Da die Hirnreifung bei Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist, kann der frühzeitige und regelmäßige Cannabiskonsum in dieser kritischen Lebensphase zum Teil zu anhaltenden Störungen der Hirnfunktionen führen und das Suchtrisiko erhöhen. Bereits geringer Cannabiskonsum kann bei 13- bis 15-Jährigen Veränderungen verursachen.
„Heranwachsende, die früh und intensiv Cannabis konsumieren, riskieren längerfristig eine Verringerung ihres Intelligenzquotienten. Auch die Gedächtnisleistung in Bezug auf Sprache kann sich verschlechtern. Das Gehirn erholt sich zum Teil nicht mehr vollständig, selbst wenn der Jugendliche kein Cannabis mehr konsumiert“, gibt Dr. Herman Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zu bedenken. Bis das Gehirn vollständig ausgereift ist, kann ein Mensch bis zu 23 Jahre alt sein. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat am 25. April 2022 in einem Positionspapier gefordert, dass Cannabis erst ab einem Alter von 21 Jahren legal sein dürfe.
Jugendliche, die Cannabis häufig nutzen, erhöhen ihre Chancen, bipolaren Störungen zu entwickeln, um das Dreifache im Vergleich zu Nichtnutzern. Darüber hinaus sind Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Wahrnehmungsstörungen mögliche Folgen des Cannabiskonsums. Besonders riskant sind synthetische Cannaboide. Sie haben ein hohes Suchtpotenzial, unberechenbare Effekte und eine mehr als 100-fach höhere Wirksamkeit. Folgen von Vergiftungen damit sind erhöhter Puls, Unruhe, Übelkeit oder Erbrechen und ein erhöhtes Risiko für Psychosen. In Zusammenhang mit der Einnahme von synthetischem Cannabis gab es auch Berichte über Todesfälle (2020 in Deutschland 20 Todesfälle).
Am häufigsten wird Cannabis in Europa zusammen mit Tabak geraucht. Dadurch bildet sich oft eine Co-Abhängigkeit von Tabak. Darüber hinaus kann Cannabis auch mithilfe von Sishas, E-Sishas und Vaporizer (strom- oder batteriebetriebenes Gerät zum Verdampfen pflanzlicher Rauschstoffe) inhaliert werden. Ist Cannabis Keksen oder Süßigkeiten beigemengt, dauert es länger, bis die Rauschwirkung einsetzt. Dies begünstigt Überdosierungen mit der Gefahr von Psychosen. „Eltern sollten mit Teenagern frühzeitig über die gesundheitlichen Probleme sprechen, die Cannabis auslösen kann. Haben Erziehungsberechtigte einen Verdacht, sollte sie sich mit dem Jugendarzt beraten“, so Dr. Kahl.
Anzeichen für Cannabiskonsum können sein, wenn
- sich Jugendliche grundlos sehr albern und untypisch verhalten
- sie ungewöhnlich schnell gereizt reagieren
- sie anscheinend ohne Grund das Interesse an Dingen verlieren, die sie sonst interessiert haben
- sie Zeit mit Gleichaltrigen verbringen, die Cannabis nutzen
- sie Schwierigkeiten haben, sich an Dinge zu erinnern, die gerade passiert sind
- sie Pfeifen, Feuerzeuge, Vape Pens oder Zigarettenpapier bei sich tragen
- sie roten Augen haben
- wenn sie Heißhunger außerhalb der üblichen Essenszeiten entwickeln
Auf dem 51. Kinder- und Jugendärztetag in Berlin stellte Prof. Dr. med. Rainer Thomasius vom Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf in einem Vortrag die Frage: „Cannabis legalisieren?“ Er hat wie der BVKJ Bedenken, ob dies der richtige Weg ist.
Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 09.11.2022