Psychische Störungen: Unterschiedliche Prävalenzen bei Frauen und Männern

Männer und Frauen leiden in etwa gleich häufig an psychiatrischen Erkrankungen. Bei den einzelnen Diagnosen und dem Zeitpunkt der Erkrankung gibt es jedoch deutliche Unterschiede, wie eine Studie aus Schweden in Lancet Regional Health – Europe zeigt. Es ist bekannt, dass Frauen eher zu internalisierenden Störungen neigen wie Depressionen und Angstzuständen, während bei Männern externalisierende Störungen wie Alkohol- und Drogenkonsum im Vordergrund stehen. Wobei dies eine grobe Vereinfachung ist, da der bei Jungen häufigere Autismus sicherlich nicht auf eine externalisierende Störung hinweist. Neben der Prävalenz unterscheiden sich Frauen und Männer auch im Alter, in dem die Erkrankungen auftreten. Dies lässt sich in Schweden gut beobachten, da alle Einwohner eine persönliche Identifikationsnummer haben, die in allen Registern verwendet wird. So konnten Yihui Yang vom Karolinska Institut in Stockholm und Mitarbeiter relativ einfach die Geburtsdaten im schwedischen Bevölkerungsregister mit dem Erkrankungszeitpunkt im Nationalen Patientenregister abgleichen, wo die Diagnosen festgehalten werden.

Yang ermittelt für Frauen eine Häufigkeit von psychischen Störungen von 10,2/1 000 Personenjahren und von 9,1/1 000 Personenjahren bei Männern. Frauen erkranken häufiger an Depressionen (4,4 versus 2,9/1 000) und Angststörungen (1,6 versus 1,0/1 000) sowie an stressbedingten Störungen (2,4 versus 1,3/1 000). Auch Essstörungen (0,8 versus 0,3/1 000) sind bei Frauen häufiger.

Männer erkranken eher an Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (2,0 versus 1,3/1 000), Alkoholismus (2,0 versus 1,2/1 000) und Drogensucht (1,0 versus 0,7/1 000) sowie an Autismus-Spektrum-Störungen (0,9 versus 0,5/1 000). Psychosen wie die Schizophrenie treten in beiden Geschlechtern gleich häufig auf (0,1/1 000).

Bei beiden Geschlechtern gibt es vor dem Erwachsenenalter 2 Erkrankungsgipfel: im Alter von 6 und 17 Jahren. Danach sinkt die Zahl der Neuerkrankungen, bis es im Alter von 80 bis 90 Jahren einen weiteren Erkrankungsgipfel gibt, der allerdings niedriger ausfällt als in der Kindheit beziehungsweise Jugend. Der späte Gipfel ist überwiegend auf eine Zunahme von Depressionen zurückzuführen. Der frühere Erkrankungsgipfel bei Jungen beziehungsweise Männern ist auf Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen zurückzuführen. Drogenprobleme sind im Alter von 15 bis 54 Jahren und Alkoholprobleme während des gesamten Erwachsenenalters häufiger.

Bei Frauen finden sich im Alter von 10–54 Jahren höhere Inzidenzraten für depressive Störungen, Angststörungen, stressbedingte Essstörungen und bipolare Störungen. Bei der Schizophrenie gibt es kaum Unterschiede. Ein leichter männlicher Überschuss im Alter von 15–49 Jahren wird von einem weiblichen Überschuss im Alter von 60–79 Jahren ausgeglichen.

Alle psychischen Störungen traten bei Personen mit einem niedrigeren Bildungsniveau oder einem geringeren Haushaltseinkommen häufiger auf, insbesondere im jüngeren Alter. Die Wohnregion und der Urbanisierungsgrad hatten dagegen keinen Einfluss. 

Quelle: www.aerzteblatt.de, PP 23, Ausgabe Dezember 2024