Suizidprävention: Experten wollen Angebote ausbauen

Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September setzten sich Fachleute für den Ausbau von niedrigschwelligen Beratungs- und Hilfsangeboten ein. Um diese nachhaltig zu sichern, brauche es eine jährliche Förderung von 15 Millionen Euro, sagte Sozialforscher Reinhard Lindner. Er gehört zum Leitungsgremium des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (Na-SPro), das in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 9 000 Menschen durch Suizid. Das sind mehr Todesfälle als durch Verkehrsunfälle, Mord und illegale Drogen zusammen, wie NaSPro-Leiterin Prof. Dr. phil. Birgit Wagner ausführte.

Statistisch gesehen nehme sich alle 57 Minuten ein Mensch in Deutschland das Leben – zudem kämen auf jede vollendete Selbsttötung etwa zehn bis 20 Versuche. Es handle sich also um ein „bedeutendes gesellschaftliches und gesundheitspolitisches Problem“. Bei den aktuellen Debatten um assistierten Suizid müssten auch die Angehörigen in den Blick genommen werden, mahnte Wagner. Studien zeigten, dass sie häufiger unter Belastungssymptomen litten als andere Hinterbliebene. Zudem sei der Schulungsbedarf in vielen Bereichen hoch, auch unter Therapeuten.

Die aktuell vorliegenden Gesetzentwürfe hätten indes „mit Suizidprävention wenig zu tun“, kritisierte Lindner. Beratungsangebote für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen dürften nicht schwieriger erreichbar sein als der Zugang zum assistierten Suizid.

Bereits im Juni hatten das NaSPro und über 40 weitere Institutionen und Fachgesellschaften ein Gesetz zur Suizidprävention sowie einen weiteren Ausbau von Hospizarbeit und Palliativversorgung gefordert. Nach Angaben von NaSPro-Leiterin Wagner fehlt es weiterhin an einem Bewusstsein für die hohe Zahl von Suiziden – und auch dafür, dass Hilfe möglich sei. 

Quelle: www.aerzteblatt.de, PP 21, Ausgabe Oktober 2022