Kopfschmerzen treten nicht nur häufiger bei Kindern und Jugendlichen auf, sondern plagen auch immer jüngere Kinder: Schon im Vorschulalter sind annähernd 20% betroffen, bis zum Ende der Grundschulzeit hat dann bereits etwa jedes zweite Kind unangenehme Erfahrungen mit Kopfschmerzen gemacht.
Besonders bedenklich sei dabei, dass die Kopfschmerzen eines Kindes auch chronisch werden und sich zu einem langanhaltenden, wenn nicht sogar lebenslangen Gesundheitsthema für das Kind entwickeln können.
Die Zunahme von Kopfschmerzen bei Kindern wird durch verschiedene epidemiologische Studien der letzten Jahre eindeutig belegt:
- Psychologen der Universität Göttingen haben bei über 2.000 Kindern die Entwicklung von Kopfschmerzen über vier Jahre verfolgt. Sie fanden heraus: Jedes zehnte Kind (10,9%) klagte bereits im Alter von acht Jahren mindestens einmal im Monat über Kopfschmerzen, bei 3,8% der Zweitklässler traten die Kopfschmerzen sogar mindestens einmal pro Woche auf. Mit zwölf Jahren hatte bereits mehr als die Hälfte (54%) der Kinder Erfahrungen mit Kopfschmerzen gehabt, 6,9% litten jede Woche, 18,5% mindestens einmal im Monat darunter. Mit 15 Jahren gab jeder fünfte Teenager (22,4%) an, im letzten Monat mindestens einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben, jeder Zehnte (10,7%) litt jede Woche darunter. Der Anteil von wöchentlich auftretenden Kopfschmerzen war bei Mädchen doppelt so hoch wie bei Jungen.
- Nach KiGGS (Welle 2), einer großen Studie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, waren 45,2% der 11- bis 17-jährigen Mädchen und 28,7% der gleichaltrigen Jungen in den letzten drei Monaten von Kopfschmerzen betroffen.
- Zu ähnlichen Ergebnissen kam zuvor schon die MUKIS-Studie der LMU („Münchner Untersuchung zu Kopfschmerzen im Schulalter“), an der sich 1.675 Schüler von zwölf Gymnasien in München und im Münchner Umland beteiligt haben. Dabei gaben vier von fünf der 12 bis 19 Jahre alten Kinder und Jugendlichen an, innerhalb der letzten sechs Monate mindestens einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben. Jeder zehnte Gymnasiast musste im letzten Jahr wegen Kopfschmerzen zum Arzt. Etwa ein Viertel der Schüler nahm regelmäßig Schmerzmedikamente ein. An Mädchen-Gymnasien war die Kopfschmerz-Häufigkeit besonders hoch.
„Die Diagnose von Kopfschmerzen ist bei jüngeren Kindern nicht einfach“, berichtete der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Bei kleinen Kindern, die noch nicht sprechen können, sind Kopfschmerzen nur schwer zu erkennen. Häufige Anzeichen sind Reizbarkeit, Unruhe und Überempfindlichkeit gegen Berührungen. Etwas ältere Kinder drücken die Hände an den Kopf oder vor die Augen und zeigen ein schmerzhaftes, geplagtes Gesicht. Verlässliche Beschreibungen sind erst im Vorschul- und frühen Schulalter zu erwarten“.
Übelkeit und Blitze vor den Augen
Die häufigsten Formen von so genannten primären Kopfschmerzerkrankungen sind auch bei Kindern die Migräne und der Spannungskopfschmerz, erläuterte die Stiftung Kindergesundheit:
Migräne: Ein Kind, das unter einer akuten Migräneattacke leidet, hört meistens auf, zu spielen oder zu lernen, ist blass, möchte sich hinlegen und vielleicht auch schlafen. Typisch ist auch, dass jede Anstrengung vermieden wird und das Kind im Laufe einer Attacke einschläft. Beim Aufwachen sind dann die Beschwerden verschwunden. Der pulsierende oder pochende Schmerz ist – im Gegensatz zur Migräne bei Erwachsenen – zumeist nicht nur auf eine Kopfseite beschränkt, sondern betrifft beide Seiten und häufig auch die Stirn.
Unter den Migräne-typischen Begleiterscheinungen stehen bei Kindern vor allem Übelkeit und Erbrechen, aber auch Geräusch- und Lichtempfindlichkeit im Vordergrund. Die Attacken sind kürzer als bei Erwachsenen und dauern nur selten länger als zwei Stunden.
Auch bei Kindern kann es kurz vor einer Attacke zu neurologischen Ausfällen, zu einer so genannten Aura, kommen. Dazu gehören Flimmersehen oder Lichtblitze in den Augen, Gefühlsstörungen in Händen und Armen oder auch Sprachstörungen. Wichtig zu wissen: Die Heftigkeit des Schmerzes und die „komischen“ Begleitsymptome können so intensiv sein, dass das Kind sie mit starker Angst erlebt.
Spannungskopfschmerzen: Sie sind dumpf-drückend bis ziehend und nicht pulsierend. Der Schmerz tritt zumeist auf beiden Seiten des Kopfes auf. Er breitet sich häufig vom Nacken zur Stirn oder von der Stirn zum Nacken aus und zieht auch die Augen oder Wangen in Mitleidenschaft. Der Schmerz ist von leichter bis mäßiger Intensität und wird bei körperlicher Bewegung in aller Regel nicht stärker, sondern eher schwächer: Eine Ablenkung durch Aktivität tut gut. Die bei einer Migräne-Attacke typischen Begleitsymptome fehlen.
Manchmal hilft schon die richtige Brille
Neben diesen so genannten primären Kopfschmerzerkrankungen können Kopfschmerzen aber auch Ausdruck und Warnzeichen anderer körperlicher Erkrankungen sein, unterstrich die Stiftung Kindergesundheit. So werden sowohl fieberhafte Infekte als auch Störungen des Blutdrucks häufig von Kopfschmerzen begleitet. Beispiele sind: Kieferhöhlenentzündungen, Ohrentzündungen, Halsentzündungen oder Mandelentzündungen. In seltenen Fällen können die heftigen, immer weiter zunehmenden Kopfschmerzen auf eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder einen Hirntumor hindeuten. Auch eine Gehirnerschütterung verursacht häufig Kopfschmerzen, ja sie kann sogar Ursache länger anhaltender, chronischer Kopfschmerzen sein.
Es kann aber auch etwas ganz anderes hinter den Kopfschmerzen stecken: ein Sehfehler etwa, der zu einer Überanstrengung der Augen führt. Er kann mit der richtigen Brille korrigiert werden. Auch zu viel direkte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf kann Kopfschmerzen auslösen.
Kopfzerbrechen wegen Mobbing oder Konflikten
Wenn die bisher aufgezählten Ursachen durch eine Untersuchung bei der Kinder- und Jugendärztin oder beim Kinder- und Jugendarzt ausgeschlossen worden sind, wird weiter nach möglichen seelischen Gründen der Schmerzen gefahndet. Kopfschmerzen und das Erleben von Stress liegen auch für Kinder nahe beieinander: Mobbing, Ausgrenzung oder Herabsetzung tun auch ihnen weh. Wichtig ist dabei, die tieferen Ursachen und schweren Konflikte (in der Familie oder in der Schule) zu erkennen, die dem Kind im wahrsten Sinne des Wortes „Kopfzerbrechen“ bereiten.
„Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe des Kinder- und Jugendarztes, mit Hilfe einer ausführlichen Befragung der Eltern und einer gründlichen Untersuchung des Kindes die Kopfschmerzen einzuordnen und entsprechend der Verdachtsdiagnose weitere Untersuchungen einzuleiten“, betonte Kopfschmerzspezialist und Kinderneurologe Professor Dr. Florian Heinen, Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums im von Haunerschen Kinderspital der Universität München. „In der großen Mehrzahl der Fälle werden die Kinder- und Jugendärztinnen bzw. die Kinder- und Jugendärzte die Angst der oft stark verunsicherten Eltern nehmen können. Das Kind oder der Jugendliche erfährt in einem guten Aufklärungsgespräch, was sich hinter seinen Kopfschmerzen verbirgt und erhält seine persönlichen Empfehlungen zu Schlaf, Sport, Ernährung, Trinkmenge und zu den oft dringend notwendigen Pausen vom Medienkonsum“.
Um die Kopfschmerzen noch besser zu verstehen, können Kind und Eltern für zwei bis drei Wochen einen Kopfschmerzkalender führen. Sie sollten darin Dauer und Stärke der Schmerzen, die Begleitsymptome, mögliche Auslöser und auch die eingenommenen Medikamente festhalten. Allein dadurch kommt man oft den individuellen Auslösern auf die Spur.
Nicht gleich zu Tabletten greifen!
Kinder, die unter Kopfschmerzen leiden, sollten sich mehr im Freien bewegen, regelmäßig Sport treiben und ausreichend Wasser trinken, so die Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck. Professor Berthold Koletzko: „Sie sollten außerdem weniger Zeit mit Computerspielen und Fernsehen verbringen und auf geregelte Mahlzeiten und auf ausreichenden Schlaf achten. Die Einhaltung fester Zeiten des Schlafengehens und des Aufwachens und das Vermeiden von Coffein am Nachmittag – also von Cola, Kaffee und Energydrinks – haben sich in Studien als gute Ansätze gegen Kopfweh erwiesen“.
Zur medikamentösen Akut-Behandlung der Schmerzen wird die Kinder- und Jugendärztin oder der Kinder- und Jugendarzt Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol verordnen. Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“) sollte wegen der Gefahr einer zwar seltenen, aber gefährlichen Komplikation („Reye-Syndrom“) erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Eine Alternative zur Behandlung von leichten oder mittelschweren Kopfschmerzen vom Spannungstyp bietet die äußere Anwendung einer zehnprozentigen Pfefferminzöl-Lösung aus der Apotheke, die auf die Stirn und Nackenmuskeln aufgetragen werden kann.
Als hilfreich gegen Kopfweh haben sich auch nichtmedikamentöse Maßnahmen erwiesen, Dazu gehören Entspannungsübungen, Physiotherapie und eine Anpassung des Tagesrhythmus, sowie reflektierende Gespräche mit dem an Kopfschmerzen erkrankten Kind über Dinge, die es belasten oder ihm eher guttun.
In komplizierten Fällen können die Kinder- und Jugendärztinnen sowie Kinder- und Jugend-ärzte ihre Patienten auch in eine der kinderneurologisch geleiteten Kinder-Kopfschmerz-Zentren überweisen, die es an mehreren Universitäts-Kliniken und großen Krankenhäusern gibt.
Quelle: www.kinderaerzte-im-netz.de vom 14.10.2022