Eine kanadische Studie untersuchte bei 9- bis 11-Jährigen, inwieweit die übermäßige Smartphone-Nutzung der Eltern die psychische Gesundheit der Kinder beeinflusst. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die häufige Ablenkung der Eltern durch das Handy Angstsymptome, Unaufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssymptome bei ihren Kindern in der späteren Entwicklung begünstige.
Kinder im Alter von 9 bis 11 Jahren (1303 Heranwachsende), die sagten, ihre Eltern würden viel zu viel Zeit mit ihren Smartphones verbringen, neigten später eher zu Angstzuständen, Aufmerksamkeitsproblemen und Hyperaktivität als die Kinder von Eltern, die sich weniger mit dem Smartphone beschäftigten, berichten kanadische Forscher*innen.
„Wenn die emotionalen und körperlichen Bedürfnisse von Kindern ständig ignoriert oder unangemessen darauf reagiert wird, besteht bei ihnen das Risiko, psychische Probleme zu entwickeln“, erklärte das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Sheri Madigan von der University of Calgary in Alberta.
Ihr Team veröffentlichte seine Ergebnisse in der Zeitschrift „JAMA Network Open“.
Laut Hintergrunddaten der Studie hat eine aktuelle Studie (Computers in Human Behavior) ergeben, dass Eltern von Kleinkindern heute durchschnittlich mehr als fünf Stunden täglich auf ihr Smartphone blicken. Wenn Eltern zusammen mit ihrem Baby Zeit verbringen, nutzen sie demnach über ein Viertel der Zeit (27%) das Smartphone.
In einer anderen Studie (Pew Research Center) gaben 68% der Eltern zu, dass sie bei der Interaktion mit ihren Kindern häufig durch ihre Smartphones abgelenkt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Art von „Technoferenz“ bei der Erziehung zu weniger Aufmerksamkeit für die Kinder, weniger Eltern-Kind-Gespräche und geringerer gemeinsamer Spielzeit und sogar zu einem höheren Verletzungsrisiko bei Kindern führt.
Während der Pubertät ist Technoferenz mit „höheren Konflikten zwischen Eltern und Kind und weniger emotionaler Unterstützung und Wärme der Eltern“ verbunden, stellte Madigans Team fest. In ihrer Studie befragten die kanadischen Wissenschaftler*innen um Dr. Sheri Madigan über tausend kanadische Kinder im Alter von 9 bis 11 Jahren zu verschiedenen Zeitpunkten (zwischen 2020 und Anfang 2022). Die Kinder sollten Aussagen wie „Ich wünschte, meine Eltern würden weniger Zeit mit ihrem Telefon und anderen Geräten verbringen“ oder „Ich bin frustriert, wenn meine Eltern am Telefon oder anderen Geräten sind, wenn wir Zeit miteinander verbringen“ bejahen oder verneinen.
Die Kinder wurden auch auf verschiedene psychische Probleme hin untersucht, wie Angstzustände, Depressionen, Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit, die sich im Laufe der Zeit entwickelten.
Laut Madigans Team „waren mehr Angstsymptome [bei Kindern] in der späteren Entwicklung mit einem höheren Grad wahrgenommener elterlicher Technoferenz verbunden.“
Zu viel Zeit, die Eltern mit Smartphones verbrachten, war auch im Verlauf mit „höheren Unaufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssymptomen verknüpft“, sagten die Studienautor*innen. Dieser Effekt war sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen zu beobachten.
Das Alter von 9 bis 11 Jahren ist eine sensible Phase der Gehirnentwicklung
Weil das Alter von 9 bis 11 Jahren eine besonders sensible Phase der Gehirnentwicklung darstelle und mit einem erhöhten Risiko für psychische Probleme verbunden sei, konzentrierten sich die kanadischen Expert*innen auf diese Altersgruppe.
Auch umgekehrte Wirkung möglich
Es sei schwierig, die Richtung des Effekts auszumachen, gaben die Forscher*innen zu bedenken: Sind Kinder ängstlicher und verhalten sich auffälliger, weil ihre Eltern ständig an ihren Smartphones kleben, oder nutzen Eltern von Kindern mit Verhaltensproblemen ihre Smartphones als Fluchtmöglichkeit?
Den neuen Daten zufolge scheinen mehr ängstliche Kinder gestresste Eltern dazu zu bringen, ihre Smartphones häufiger zu verwenden, aber übermäßige Smartphone-Nutzung der Eltern könnte ebenso Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität bei Heranwachsenden fördern.
Insgesamt „verdeutlicht die Studie die komplexen Zusammenhänge zwischen der vermehrten Smartphonenutzung der Eltern und der psychischen Gesundheit von Heranwachsenden“, fasste Madigans Team zusammen.
Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 04.11.2024