Selbstmordrisiko ist bei Jugendlichen nachts am größten

Amerikanische Forschungsergebnisse zeigen, dass das Suizidrisiko bei jungen Menschen einem tageszeitlichen Muster zu folgen scheint und nachts zunimmt.

In einer Umfrage unter psychiatrisch hospitalisierten Jugendlichen gaben mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen an, dass ihr letzter Selbstmordversuch abends und nachts stattgefunden habe. Der Studie zufolge deutet die tageszeitliche Variation der Suizidgedanken auf die Notwendigkeit einer verstärkten Unterstützung in den späteren Stunden des Tages hin, um das Suizidrisiko junger Menschen zu senken. Selbstmordgedanken und -versuche sind demnach morgens anscheinend am niedrigsten und abends am höchsten, insbesondere bei Jugendlichen, die zu selbstkritischem Grübeln neigen.
Die Ergebnisse wurden in der auf der Jahrestagung der Associated Professional Sleep Societies vorgestellt.

Gedanken an Selbstmord können suizidales Verhalten vorhersagen, und „alarmierenderweise“ haben sowohl Suizidgedanken als auch suizidales Verhalten zugenommen, betonte die leitende Forscherin Dr. Anastacia Kudinova, PhD, von der Alpert Medical School der Brown University in Providence (Bundesstaates Rhode Island). „Es besteht ein dringender Bedarf, […] Risikofaktoren für Suizid zu beschreiben, sodass wir feststellen können, wer innerhalb von Wochen, Tagen oder sogar Stunden ein höheres Suizidrisiko hat“, erklärte sie.

Die Wissenschaftler*innen befragten 165 Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren (72% weiblich), die stationär in einer psychiatrischen Klinik behandelt wurden, nach der Tageszeit ihres letzten Selbstmordversuchs. Mehr als die Hälfte (58%) gab an, dass dies abends und nachts geschah, bei mehr als einem Drittel erfolgte der Versuch tagsüber (35%) und bei nur wenigen morgens (7%).

Kritisches Zeitfenster

Dr. Casey O’Brien, PsyD, Psychologin in der Abteilung für Psychiatrie am Irving Medical Center der Columbia University, New York, kommentierte, dass die Ergebnisse dieser Studie mit dem übereinstimmen, was sie in der Klinik beobachtet.

Jugendliche erzählten in Sitzungen oft, dass die „unstrukturierte Zeit der Nacht – insbesondere die Zeit, in der sie normalerweise ins Bett gehen sollten, aber irgendwie wach bleiben – für sie tendenziell eine sehr verletzliche Zeit sei“, berichtete Dr. O’Brien in einem Interview.

Dr. O’Brien leitet ein Verhaltenstherapie-Programm für junge Menschen mit psychischen Problemen an der Columbia University. Dr. O’Brien und Kolleg*innen versuchen dabei mit Jugendlichen Strategien zu entwickeln, die das Zubettgehen und Einschlafen erleichtern. Zu diesen Strategien kann gehören, vor dem Schlafengehen Zeit mit den Eltern zu verbringen, zu lesen oder in ihre Schlafenszeit Dinge einzubauen, die sie als beruhigend und entspannend empfinden, wie etwa eine längere Dusche zu nehmen oder bequeme Pyjamas anzuziehen, erklärte sie. „Wir arbeiten auch intensiv an Schlafhygienestrategien, um eine regelmäßige Schlafenszeit und einen konsistenten Schlaf-wach-Rhythmus zu erreichen“, sagte Dr. O’Brien.

Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 16.10.2023