Auf der 44. National Conference on Pediatric Health Care (15. bis 19. März 2023 in Orlando) stellte Ass.-Prof. Dr. Elisabeth Ann Doyle Daten zum erhöhten Sterblichkeitsrisiko bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes und gestörtem Essverhalten vor und erläuterte, wie Eltern Anzeichen von gestörtem Essverhalten bei ihren Kindern erkennen können.
Jugendliche mit Diabetes Typ 1 haben Doyle zufolge ein deutlich erhöhtes Risiko für Essstörungen. Die Ergebnisse einer großen prospektiven Studie in Finnland zeigten ein um 112% erhöhtes Risiko für männliche Patienten, neben Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht) Essstörungen zu entwickeln, ein um 71% erhöhtes Risiko für weibliche Patienten, Anorexie zu entwickeln, ein um 222% erhöhtes Risiko für Bulimie und ein um 153% erhöhtes Risiko für andere Essstörungen.
Mögliche Ursachen für die Tendenz zu Essstörungen
Zu den Gründen für diese Anfälligkeit gehört, dass unter Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 1 häufiger als bei gesunden Gleichaltrigen psychische Erkrankungen vorkommen. Die Angst vor einem zu niedrigen Blutzucker, vor langfristigen Diabetes-Komplikationen und einem Gefühl des Kontrollverlusts, wenn der Blutzucker außerhalb des Zielbereichs liegt, können dazu beitragen.
Die aufgrund der Erkrankung erforderliche ständige Beschäftigung mit Ernährung, die nötigen Einschränkungen, das Essen zur Behandlung von Hypoglykämie (Unterzuckerung) und Gewichtszunahme durch Insulin können ebenso zur Neigung zu Essstörungen beitragen. Betroffene können ihre Krankheit ausblenden und die Einnahme von Insulin vernachlässigen, um den Stress durch das Diabetesmanagement zu vermeiden, oder weil sie Angst vor Nadeln haben. Sie können auch lernen, dadurch Gewicht zu verlieren.
Besonders gesundheitsschädliche Kombination: Diabetes Typ 1 mit Essstörungen
Die Kombination Diabetes Typ 1 mit Essstörungen steigert für Betroffene die Gefahr, eine Retinopathie (Schädigung der Netzhaut des Auges), Neuropathie (Schädigung der Nerven) und Nephropathie (Schädigung der Nieren) zu entwickeln. Sie kann auch die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen, zu Fortpflanzungsproblemen, Lebererkrankungen, Herzerkrankungen und Osteoporose führen und die Sterblichkeit erhöhen.
Doyle berichtete, dass die Kombination Diabetes Typ 1 mit Essstörungen das Sterberisiko im Vergleich zu Personen, die allein an Diabetes Typ 1 erkrankt sind, um das 17-Fache erhöht.
Warnzeichen für Diabulimie
Bei der Präsentation dieser Daten auf der 44. National Conference on Pediatric Health Care (15. bis 19. März in Orlando) diskutierte Elizabeth Doyle, DNP, APRN, PPCNP-BC, CDCES, die Schwierigkeiten für Familien bei der Erkennung von Warnsignalen von Diabulimie. Diabulimie beschreibt die Erkrankung, bei der eine an Diabetes erkrankte Person die Insulindosierung einschränkt, um Gewicht zu verlieren. Folgendes können Alarmzeichen dafür sein: das Ausstoßen von Insulin nach dem Aufziehen der Spritze, das Vortäuschen von Blutzuckermesswerten und das Abtropfenlassen von Bolusdosen auf den Boden durch Abtrennen des Pumpengeräts.
Menschen mit Essstörungen machen Personen mit dünnen Körpern oft Komplimente, zeigen Angst vor Gewichtszunahme, diskutieren, wie Insulin das Gewicht beeinflusst, und besitzen ein geringes Selbstwertgefühl oder ein negatives Körperbild.
Zu den körperlichen Symptomen von Essstörungen gehören übermäßiger Durst, Müdigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen, schneller Gewichtsverlust, unregelmäßiger Herzschlag, verschwommenes Sehen, häufige Pilzinfektionen, Harnwegsinfektionen und trockene Haut oder Nägel. Das Diabulimie-Risiko ist für Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 1 größer, wenn sie zugleich unter einer Angsterkrankung oder Depression leiden oder in der Familie bereits Essstörungen aufgetreten sind.
Es gibt mehrere Fragen, die evtl. helfen können, jugendliche Diabetiker mit Essstörungen zu erkennen. Dazu gehören Fragen zur Insulinaufnahme, zu Gefühlen und Verhaltensweisen in Bezug auf das Gewicht und ob sie jemals Insulin ausgelassen oder reduziert haben, um Gewicht zu verlieren.
Laut Doyle lassen sich mit einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung der Diabulimie bessere Therapieerfolge erzielen.
Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 26.05.2023