Ärzte, Pädagogen und Eltern sollten digitale Selbstverletzungen von Jugendlichen ernst nehmen, weil diese körperlichen Selbstverletzungen oder gar einem Suizidversuch vorausgehen können. Darauf weist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hin.
„Digitale Selbstverletzung“ oder „Digital-Self-Harm“ beschreibt eine neue Form der Selbstverletzung, bei der Jugendliche sich selbst anonym mit negativen Äußerungen im Internet mobben. „Bei der digitalen Selbstverletzung hoffen Heranwachsende, dass andere mit Gegenargumenten und positiven Äußerungen zu ihrer Person reagieren oder sie zumindest mehr Aufmerksamkeit erhalten“, erläutert Dr. med. Monika Niehaus vom BVKJ. US-Experten benannten dieses Verhalten laut dem Berufsverband anscheinend erstmals 2013 im Zusammenhang mit dem Suizid einer Jugendlichen. Dieses Mädchen hatte Wochen vor ihrem Suizid negative Posts über sich selbst in sozialen Medien verbreitet.
„Eltern sollten versuchen, offen und nicht wertend mit ihren Kindern zu sprechen und sie ermutigen, ihnen ihre belastenden Erfahrungen anzuvertrauen“, erläutert Niehaus. Aufgrund der Schamgefühle von Jugendlichen könne dies schwierig sein. Wenn Vater und Mutter keinen Zugang zu ihrem heranwachsenden Kind fänden und länger anhaltende Verhaltensänderungen bemerkten, sollten sie einen Experten konsultieren. „In manchen Fällen kann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll sein“, sagte Niehaus. Auch um Chronifizierungen zu vermeiden.
Forscher aus Neuseeland kamen in einer Untersuchung zu dem Thema zu dem Schluss, dass etwa sechs Prozent der Teenager dort Erfahrungen mit Digital-Self-Harm haben, vorwiegend die 13- bis 14-Jährigen.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt, PP 20, Ausgabe Februar 2021