Wien/New York – Der Song des US-amerikanischen Rappers Logic „1-800-273-8255“ hat vermutlich für einen deutlichen Anstieg der Anrufe bei der Suizidpräventionshotline Lifeline gesorgt. Gleichzeitig gingen die Suizide in den USA um 5,5 Prozent zurück. Das zeigt eine Auswertung von Forschenden vom Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien, die im BMJ publiziert wurde.
Fast 10.000 zusätzliche Anrufe gingen bei der National Suicide Prevention Lifeline mit der Telefonnummer 1-800-273-8255 in genau den Zeiträumen ein, in denen der Hip-Hop-Song in den sozialen Medien am meisten diskutiert wurde. Das entspricht einem Anstieg von fast sieben Prozent gegenüber den erwarteten Anrufen. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Selbstmorde um 245 (5,5 Prozent, 95%-Konfidenzinterval 36 bis 453) gegenüber der erwarteten Zahl zurück.
Die Forschenden um den Erstautor Thomas Niederkrotenthaler von der Medizinischen Universität Wien hatten anhand von Twitter-Posts die Publikumsaufmerksamkeit abgeschätzt und so die drei Ereignisse mit der größten öffentlichen Aufmerksamkeit identifiziert: Veröffentlichung des Songs, MTV Video Music Awards 2017 und Grammy Awards 2018. Anschließend analysierten sie die Zahl der Anrufe und Suizide in den 34 Tagen unmittelbar nach diesen drei Ereignissen.
Während die Berichterstattung über Suizide von Prominenten den lange bekannten Werther-Effekt auslöst und zu einem Anstieg von Selbstmorden führt (BMJ 2020), könnten andere Geschichten präventiv wirken. Berichten Menschen in den Medien darüber, wie sie suizidale Krisen bewältigt haben, macht sich das in einem Rückgang der Suizide bemerkbar (The British Journal of Psychiatry 2018).
Diese schützende Wirkung, die wahrscheinlich auch die Story des Songs von Logic ausgelöst hat, wird als Papageno-Effekt bezeichnet. In seinem Lied beschreibt der Rapper die Krise eines jungen, schwarzen, homosexuellen Mannes, der mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen. Hilfe erhält er schließlich, als er sich an die Suizidpräventionshotline wendet.
Die Ergebnisse unterstreichen nach Ansicht der Autoren den Nutzen einer Zusammenarbeit mit anderen Sektoren wie der Musik- und Unterhaltungsindustrie für die Gesundheit, sofern keine tödlichen Handlungen gezeigt werden, sondern die Bewältigung von Krisen im Fokus steht.
Quelle: www.aerzteblatt.de vom 14.12.2021