Der Bundesregierung zufolge wächst in Deutschland jedes fünfte Kind beziehungsweise 3,8 Millionen Kinder mit einem psychisch kranken oder suchtkranken Elternteil auf. Diese Kinder tragen ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, selbst psychisch zu erkranken. Kinder brauchen Fürsorge und Halt; stattdessen müssen sie oftmals sehr früh Verantwortung übernehmen oder sie versuchen, die kranken Eltern zu schützen, indem sie ihre Aufgaben übernehmen, damit es nicht auffällt. Denn Stigmatisierung, Angst und Scham sind allgegenwärtig. Häufig werden die Belastungen der betroffenen Kinder übersehen und sie fallen durchs Hilfesystem. Auch weil die Eltern krankheitsbedingt vorhandene Unterstützungsangebote nicht in Anspruch nehmen können oder keine finden. Um die ganze Familie zu stabilisieren, bedarf es einer gut abgestimmten Zusammenarbeit von Öffentlichem Gesundheitsdienst, Jugendhilfe, psychiatrisch/psychotherapeutischer Versorgung und je nachdem auch noch von Schulverwaltungen, Jobcenter, Rentenversicherung und Eingliederungshilfe.
Die regierenden Fraktionen wollen zusammen mit der CDU/CSU-Fraktion nun einen Anlauf unternehmen, betroffenen Kindern zu helfen. „Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen“ heißt der Bundestagsantrag (20/12089), der am 4. Juli in erster Lesung eingebracht wurde. Unter anderem soll damit die Kooperation zwischen Ärzten/Psychotherapeuten und dem Jugendamt auch in Fällen ermöglicht werden, in denen Leistungen aus beiden Bereichen bezogen werden, aber noch keine Kindeswohlgefährdung besteht. Damit soll dieser vorgebeugt werden.
Künftig soll aufsuchende psychotherapeutische Versorgung bedarfsorientiert auch in Kitas und Schulen angeboten werden können, „wenn nur so sichergestellt werden kann, dass die Therapie das Kind erreicht“, heißt es in dem Antrag.
Weiter will die Bundesregierung gemeinsam mit der Selbstverwaltung aufsuchende Versorgungsformen wie die stationsäquivalente Behandlung sowie Eltern-Kind-Einheiten im teil- und stationären Bereich bundesweit bedarfsgerecht ausbauen und finanzieren. Eltern-Kind-Interaktionsstörungen sollen so behandelt werden.
Das seit 20 Jahren etablierte und erfolgreiche System der „Frühen Hilfen“, das Familien mit Kindern unter drei Jahren unterstützt, soll auf Kinder jenseits des dritten Geburtstags ausgeweitet und die Mittel des Fonds zudem „dauerhaft erhöht“ werden. Die Angebote der Frühen Hilfen kommen als Komplexleistung aus der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, der Frühförderung und der Schwangerschaftsberatung. Fachkräfte dieser Bereiche arbeiten eng zusammen, um Eltern bei der Betreuung und Förderung ihrer Kinder zu unterstützen. Sie werden in lokalen Netzwerken koordiniert.
Schließlich soll das Präventionsgesetz in Bezug auf die Förderung der seelischen Gesundheit, auf Familienorientierung und die Belange von Kindern mit psychisch kranken und suchtkranken Eltern sowie auf eine Stärkung der Verhältnisprävention weiterentwickelt werden.
Der Antrag der Bundesregierung enthält viele gute Ansätze, die die betroffenen Kinder und Jugendlichen unterstützen können. Man darf auf die konkrete Umsetzung gespannt sein.
Quelle: PP 23, Ausgabe August 2024