nach Entwicklungsstadium signifikante Unterschiede in der Art und Weise, wie das Gehirn Signale und Informationen aufnimmt und verarbeitet. Eine gestörte Entwicklung kann dauerhafte Folgen haben und zu psychischen Erkrankungen führen.

In der internationalen Studie hat das Team untersucht, wie das menschliche Gehirn auf äußere Reize, wie beispielsweise Tonsequenzen, reagiert, sowohl vor als auch nach der Geburt. Gemessen werden konnten die Reaktionen des Gehirns mit der fetalen Magnetenzephalographie (fMEG), die nicht-invasiv an der Oberfläche des Bauches der Mutter die Gehirnaktivität schon im Mutterleib misst. Die Sensoren befinden sich unter einer Messschale, die optimal an die Form des mütterlichen Bauches angepasst ist. „Sensorische Stimulation bietet uns eine einzigartige Möglichkeit, zu beobachten, wie junge Gehirne Informationen von außen verarbeiten. Und das auf eine vollkommen sichere Weise“, erklärte Prof. Dr. Hubert Preissl vom fMEG-Zentrum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München.

Erkrankungen frühzeitig erkennen und therapieren

Die Hypothese der Forschenden: Je weiter sich das Gehirn entwickelt, desto komplexer sind die neuronalen Reaktionen auf Reize von außen. Überraschenderweise zeigen die Ergebnisse, dass die Komplexität der neuronalen Antworten abnimmt, und zwar in geschlechtsspezifisch unterschiedlichem Tempo. Diese Unterschiede könnten Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Entwicklungsstörungen bei Jungen und Mädchen in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. „Zunächst war ich ziemlich überrascht“, gab Dr. Joel Frohlich vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie zu. „Instinktiv hatte ich angenommen, dass mit der Reifung des Gehirns auch seine Aktivität komplexer werden würde.“ Jedoch erscheint es sinnvoll, dass reifende Gehirnverbindungen auf externe Reize mit strukturierteren Mustern reagieren. Ein entwickelteres Gehirn ist also geordneter und hat dadurch weniger Möglichkeiten, auf denselben Reiz in unterschiedlicher Weise zu reagieren.

Das Forscherteam aus Tübingen plant, den Zusammenhang zwischen den beobachteten Gehirnmustern und der langfristigen psychischen Gesundheit weiter zu erforschen. „Je früher wir das Risiko für die Entwicklung neuropsychiatrischer und metabolischer Störungen identifizieren, desto effektiver können wir die Gehirnentwicklung unterstützen, um schwerwiegende Krankheitsverläufe zu verhindern“, verdeutlichte Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für zukünftige präventive Maßnahmen und Behandlungsstrategien ebnen, die das Forschungsteam auch im Rahmen des Zentrums für Bionic Intelligence und des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit erforscht. An der Studie wesentlich beteiligt waren Dr. Joel Frohlich, Dr. Julia Moser, Dr. Katrin Sippel, Dr. Pedro Mediano, Prof. Dr. Hubert Preissl und Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Tübinger Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 15.03.2024

Gehirnerschütterungen können Risiko für psychische Störungen erhöhen

Laut einer in „Pediatrics“ veröffentlichten Studie kann ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma bzw. eine Gehirnerschütterung das Risiko für affektive und Verhaltensstörungen bei Kindern erhöhen. Die Gefahr, dass in der Folge eine affektive Störung diagnostiziert wird, nimmt demnach um 25% zu, und für eine posttraumatische depressive Störung um 17%.

Dr. Richard Delmonico, PhD, Direktor für Neuropsychologie am Kaiser Foundation Rehabilitation Center in Vallejo, Kalifornien, und seine Kolleg*innen identifizierten Patient*innen im Alter von 17 Jahren oder jünger, die zwischen 2011 und 2014 im Kaiser Permanente-Gesundheitssystem wegen einer Gehirnerschütterung untersucht wurden. Alle anderen Patient*innen im Kaiser Permanente-Gesundheitssystem aus dieser Zeit in diesem Alter zogen sie als Vergleichspatient*innen heran.

„Wir haben […] das Auftreten neuer psychischer Störungen nach einer Gehirnerschütterung untersucht, um die Entwicklung von Stimmungs- und Verhaltensstörungen bei jungen Menschen nach einer Gehirnerschütterung mit nicht verletzten Kontrollpersonen zu vergleichen“, erklärte Dr. Brian Theodore, PhD, Forschungswissenschaftler im Rehabilitationszentrum der Kaiser Foundation.

Insgesamt werteten sie die elektronischen Gesundheitsakten von 18.917 Kindern aus und untersuchten die Gruppen, bei denen psychische Probleme innerhalb von vier Jahren nach dem Vorfall auftraten.
Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Patient*innen nach einer Gehirnerschütterung eine affektive Störung diagnostiziert wurde, zu der Depression, Angstzustände, posttraumatische Belastungsstörungen und akuter Stress gehörten, war um 25 % höher.

Im Alter von 10 bis 13 Jahren sind Heranwachsende anscheinend besonders anfällig

Posttraumatische depressive Störungen waren bei Patient*innen nach einer Gehirnerschütterung um 17% wahrscheinlicher, insbesondere bei Kindern im Alter von 10 bis 13 Jahren. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb von zwei Jahren eine Depression diagnostiziert wurde, um über 40% höher im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen. Bei Angststörungen war die Wahrscheinlichkeit, dass jungen Menschen nach einer Gehirnerschütterung diese entwickelten, um 14% höher. Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren hatten ein noch höheres Risiko, wobei die Wahrscheinlichkeit, zwei Jahre nach der Verletzung eine Angststörung zu entwickeln, um 42% höher war.

„Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von regelmäßigen Nachuntersuchungen bezüglich affektiver Störungen und Verhaltensstörungen bei Kindern mindestens zwei Jahre nach einer Gehirnerschütterung“, verdeutlichte Delmonico.
Die Autor*innen kamen zu dem Schluss, dass bei Kindern nach einer Gehirnerschütterung ein erhöhtes Risiko besteht, psychische und verhaltensbezogene Gesundheitsprobleme zu entwickeln, insbesondere bei Kindern im Alter von 10 bis 13 Jahren, bei denen das Risiko für die Entwicklung von Depressionen, Angststörungen und Anpassungsstörungen am höchsten ist.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 11.03.2024