Streng kontrollierte Essrituale können auf Essstörung hinweisen

Eine Essstörung bzw. Anorexia nervosa kann sich langsam und schleichend entwickeln. Es ist wichtig, sie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um eine Chronifizierung und schwerwiegende psychische, körperliche und soziale Auswirkungen zu vermeiden.

„Der Übergang von einer Diät zu einer Essstörung kann oft fließend sein. Sehr langsames Essen, das starke Zerkleinern der Nahrung, das Vermeiden bestimmter Inhaltsstoffen wie Fette und Kohlenhydrate – Maßnahmen, die dazu beitragen, die Kalorienzufuhr zu vermeiden, zu verringern und zu verzögern, bauen Betroffene in ihre Essrituale ein. Übermäßiger Sport, die Einnahme von Abführmitteln, absichtliches Erbrechen sind weitere Methoden, um Gewicht zu verlieren. Manche versuchen auch mit einer zu heißen Wärmflasche auf dem Bauch die Fettverbrennung anzukurbeln“, berichtet Dr. Monika Niehaus, Kinder- und Jugendärztin und Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), aus ihrer Praxis.

Mädchen erkranken etwa 8- bis 10-mal häufiger als Jungen an einer Essstörung. Besonders häufig ist die Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen betroffen. In Europa beobachten Experten vor allem bei den 12- bis 15-Jährigen eine steigende Tendenz.

Bei etwa 15-20% der Erkrankten kommt es zu einer Chronifizierung und bei etwa 30% bleiben leichte Essprobleme bestehen. Rückfälle in Krisensituationen sind möglich. Weil Magersüchtige oft selbst nicht das Gefühl haben, krank zu sein, und wenig motiviert sind, ihr Essverhalten zu ändern, kann die Therapie – insbesondere, wenn sie erst spät einsetzt – langwierig sein. Aufgrund von schwerwiegenden Mangelerscheinungen haben Magersüchtige eine mehr als 5 mal so hohe Sterberate im Vergleich zu nicht erkrankten Gleichaltrigen.

Entscheidende Lebensveränderungen können Auslöser sein

Mittlerweile ist bekannt, dass genetische-biologische Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer Anorexia nervosa spielen. Experten gehen von etwa 70% aus. Liegen diese vor, so kann dann eine entscheidende Lebensveränderung, wie z.B. die Scheidung der Eltern oder der Wechsel in eine andere Schule, zum Auslöser für den Ausbruch einer Essstörung werden. Betroffenen Jugendlichen fehlt vermutlich die Fähigkeit, die neue Situation zu bewältigen und sie erreichen kurzfristig durch Nahrungsverzicht bzw. Gewichtsverlust positive (Erfolgs-)Gefühle. „Eine nicht erklärbare Gewichtsabnahme bzw. keine Zunahme, obwohl der Jugendliche größer wird, und veränderte Essgewohnheiten können dann auf eine Essstörung hinweisen. Bei Mädchen ist auch das Ausbleiben der bereits eingesetzten Monatsblutung ein Warnzeichen. Bei einem Verdacht sollten Eltern in jedem Fall mit dem Jugendarzt sprechen, um frühzeitig eingreifen zu können“, rät Dr. Niehaus. „Da ein Gewichtsverlust bzw. keine Gewichtszunahme trotz Größenwachstum auch durch eine Krankheit bedingt sein kann, wie z.B. eine entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie), Schilddrüsenüberfunktion, sollte er immer abgeklärt werden“, ergänzt Dr. Niehaus.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 01.09.2021