Auch Frauen üben sexualisierte Gewalt an Kindern aus. Das zeigen Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Mehrheit der Personen, die von sexuellem Kindesmissbrauch durch Frauen betroffen sind, berichtete in einer anonymen Online-Befragung davon, dass die sexualisierte Gewalt in der frühen Kindheit begann und über mehrere Jahre andauerte. Häufig wurde die Gewalt von Personen aus dem Familienkreis der Betroffenen ausgeübt. In den meisten Fällen war die eigene Mutter die Täterin. Die beschriebenen sexuellen Handlungen zeigen eine große Bandbreite, die bis hin zu schwerer sexualisierter Gewalt im Kontext der organisierten Kriminalität reicht.
Strategien und Typen von Täterinnen wurden in dem Projekt durch Auswertungen der Berichte an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die das Projekt finanziert hat, ebenfalls untersucht. Es zeigten sich danach vier Typen: die sadistische Täterin, die ein starkes Ausmaß an Gewaltanwendung zeigt, die sogenannte parentifizierende Täterin, die in den betroffenen Kindern und Jugendlichen einen Ersatz für erwachsene Sexualpartner sieht, die vermittelnde Täterin, die betroffene Kinder dritten Tatpersonen zuführt, und die instruierende Täterin, die oft im Kontext von organisierten Gewaltstrukturen auftritt.
„Die Auswertungen ergaben auch, dass sexualisierte Gewalt durch weibliche Täterinnen für Betroffene und das Umfeld schwerer zu erkennen ist als solche durch männliche Täter. Es wird bei Täterinnen eine subtilere Vorgehensweise und mehr psychische Manipulation berichtet“, sagt Prof. Dr. phil. Johanna Schröder vom UKE. Viele der Betroffenen litten unter posttraumatischen Belastungssymptomen. Die psychischen Folgen des sexuellen Kindesmissbrauchs würden zudem durch Stigmatisierungsprozesse verstärkt.
Quelle: www.aerzteblatt.de; PP 20, Ausgabe Dezember 2021